Man muss ihn einfach mögen. Als wir Wolfgang Joop, 74, am Telefon erreichen, ist er höflich wie immer und bringt einen ständig zum Schmunzeln. "Ich befinde mich aktuell im Exil auf Ibiza. Es ist ziemlich still hier, Gott sei Dank", sagt er und lacht. Auf seiner Finca kann der Designer kreativ sein. Gerade hat Joop, seine Autobiografie herausgebracht. "Das ganze Buch ist ein Outing", verrät er GALA. Er teilt darin nicht nur sein Privatleben, sondern auch ein Stück selbst erlebte DDR-Geschichte.
"Ich hatte mehr Glück als Verstand"
GALA: Herr Joop, warum jetzt eine Autobiografie?
Wolfgang Joop: Ich habe vor einem Jahr aus einem Instinkt heraus angefangen, das Buch zu schreiben. Egal, wo ich gerade war, habe ich daran gearbeitet und am Ende 2000 handgeschriebene Seiten gefüllt. Alles was ich sagen wollte, habe ich aufgeschrieben.
Wie würden Sie Ihr Leben in Kurzfassung beschreiben?
Ich hatte mehr Glück als Verstand. Und ich habe das Ziel, zu meinem Heimatort zurückzukehren, nie aus den Augen verloren.
Wo ist denn Ihr Heimatort?
Das Landgut Bornstedt bei Potsdam, es ist das Haus meiner Kindheit. Für mich ist es ein Ort, der sich kaum verändert hat. Der Hof wurde zur Kaiserzeit gegründet und später von meinem Opa Paul übernommen. Als Zehnjähriger bin ich mit meiner Mutter legal aus der DDR ausgereist und zu meinem Vater nach Braunschweig gezogen. Im Tausch dafür reisten meine Tante Elisabeth und ihr Mann ein - mein Onkel hatte Landwirtschaft studiert und brauchte einen Hof. Er gab aber bald auf, als die Enteignungswelle alle landwirtschaftlichen Betriebe verstaatlichte.
Sie sind immer wieder dorthin zurückgekommen.
Ja, ich durfte mit einem Visum einreisen. Die Gefahren des alten Systems haben wir ignoriert. Als die Mauer fiel, schoben sich die Leute über die Grenze, als wäre es die Drehtür eines Kaufhauses. Erst dann habe ich realisiert, wie dünn das Eis war, über das wir Jahrzehnte gelaufen sind.
Wolfgang Joop wollte raus aus der Mittelmäßigkeit
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie bis 1989 in Ostdeutschland geblieben wären?
In der DDR waren Antiquitäten die sicherste Währung, sie hatten in West und Ost den gleichen Wert. Deshalb hätte ich mich mit dem Spirit dieser Altertümlichkeiten umgeben und ein gemütliches Restauratoren- und Künstlerleben gelebt. Aber ich entfliehe ja gern der Idylle und messe mich an großen Herausforderungen.
So wie 1981, als Sie JOOP! gegründet haben und später von Hamburg nach New York gezogen sind?
Ich musste raus aus der Mittelmäßigkeit, die dauernd entschieden hat, wie weit ich kreativ gehen durfte. Ich hatte mich der Illusion hingegeben, in New York eine Heimat zu finden. Als die Karriere mich dann um den ganzen Erdball trieb, hat die Sehnsucht nach Bornstedt überhand genommen.
Zu Ihrem Vater, dem Chefredakteur eines Kulturmagazins, hatten Sie ein angespanntes Verhältnis.
Ja, ja. Wissen Sie, als mein Vater nach der russischen Kriegsgefangenschaft nach Hause kam, wurden seine Hoffnungen auf einen Schlag zerstört. Er sah, dass seine Frau nicht wirklich auf ihn gewartet hatte und das Kind schon gar nicht. Als Junge reagierte ich mit Bockigkeit auf ihn, heute empfinde ich tiefes Verständnis für sein Schicksal.
War er stolz auf Sie?
Als ich 2003 meinen Roman "Im Wolfspelz" veröffentlichte, habe ich überlegt, ob ich das vielleicht gemacht hatte, um seine Anerkennung zu bekommen. Wenn mein Vater an einer Titelgeschichte schrieb, dauerte das vier Wochen, und wir durften im Haus nicht sprechen. Ich wollte ihm zeigen: Ich kann das auch - mit leichterer Hand. Doch ein Kompliment zu machen, dafür war mein Vater in seiner Generation nicht erzogen worden.
Familienstreit war schmerzhaft für Joop
Waren Sie für Ihre Töchter Jette und Florentine ein besserer Vater?
Sicherlich ein ganz anderer. Meine Ex-Frau Karin und ich habe unsere Töchter recht antiautoritär erzogen. Aber indem man alles anders macht, macht man neue Fehler.
Lange vor dem Tod Ihrer Mutter 2010 haben Sie Gut Bornstedt teilweise schon an die Töchter vererbt. Wie kam es dennoch zum Familienstreit?
Wie wir alle wissen, hatte Jette das Gut für sich in Anspruch genommen und die Schlösser ausgetauscht. Wir hatten keinen Zugang mehr zu dem Haus. Das war schon sehr schmerzhaft. Ich wollte immer, dass es ein Platz für alle bleibt.
Inzwischen leben Sie wieder dort. Was war ein weiteres einschneidendes Erlebnis?
Es gab viele Stellen im Buch, bei denen ich beim Schreiben schlucken musste. Zum Beispiel, als Karin und ich uns verloren haben. Nichts erschreckt mich mehr, als wenn eine Beziehung zerbricht.
Warum ist Ihre Ehe kaputtgegangen?
Wir haben uns schon mit 19 Jahren kennengelernt, dann haben wir sehr eigenwillige Töchter bekommen. Bevor ich in Hamburg die Firma Joop! gegründet habe, bin ich nur mit einem Skizzenbuch unterm Arm um die Welt gereist. Ich wollte nicht fest angestellt sein. Wenn man aber Kinder hat, kann man nicht so weit laufen. Karin hätte mich sicherlich gern begleitet. Sie ist dann aber zurückgeblieben, da sie sich während unserer Ehe in einen neuen Mann verliebt hatte.
"Karin nennt mich immer noch Wölfchen"
Wie gut verstehen sich Karin und Edwin?
Gut, ich bin sehr dankbar, dass ich in beiden eine lange Beziehung gefunden habe. Karin nennt mich immer noch Wölfchen.
Heute leben Sie mit Karin fast Tür an Tür auf Gut Bornstedt.
Wir sehen uns täglich am Morgen im Park. Karin mit ihren beiden Beagles und ich mit meinen Hunden.
Wären Sie ohne Edwin im Alltag verloren?
Ganz sicher. Ich bin einerseits mutig, andererseits auch ein wenig ängstlich und unpraktisch. Schon das Kofferpacken fällt mir beispielsweise etwas schwer. Edwin koordiniert und organisiert unser Geschäfts- und Privatleben. Er ist auch mein bester Berater. Selbst wenn ich kreativ bin, lässt er mich damit nicht in Ruhe.
Was hat Sie beim Schreiben inspiriert?
Wenn du dich mit Figuren auseinandersetzt, die dich alle schon verlassen haben, dann kommt beim Schreiben immer ein guter Bekannter zurück. Das ist der Tod. Ich bin nicht jemand, der das Gefühl hat, eines Tages kommt der Tod. Ich habe das Gefühl, der Tod ist bei mir. Als ob mir jemand ins Ohr flüstert: "Tu es, das wolltest du immer machen." Das finde ich einen sehr guten Ratgeber. Ich mache mir da nichts vor, wir alle müssen sterben.
Team Heidi oder Team Claudia?
Wie möchten Sie beerdigt werden?
So weit denke ich nicht. Die Inszenierung hinterher ist mir völlig egal.
Vermissen Sie Karl Lagerfeld?
Ich bedaure es sehr, dass er nicht mehr da ist. Als ich von seinem Tod erfuhr, habe ich zu heulen angefangen. Was ist das für eine Modewelt ohne Karl? Ich habe ihn oft in seiner Hamburger Villa und auf seinem Schloss in der Bretagne besucht. Allerdings gibt es auch viele Geschichten, wo Karl nicht immer nett war. Er konnte sehr zynisch sein.
War er auch zynisch zu Ihnen?
Manchmal sagte er im Fernsehen, er kenne mich gar nicht. Oder: "Ach, der ist immer zu bunt angezogen."
Von Lagerfeld gibt es auch das Zitat über Heidi Klum: "Ich kenne sie nicht. Claudia kennt die auch nicht. Die war nie in Paris, die kennen wir nicht." Als Gast-Juror bei GNTM sind Sie sicher Team Klum, oder?
Beide sind so schön, dass man es kaum fassen kann. Allerdings ist Claudia reifer geworden und hat sich privat zurückgezogen. Heidi habe ich tief ins Herz geschlossen, weil sie eine Frau ist, die sich von nichts erschrecken lässt. Sich einen jüngeren Mann zu nehmen, das ist schon cool. Sie hat ihr Leben in der Hand und wird immer hübscher, finde ich. Wir können stolz auf diese Frau sein. Denn wir haben neben unserer Kanzlerin nur zwei berühmte Frauen made in Germany - Marlene Dietrich und Heidi Klum.
Hat sich Heidi durch Tom verändert?
Heidi hat sich mit jedem Mann verändert - nehme ich an. Aber sie bleibt sie selbst. Sie ist ein omnipräsentes Business-Genie und scheint jetzt das ganz große Glück gefunden zu haben.