Er ist ein Kreativ-Genie und macht jetzt sehr viele Menschen glücklich: Wolfgang Joop, 74, hat Wohnaccessoires für den Discounter Aldi entworfen.
Designer Wolfgang Joop über sein turbulentes Leben
"Wie kann er nur", tuschelt die Fashion-Szene. Joop lässt das kalt. Beim Interview mit GALA sagt der Designer, der gerade wieder in der aktuellen "GNTM"-Staffel als Gastjuror mitwirkt: "Ich habe durch Heidi Klum eine so große junge Fan-Gemeinde gewonnen, der ich bisher nie ein Produkt anbieten konnte. Ich selbst gehe zu Aldi, um Lebensmittel zu kaufen. Warum sollte ich mir da nicht eine Vase, ein Handtuch kaufen?“
GALA: Sie sagen, dass Sie "politisch korrekt" neue Wege gehen wollen. Wie meinen Sie das?
Wolfgang Joop: Die Fashion-Welt ist in letzter Zeit politisch unkorrekt. Man hat auf den Laufstegen immer noch Pelze gesehen, wahnsinnig viel Plastik bei Prada oder Calvin Klein. Ich will nicht verleugnen, dass ich meinen Namen mit Pelzen gemacht habe. Aber ich bin es leid. Ich lebe heute anders. Ich lebe fleischlos.
GALA: Ihre Zeit in Monaco und New York hat Sie für die Wohnaccessoires inspiriert. Brauchen wir mehr Glamour?
Joop: Manchmal fehlt es den Deutschen an lebhaften Akzenten. Viele glauben, dass das Geschirr, das sie einmal gekauft haben, ein Leben lang benutzt werden muss. Wir alle haben einen anspruchsvollen Alltag, da sollte sich eine Wohnung mit uns mitverändern dürfen.
GALA: Heute leben Sie nahe Berlin. Steht Berlin aktuell dort, wo New York einst war: überlaufen, überfeiert, überteuert?
Joop: New York gefällt mir heute nicht mehr so gut wie früher. Als ich dort ab 1992 gelebt habe, war die Stadt pleite, aber es gab Warhol, Madonna, Blondie und Disco. Das war unfassbar. Heute ist New York für mich nur noch eine Stadt der Karriere. Wer nicht gut verdient, hat dort nichts zu suchen. Berlin wiederum ist eine sehr chaotische Stadt. Berlin ist für mich ein Versprechen, das sich nicht erfüllt. Nehmen wir den Flughafen, auf den alle warten, wie auf die Mode aus Berlin.
GALA: Damit sprechen Sie offenbar die Fashion Week an. Was stört Sie?
Joop: Der ganze Aufwand, der dort betrieben wird, ist doch unzeitgemäß, auch in Paris. Es ist heute wichtiger, wer in der Front Row sitzt und wen man dann noch neben Kim Kardashian quetschen kann. Die Models machen Selfies. Ich finde das sehr traurig.
GALA: 2017 haben Sie sich in einer Auktion von Möbeln und Kunst getrennt. Tat das weh?
Joop: Das war dem Umzug geschuldet. Ich habe mir die Möbel über 50 Jahre zusammengesucht und zusammengetrödelt. Als ich meine Familie aus dem Nichts gegründet habe, sind wir auch für die Kleidung in Trödlerläden gegangen. So haben wir unseren Stil gefunden. Und ja, ich kann mich nicht gut trennen. Mein Partner Edwin kann das besser. Ich hänge an den Dingen, weil ich an den Moment denke, wo ich sie gefunden habe und wo sie standen. Aber es ist wichtig, sich von Dingen zu trennen. Sonst versinkt man im Chaos.
GALA: Was halten Sie von "Smart Home"-Technologien, wo das Handy dem Bewohner mitteilt, was noch im Kühlschrank ist?
Joop: Das ist mir fremd. Ich kann mit meinem Smartphone so gerade umgehen. Ich habe mein WhatsApp und kann meine Mails schreiben. Das reicht mir. Und was ich im Kühlschrank habe, weiß ich ohnehin. Es ist immer ziemlich wenig. (lacht)
GALA: Sie sind jetzt 74. Warum arbeiten Sie immer noch gern?
Joop: Ich werde in letzter Zeit oft auf Herrn Lagerfeld angesprochen, weil er bei seiner Modenschau nicht mehr zu sehen war. Dann werde ich gefragt, was ich vom Abtreten halte. Ich sage darauf, wenn ich 40 Jahre Chanel oder Joop gemacht hätte, würde ich auch sagen: Jetzt wird es langsam Zeit. Man hat ja irgendwann seinen Höhepunkt gehabt. Nun aber habe ich mir ein anderes Terrain überlegt. Mit einer neuen Kollektion beschreite ich meine dritte Karriere nach "Wunderkind" und "Joop". Ich bin ein Beginner. Und wenn ich beginne, kann ich nicht abtreten.
GALA: Sie schreiben auch Ihre Memoiren.

Joop: Ich bin jetzt beim allerletzten Kapitel: der Kirchgang mit meinen Eltern. Im Juli letzten Jahres habe ich angefangen, anekdotische Erinnerungen aufzuschreiben. Rückblickend war mein Leben wahnsinnig aufregend und bunt. Ich habe in Portugal, Monaco und New York gelebt. Ich habe überall meine Heimat gesucht und bin jetzt genau wieder an dem Platz, wo ich groß geworden bin.
GALA: Wie nehmen Sie das Älterwerden wahr?
Joop: Das Traurige ist, dass man nach einem langen, arbeitsreichen Leben nicht belohnt wird. Alter ist keine Belohnung. Und im Älterwerden liegt auch keine Hoffnung. Max Planck hat das sehr richtig gesagt: Man sollte im Alter ohne Angst und ohne Hoffnung leben. Das finde ich eine ganz gute Aufgabenstellung. Ich glaube, man fühlt das Alter nicht, wenn man sich, wie ich, immer etwas vornimmt.
GALA: Viele Menschen denken darüber nach, später in einer Alters-WG zu leben. Haben Sie solche Gedanken?
Joop: Ich lebe jetzt hier in Bornstedt mit meinem Lebenspartner Edwin. Hinterm Gartenzaun lebt meine Ex-Frau Karin, die ich nun mehr als 50 Jahre kenne. Meinen Alters-Club habe ich hier. Eine Alters-WG in dem Sinne möchte ich nicht gerne haben. Lauter Leute, die mir von ihren Zipperlein berichten – nein danke. Zudem lebt meine Tochter Florentine mit ihren Kindern hier. So habe ich auch noch einen Jugend-Club, der mich fit hält.
GALA: 2013 haben Sie sich mit Edwin Lemberg verpartnert. Planen Sie noch eine Hochzeit?
Joop: Das war eine Zwangsehe. (lacht) Nein, eher eine Vernunftsentscheidung. Wenn man so lange zusammenlebt wie wir, gibt es viele Dinge, die man auch für den anderen beschützen möchte. Wenn man 40 Jahre mit jemandem den Alltag geteilt hat, die Karrieren begleitet hat, ist der romantische Akt nicht so wichtig wie der rationale. Zwei ältere Herren vorm Traualtar? Finde ich grotesk. Wäre ich 30 Jahre jünger und hätte mich eine Begegnung so sehr geflasht, wäre ich heute vielleicht schon viermal geschieden und viermal neu verheiratet.
