Starporträt Vivienne Westwood



























Babydoll-Kleid mit großflächigem Print, von Giorgio Armani. Handtasche von Prada. Strumpfhose von Kunert. Schuhe von Vivienne Westwood

Mantel im Seventies- Look, von Miu Miu. Tüllkleid von Wunderkind. Schuhe von Vivienne Westwood. Seiden-Clutch von Alexander McQueen, über luisaviaroma.com

Perlenbesticktes Abendkleid von Emilia Wickstead, aus der Red Carpet Capsule Collection von stylebop.com. Schuhe von Vivienne Westwood. Socken von Item M6. Bestickte Cocktail-Clutch von Bulgari

Isolda Dychauk in einem Dior-Bustierkleid mit floralem Print. Darunter ein Tüllrock von Wunderkind. Kette von Sabrina Dehoff. Strümpfe von Item M6. Schuhe von Vivienne Westwood



















Steckbrief
- Vorname Vivienne Isabel
- Name Swire
- geboren 08.04.1941, Tintwistle / England/ UK
- Sternzeichen Widder
- gestorben 29.12.2022, Clapham, London / England/ UK
- Jahre 81
- Grösse 167 cm
- Partner Andreas Kronthaler (verheiratet) Malcolm McLaren (getrennt) Derek Westwood (geschieden)
- Kinder Ben (*1963) Joseph (*1967)
Das weiß nicht jeder
Vielseitige Vivienne: Sie entwarf auch schon Teegeschirr für Wedgwood und Swatch-Uhren
Politisch engagiert: Vivienne ist gegen Guantánamo Bay und Atom-U-Boote
Ungewollte Werbung: Im 1. "Sex and the City"-Kinofilm bekommt Carrie Bradshaw ein Hochzeitskleid von Vivienne Westwood mit persönlicher Notiz geschenkt - die Designerin selbst zeigte sich allerdings wenig begeiestert von dem Film: Angeblich hat sie nach zehn Minuten den Kinosaal verlassen. Die Klamotten im Film seien ihrer Meinung nach altbacken und langweilig gewesen, trotzdem erwies sich der Film als gute Werbung für sie: Das Hochzeitskleid war danach enorm gefragt
Die Designerin hat keinen Fernseher und liest weder Zeitung noch Zeitschriften - dafür gärtnert sie sehr gerne
"Too much Hausfrau" lautete das meist gefürchtete Urteil aus Viviennes Mund. In ihren zwölf Jahren als Professorin an der Hochschule der Künste in Berlin fiel sie nicht gerade durch einen antiautoritären Lehrstil auf. Schülerinnen berichten, dass sie einfach mal die Musik während einer Präsentation stoppte, wenn sie sie unpassend fand. Kritik gehörte dazu, Tränen auch. Vivienne selber griff mit 64 Jahren verstärkt zu politischen Aussagen auf ihren Kleidungsstücken.
Viviennes Motto: "Trage nur, was wirklich zu dir passt. Kaufe wenig und wähle es genau aus. Trag es, wenn du darin toll aussiehst und kümmere dich nicht darum, ob du 'modisch' bist. Folge nicht der Menge." Gegenüber GALA nannte sie Margaret Thatcher, Jerry Hall und Tracy Emin als bestangezogene Frauen überhaupt.
Ihr Herz schlägt für Andreas Kronthaler, ihren 28 Jahre jüngeren Ehemann. Außerdem für Schnittblumen, insbesondere Rosen, und Vasen. Sie liebt viktorianische Crinoline und derben Harris-Tweed, Korsetts und halsbrecherische 25-Zentimeter-Absätze.
Eigenhändig nähte Vivienne erst Kinderkleidung für ihre Söhne und in ihrem zweiten Leben Fetischmode bis hin zu Piraten-Roben für ihre Läden "Sex", "Seditionaries" und "World's End". Das jugendliche "Red Label" und das "Gold Label" mit Couture Status, das in britischen Ateliers geschneidert wird, tragen heute ihre Handschrift.
Erdbeerblond ist ein schöner Ausdruck für die Farbe ihres feinen Haares - Vivienne variierte ihre Haarfarbe über die Jahrzehnte von Pumuckel-grell bis zu pastelligen Omi-Tönen. Der ehemals punkige Strubbelschnitt wurde über die Jahre länger. Die Haare sind immer kunstvoll zerzaust und auch mal nach historischen Vorbildern drapiert.
"Let it Rock" - so wie ihr erster Shop in London - heißt Viviennes neuer Duft mit "Glam-Rock"-Gefühl. Im GALA-Interview erzählte sie, dass sie für den Duft mit essentiellen Ölen wie Patchouli ein ambitioniertes, glamouröses Rock-Girl vor Augen hatte: "Ich habe Sable Starr im Kopf, die Freundin von New-York-Doll Johnny Thunders. Sie trug enge, hoch gerollte, mit Sternen übersäte Tops, eine Menge Glitzer und Plateauschuhe. Eine smarte, gerissene Frau, die wusste, was sie wollte und wie sie es bekam."
Biografie von Vivienne Westwood
Das erste Leben der Vivienne Westwood spielte sich in einem Arbeiterdorf bei Manchester ab. Ihre Mutter Dora Ball war Weberin in der örtlichen Baumwollspinnerei und ihr Vater Gordon Swire kam aus einer Familie von Schuhmachern. Im Großraum von London besuchte Vivienne ein Semester lang die "Harrow Art School", wo sie Mode und Silberschmiedekunst belegte. Mit derartigen Höhenflügen könne man ja nicht seinen Lebensunterhalt verdienen, meinte sie, wurde Grundschullehrerin und unterrichtete ab 1961 zehn Jahre lang im Norden Londons. Ein Jahr später heiratete sie den Werkzeugmacher Derek Westwood und bekam mit ihm den Sohn Benjamin "Ben" Arthur. Drei Jahre später reichte sie die Scheidung ein - mit seinem Nachnamen "Westwood" würde sie einmal weltberühmt werden.
Das verbindet Westwood mit den "Sex Pistols"
In Viviennes zweitem Leben verliebte sie sich in einen Freund ihres Bruders, den umtriebigen Malcolm Edwards alias McLaren, der die Band "The Sex Pistols" zusammengebracht hatte. Seine exzentrischen Ideen faszinierten sie so sehr, dass sie ihr konventionelles Leben aufgab. 1967 kam ihr gemeinsamer Sohn Joseph Ferdinand Corre zur Welt. Dieser sollte später einmal in Mamas Fußstapfen treten und mit seinem Dessous-Label "Agent Provocateur" sexy Unterwäsche gesellschaftsfähig machen.
Der erste Laden
Während London noch in Flowerpower schwelgte, machte Vivienne mit Malcom 1971 ihren ersten Laden in der 430 Kings Road in Chelsea auf: "Let it Rock" war das Motto für ihre Auswahl an Original 50er-Jahre Mode mit James-Dean-Touch und Pin-Ups an den Wänden. Der Laden wurde fortan immer wieder umbenannt und umdekoriert. Malcolm hatte die Ideen und Vivienne setzte sie um. "SEX" mit "Gummikleidung für das Büro" war das Motto ab 1973. Pornographische Graffitis, Gummigardinen, Ketten, Vorhängeschlösser, Stöckelschuhe und alle Arten von Fetischmode waren ziemlich einmalig seinerzeit. Die "Sex Pistols" hingen oft im Laden ab, der nun "Segitionaries" (eigene Wortschöfpung: Verführung zur Revolte gegen jegliches Establishment) hieß. Malcolm wurde ihr Manager: Mit "God Save the Queen" hatten die Pistols 1977 einen Nr.1-Hit und machten bei jedem Auftritt Werbung für Viviennes Mode.
Vivienne macht auf Pirat
Doch die war schon wieder einen Schritt weiter und machte 1981 mit ihrer ersten Piraten-Kollektion Furore. 1984 schaffte sie den Absprung von Malcom und den Sprung nach Paris. Po-Kissen unterstützten Röcke und wurden zehn Jahre später von Versace im Domina-Look aufgegriffen. 1987 machte Naomi Campbells Sturz mit den 25 Zentimeter hohen "Kothurnen", jenen dicksohligen Schuhen inspiriert durch antike Tragödien, Viviennes Mode-Revolutionen weltweit noch bekannter.
Sie heiratet ihren Ex-Studenten
Von 1989 bis 1991 lernte sie während ihrer Professur an der Hochschule für angewandte Kunst in WienAndreas Kronthaler kennen. Seit 1993 ist sie mit einem ihrer begabtesten Studenten verheiratet, drei Jahre später übernahm er die Männerkollektion. Auch ihre Berliner Studenten haben ihre couragierte Art kennengelernt. Im Jahr 2006 wurde sie zur "Dame Commander of the Order of the British Empire" ernannt. Und sie blieb aktiv. Ihr Ehemann und Geschäftspartner Andreas teilte nach ihrem Tod mit: "Wir haben bis zum Ende gearbeitet, und sie hat mir viele Dinge mitgegeben, mit denen ich weitermachen kann. Danke Liebling."
Eine Frau, die auch nach ihrem Tod unvergessen bleibt
Vivienne Westwood pfiff nicht nur auf Konventionen und schnappte sich einen deutlich jüngeren Mann, sie stand neben extravaganter Mode auch für Umweltschutz, bewussten Konsum und Nachhaltigkeit. Doch wie passt ihr Erfolg in der Modeindustrie zu Nachhaltigkeit, wird dem Konsumenten doch immer suggeriert, er müsse kaufen, kaufen, kaufen? Westwood hatte dazu eine klare Meinung: "Ich verkünde seit Jahren das Mantra: 'Kauft weniger! Wählt sorgfältiger aus!'". Sie selbst hielt sich an dieses Mantra, nicht nur was Kleidung betrifft, denn: "Besitz stört mich. Er macht das Leben nur komplizierter."
Die Frau, die von sich selbst behauptete, lediglich 20 Paar Schuhe zu besitzen, von denen sie gerade mal sechs Paar trägt, war eine Frau, die wusste, worauf es im Leben ankommt. Vom Schönheitswahn beispielsweise war sie genervt: "Ich mag Frauen, die Lippenstift auftragen, bevor sie mit ihrem Liebhaber oder Ehemann telefonieren. Aber grundsätzlich finde ich es besser, gebildet, kultiviert, interessant und bedeutend auszusehen als schön und sexy". Ihr Geist machte Vivienne Westwood so speziell und sie dachte einfach überhaupt nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Ein Glück, denn wie keine andere schaffte sie es, Mode, Aktivismus und Punk zu vereinen – bis zuletzt. Sie starb kurz vor dem Jahresende 2022.