Titelgeschichte Zu sensibel für die Traumfabrik?

Wie Heath Ledger leiden viele Hoffnungsträger unter den Erwartungen in Hollywood. Nach dem tragischen Tod des Schauspielers wird jetzt erstmals Selbstkritik laut

Hollywood unter Schock.

Freunde und Familie, Kollegen und Fans trauern um Heath Ledger, der vergangene Woche leblos in seinem New Yorker Apartment gefunden wurde. Die Ermittlungen zur Todesursache des 28-Jährigen laufen, die Polizei geht von einer versehentlichen Überdosis Tabletten aus. Wie groß das Mitgefühl mit dem Australier ist, zeigten am Wochenende die Trauerfeier in New York und eine private Andacht in Hollywood, an der auch seine Ex-Freundin Naomi Watts teilnahm.

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Heath Ledgers Schicksal war allerdings keine Ausnahme - zahlreiche Schauspieler leiden offenbar unter dem Druck der Branche. "Hollywood kann sensible Menschen zerstören", sagt Suzanne Lopez, Psychologin in Los Angeles, im Interview mit GALA. "Man hat nur die Möglichkeit, sich ein dickes Fell zuzulegen. Viele junge Menschen können das aber nicht." Anlass zur Sorge geben auch Stars wie Owen Wilson, Jonathan Rhys Meyers, Joaquin Phoenix, Orlando Bloom und Shia LaBeouf. Im Extremfall machen sie mit Suizidversuchen Schlagzeilen, im Normalfall mit Alkoholentzügen und schweren persönlichen Krisen. Was ist nur los mit den schillerndsten Hoffnungsträgern? "Die Konkurrenz wird immer härter. Junge Schauspieler stehen unter enormem Druck, müssen Tag und Nacht arbeiten, ein Skript in wenigen Tagen auswendig lernen", erläutert "Pulp Fiction"-Produzent Paul Hellerman GALA. "Schließlich sind die Produktionszeiten heute deutlich kürzer als früher. Statt in sechs Monaten muss ein Film jetzt in drei Monaten im Kasten sein. Früher hatte ein junger Schauspieler Zeit, langsam zu wachsen. Heute wird man schon am ersten Box-Office-Wochenende daran gemessen, ob man im Kino Erfolg hat oder nicht."

Heath Ledger war spätestens seit seiner Oscar-Nominierung für "Brokeback Mountain" 2006 enorm populär. "Er investierte seinen Wissensdurst, seine Wahrheitsliebe und Lebensfreude in seine Rolle - und eine Verletzlichkeit, für die man ihn einfach lieben musste", sagt Regisseur Ang Lee. Doch gerade diese Sensibilität machte Ledger auch so labil. Freunde beschreiben ihn als verschlossen und ernst, Journalisten erlebten ihn meist als extrem misstrauisch. Mehrfach legte er sich mit Paparazzi an, wenn er sich bedrängt fühlte. Zunehmend bedrückt wirkte Ledger nach der Trennung von Michelle Williams im vergangenen August. Mit der Kollegin, in die er sich am Set von "Brokeback Mountain" verliebt hatte, hat er die zweijährige Tochter Matilda. Jetzt heißt es, Michelle Williams habe ihn wegen seines ausschweifenden Lebens verlassen. Weil er immer wieder zu Drogen und Alkohol griff, um Stress abzubauen.

Besonders schlimm ging es ihm es in den Wochen vor seinem Tod. Die anstrengenden Dreharbeiten zur "Batman"-Fortsetzung "The Dark Knight" sowie zum Fantasy-Film "The Imaginarium Of Doctor Parnassus" setzten ihm physisch und psychisch zu. Immer wieder klagte er über Schlafstörungen. "Letzte Woche habe ich nur zwei Stunden pro Nacht geschlafen. Mein Körper ist erschöpft, aber mein Geist findet keine Ruhe", erzählte er im November der "New York Times". Einmal habe er eine Schlaftablette genommen, und als die nicht wirkte, eine zweite. "Doch nach einer Stunde wachte ich auf, und meine Gedanken rasten." Als seine Leiche vergangenen Dienstag von seiner Masseurin Diana Wolozin gefunden wurde, lagen sechs verschiedene verschreibungspflichtige Medikamente in der Nähe, darunter Antidepressiva und Schlaftabletten. Noch bevor Wolozin den Notruf wählte, verständigte sie Ledgers enge Freundin Mary-Kate Olsen. Dass sie seine letzte Liebe gewesen sein soll, dementiert die Schauspielerin: "Heath war ein Freund. Sein Tod ist ein tragischer Verlust."

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Eine Überdosis Medikamente und Drogen hatte auch Owen Wilson, 39, intus, als er im August 2007 nach einem Suizidversuch in eine Klinik in Beverly Hills eingeliefert wurde. Er überlebte - aber der Schock war groß. Niemand hatte geahnt, dass der beliebte Komiker mit so düsteren Gedanken kämpfte. Ähnlich wie Heath Ledger war auch Wilson kurz zuvor verlassen worden, Schauspielerin Kate Hudson hatte im Juni mit ihm Schluss gemacht. "Eine zusätzliche private Krise wie eine Trennung kann einen ohnehin schon an Depressionen leidenden Menschen in den Abgrund stürzen", analysiert Psychologin Lopez. Doch anstatt sich in Therapie zu begeben, fuhr Owen Wilson lieber mit Freunden in den Urlaub und vergnügte sich mit wechselnden Frauen. Kürzlich wurde er in Venice beim Kauf einer Wasserpfeife erwischt. Und auch beruflich gönnt er sich keine Ruhe: Allein in diesem Jahr sollen drei große Filme mit ihm anlaufen.

Zwischen Karrierehoch und persönlichem Tief schwanken auch seine Kollegen Shia LaBeouf, 21, Joaquin Phoenix, 33, und Jonathan Rhys Meyers, 30. Alle drei werden in Hollywood als kommende Superstars gefeiert, gleichzeitig kämpfen sie mit Alkoholproblemen. Phoenix gilt, ähnlich wie Heath Ledger, als äußerst öffentlichkeitsscheu. Wie Hollywood jungen Talenten zusetzen kann, erlebte er hautnah: Als sein berühmter Bruder River 1993 an einer Überdosis Heroin und Kokain im Nachtclub "Viper Room" in Los Angeles starb, war Phoenix derjenige, der den Notdienst rief. Ein Trauma, das ihn bis heute prägt. Nach den Dreharbeiten zu "Walk The Line" begab er sich 2005 in eine Suchtklinik.

Auch Jonathan Rhys Meyers, der in den USA mit der TV-Serie "The Tudors" erfolgreich ist, hat schon zwei Entzüge hinter sich - ohne Erfolg. Im November wurde er am Flughafen in Dublin festgenommen, weil er betrunken randalierte. Als drei Tage später seine Mutter starb, sah man ihn auf der Straße torkelnd Dosenbier trinken. In ähnlich derangierter Verfassung wurde kürzlich Shia LaBeouf in Chicago verhaftet, nachdem er sich alkoholisiert geweigert hatte, einen Drugstore zu verlassen. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, nicht dieselben Fehler zu machen wie sein drogensüchtiger Vater. Es kam anders. Nun nutzte er die drehfreien Tage während des Autorenstreiks in Hollywood immerhin, um Sitzungen der Anonymen Alkoholiker zu besuchen.

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Einen Fluchtversuch aus der Traumfabrik unternahm kürzlich "Fluch der Karibik"-Star Orlando Bloom. Statt neue Rollen anzunehmen, reiste er als Unicef-Botschafter nach Nepal. Richtig glücklich wirkte er dabei nicht. Freunde sorgen sich, weil der 31-Jährige einen orientierungslosen, verwahrlosten Eindruck mache. Ist es vielleicht doch keine Lösung, Hollywood radikal den Rücken zu kehren? Wie man trotz des Erfolgsdrucks sein Gleichgewicht finden kann, zeigt Johnny Depp. Vom Typ her Heath Ledger und Co. sehr ähnlich, experimentierte auch er in den Neunzigerjahren mit Drogen und verwüstete Hotelzimmer. Doch als er 1998 Vanessa Paradis kennen lernte, mit ihr eine Familie gründete und nach Südfrankreich zog, kehrte Ruhe in sein Leben ein. "Ich habe so viel Zeit damit vergeudet, mich mit Alkohol und Drogen zu vergiften", sagte der 44-Jährige einmal dem "Stern". "Aber wenigstens habe ich durch diese Zeit viel gelernt. Ich habe gelernt, was Tod bedeutet."

Wie Heath Ledger kam auch der ehemalige Kinderstar Brad Renfro nicht mehr zu dieser Erkenntnis. Er starb vor drei Wochen im Alter von nur 25 Jahren, wahrscheinlich an einer Überdosis. Schon bald nach seinem Durchbruch 1994 mit der John-Grisham-Verfilmung "Der Klient" wusste man in Hollywood von seiner Alkoholsucht. "Aber solange Brad arbeitete und nüchtern genug blieb, damit andere Leute mit ihm Geld verdienen konnten, hat man diese Tatsache ignoriert", klagte nun seine frühere Assistentin Karen Castrischer im US-Magazin "Star". Reuevoll fügte sie hinzu: "Auch ich hätte etwas tun müssen, um zu helfen. Es ist eine tragische Geschichte und ein schrecklicher Verlust. Das Traurigste ist aber: Solche Sachen passieren jeden Tag."

gala.de

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