Einen Brief im Zeitalter
von SMS und E-Mail schreibt jemand höchstens noch, wenn er seinen Worten Gewicht verleihen will. Oder er hockt gestrandet auf einer einsamen Insel und ruft via Flaschenpost um Hilfe. Bei Blake Fielder-Civil trifft irgendwie beides zu. Seit November 2007 sitzt der Ehemann von Amy Winehouse wegen Körperverletzung und Justizbehinderung im Londoner Pentonville Gefängnis in Untersuchungshaft.
Mobiltelefone und Internet sind hinter den hohen weißen Mauern des viktorianischen Baus verboten. Von dieser einsamen Insel aus sandte Fielder-Civil jetzt seiner Gattin einen dramatischen Hilferuf. "Bitte, verlass' mich nicht", fleht er mehrfach in dem Brief, der nun publik wurde. Und: "Ich habe Angst, dass Du jetzt, da Du einen klaren Kopf hast, glaubst, ich sei Deiner nicht würdig."
Der flammende Appell zeigt, dass er sich große Sorgen um seine Ehe macht. Wie nervös müssen ihn da erst die Berichte über einen angeblich neuen Freund an Amys Seite machen? Die britische Presse vermutet nämlich, dass nicht nur ihre kürzlich absolvierte Drogentherapie, sondern auch ein gewisser Blake Wood Grund für ihre gute Verfassung sei. Der Amerikaner arbeitet als Künstler und Fotograf in London und ist ein guter Bekannter von Amys Freundin Kelly Osbourne.
Viel wichtiger: Mit Fielder-Civil hat Wood nur den Vornamen gemein, charakterlich ist er das komplette Gegenteil. Die britische Presse nennt ihn "good Blake", weil der strikte Vegetarier keine Drogen nimmt. Mit seinen langen Haaren und der gelassenen Art wirkt er wie ein sanfter Grunge-Rocker.
Das scheint der labilen Sängerin zurzeit die Ruhe zu geben, die sie braucht. Für "bad Blake" Fielder-Civil, der durch die Haft zu Untätigkeit verdammt ist, muss es ein schwerer Schlag sein zu sehen, wie gut seine große Liebe mit dem anderen Mann auskommt. Um ihn zu beruhigen, soll Amy den anderen Blake mit ins Gefängnis gebracht und ihrem Gatten erzählt haben, der Fotograf sei homosexuell. Ob das den Eifersüchtigen beruhigen konnte? Tags darauf wurde er ins Krankenhausgefängnis verlegt - nach einer Überdosis Heroin war er zusammengeklappt.
Panische Angst, seine große Liebe zu verlieren, plagt Fielder-Civil schon länger. Ist Blake Wood doch bloß der bislang letzte in einer Reihe von Männern, die in jüngster Zeit mit Amy gesehen wurden. Mit ihrem Produzenten Mark Ronson zog sie im Januar durch die Clubs. Den Jahreswechsel verbrachte sie mit ihrem Ex, dem Musikmanager George Roberts, auf Mustique, wohin sie Kollege Bryan Adams eingeladen hatte. Als Ehemann Blake ihr Anfang Februar den Brief schickte, war Amy erst seit wenigen Tagen auf Drogenentzug im Capio Nightingale Hospital. In seinem Schreiben entschuldigt er sich bei ihr unter anderem für seine Mutter Georgette. Die hatte Ende Januar der britischen Zeitung "News of the World" erzählt, Amy komme zu den Gefängnisbesuchen bei ihrem Sohn oft zu spät oder schlafe währenddessen sogar ein. Außerdem kritisierte Georgette Amys Vater Mitch Winehouse: Er sei ein "fetter Kontroll-Freak", das habe auch Blake gesagt.
Amy kränkten diese Worte sehr. So sehr, dass ihr Ehemann nun mit krakeliger Schrift auf zwei schlichten linierten DIN-A4-Blättern nicht weniger als den Bruch mit seiner Familie anbot. "Ich bete, dass meine Mutter nicht alles kaputtgemacht hat. Mit meiner Familie bin ich fertig", so der 25-Jährige. "Ich werde alles tun, um Dir zu zeigen, dass mein Herz Dir gehört. Bitte schreibe mir, ob Du mich noch immer lieben kannst."
Die kleine Frau mit der großen Stimme und den vielen Tattoos steht jetzt vor einem emotionalen Dilemma: Einerseits liebt sie ihren Mann wohl tatsächlich noch. Andererseits weiß sie, dass er ihr nicht guttut. Freunde und Familie würden viel lieber jemanden wie den "guten Blake" an ihrer Seite sehen und raten ihr schon lange, sich von Fielder-Civil zu trennen. "Die Chance, dass ein Abhängiger clean wird, wenn er weiterhin von Menschen umgeben ist, die Drogen nehmen, ist sehr gering", sagt Klaus-Dirk Kampz, Gründer und Geschäftsführer der My Way Betty Ford Klinik in Bad Brückenau. Für Winehouse heißt das: Nicht nur sie, auch ihr Gatte müsste einen Neuanfang wagen.
Die Chance, dass zumindest sie es schaffen könnte, besteht immerhin. Bei ihrer achttägigen Entziehungskur im Capio Nightingale Hospital im Norden Londons soll die 24-Jährige von den Ärzten von Heroin und Crack auf das Ersatzmittel Methadon umgestellt worden sein. Seitdem wohnt sie im "Riverside Plaza Hotel" und wird ambulant weiter behandelt. Wie viel gesünder sie bereits im Vergleich zum Jahresanfang wirkt, bestätigt gegenüber GALA auch die britische Musikerin Adele, die momentan mit Amys Produzent Mark Ronson zusammenarbeitet: "Ich habe Amy vor einigen Tagen getroffen und wir haben uns unterhalten. Ich war auf das Schlimmste gefasst. Sie ist nach wie vor dünn, aber es geht ihr besser. Ihre Haut sieht gut aus."
Mit einigen Pfunden mehr auf den Rippen, gerichteten Zähnen und frisch gefärbten Haaren begeisterte Amy auch die Zuschauer bei der Grammy-Verleihung. Zwar sprühte sie bei ihrem Auftritt, der via Satellit live aus den Londoner Riverside Studios nach Los Angeles übertragen wurde, nicht vor Selbstsicherheit. Aber verglichen damit, wie sie im vergangenen Jahr bei einigen ihrer Deutschlandkonzerte über die Bühne schwankte, war es eine enorme Steigerung.
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Leider ließ der erste Rückfall nicht lange auf sich warten: Nur wenige Tage später besuchte sie im Rahmen der Londoner Fashion Week eine Party im Club "Shoreditch House". "Dort hat sie auf jeden Fall Alkohol getrunken", erzählt ein Augenzeuge GALA.
Das mag harmloser sein als das Video, das vor einigen Wochen im Netz kursierte und Amy beim Crack-Rauchen zeigte. Doch wie gefährlich die Kombination aus Methadon und Alkohol ist, sollte sie eigentlich wissen. Außerdem verdeutlicht der Vorfall, wie anfällig die Künstlerin nach wie vor ist. "Ein Alkohol- oder Kokainentzug dauert vier Wochen, bei anderen Stoffen mindestens sechs", sagt Experte Kampz zu GALA. "Auch wenn jemand nach dem Aufenthalt clean ist, hat er noch ein so genanntes Suchtgedächtnis. Er kann daher jederzeit rückfällig werden."
Alle Hoffnung ruht jetzt auf Amys Familie. Hatten die Winehouses bei deren früheren Exzessen und Zusammenbrüchen bloß hilflos zugeschaut, sind sie jetzt entschlossen für die Sängerin da. So war es ihr Vater Mitch, der sie Ende Januar zum Entzug bewegte. Und bei der Aufzeichnung für die Grammy-Verleihung in den Riverside Studios zeigte sich der Clan so harmonisch und geschlossen wie lange nicht mehr. Amy fiel ihrer Mutter Janis vor Freude über die fünf Auszeichnungen um den Hals, und die wischte sich die Tränen aus den Augen.
Wegen der Zeitverschiebung zwischen London und Los Angeles fand die Freudenszene übrigens um fünf Uhr morgens statt. Während dann in Kalifornien bei sommerlichen Temperaturen die Aftershowpartys begannen, soll Amy mit zur Wohnung ihrer Mutter gefahren und dort ins Bett gefallen sein. Nasskalt und nebelig war es an diesem Morgen in London. Ein trüber Tag. Doch für Amy Winehouse könnte er trotzdem ein erster kleiner Lichtblick gewesen sein.