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Thomas Gottschalk + Co. Sie können nicht anders ...

Warum es Stars wie Thomas Gottschalk so schwer fällt, ihre Karriere zu beenden. Was Michael Schumacher richtig gemacht hat und Boris Becker falsch. "Gala" auf der Suche nach dem richtigen Zeitpunkt

Markus Lanz hätte gar nicht so hartnäckig fragen müssen,

hätte nicht immer wieder insistieren müssen, warum Thomas Gottschalk so an seinem Job hänge und nicht aufhören wolle. Man brauchte Gottschalk, 62, kürzlich in der Talkshow seines jüngeren Kollegen nur beobachten, um zu wissen, dass er gar nicht anders kann. Ein Leben ohne Publikum, ohne Beifall und Anerkennung - der pure Albtraum für den blonden Entertainer.

Kokett schäkerte er mit den älteren Damen im Publikum, lehnte sich zufrieden zurück, wenn er wieder eine Pointe gelandet hatte, faltete entspannt die Hände vor seinem groß karierten Tweedsakko, um gleich darauf mit ausladenden Gesten zu unterstreichen, was an diesem Abend in dem Hamburger Studio an der Stahltwiete seine Botschaft war: Vom Bildschirm verschwinden wird er noch lange nicht. "Genügend Leute haben mir gesagt: Mach weiter!", so Gottschalk in dem Gespräch. Eine Aufforderung, der er nur zu gern folgt. Wie so viele andere Stars, die schon längst ihren wohlverdienten Ruhestand genießen könnten, stattdessen aber wie Harald Schmidt fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit talken, wie Cher und Barbra Streisand auf die x-te Abschiedstournee gehen oder wie einst Karl-Theodor zu Guttenberg so lange auf ihrem Sessel kleben, bis es gar nicht mehr anders geht. Ein Schicksal, das auch Grünen-Chefin Claudia Roth blühen könnte, die trotz Schlappe bei der Urwahl zur Grünen-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl unbedingt weitermachen will. "Es ist leichter, in so einen Job reinzukommen, als mit Anstand und Vernunft wieder raus", stellte Gottschalk bei Lanz so treffend fest. Aber gibt es überhaupt den richtigen Zeitpunkt, um sich in Würde zu verabschieden?

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"Ich bevorzuge es, von der passenden Zeit zu sprechen. Wenn wir von einem Zeitpunkt ausgehen, begrenzen wir uns und lassen nur wenige Optionen zu", sagt Brigitte Palaschinski, Diplom-Psychologin und Coach. Diese Phase, so die Chefin der Hamburger Beratungsfirma Apriori, könne "richtig unangenehm" werden. "Aus der Neurobiologie wissen wir, dass die Konfrontation mit Krisen oder Veränderungen menschliche Entwicklung initiiert." Für Gottschalk & Co. bedeutet das: Erst wenn die Quoten im Keller oder die Konzertsäle leer sind, erkennen die erfolgsverwöhnten Stars, dass es so nicht weitergehen kann.

Ein Traum: Während seiner Karriere als Rennfahrer hatte Michael Schumacher wenig Zeit für Frau Corinna. Jetzt lebt er mit ihr de
Ein Traum: Während seiner Karriere als Rennfahrer hatte Michael Schumacher wenig Zeit für Frau Corinna. Jetzt lebt er mit ihr den Traum von der eigenen Pferdezucht.
© Picture Alliance

Für Michael Schumacher, 43, waren das die drei vergangenen Jahre, in denen der Formel-1-Star der Konkurrenz in seinem Silberpfeil chancenlos hinterherfuhr. Trotzdem sei es kein Fehler gewesen, nach seinem ersten Rücktritt 2005 noch mal ein Comeback zu wagen, meint seine langjährige Managerin Sabine Kehm. "Es war richtig, weil er Lust dazu hatte und die Aufgabe herausfordernd war." Auch wenn diese drei Jahre sportlich nicht erfolgreich waren, hätten sie ihm menschlich und auch in seinem öffentlichen Bild eine neue Dimension verliehen. "Er hat deutlich an Souveränität und Ausstrahlung gewonnen. Auch das kann ein Zugewinn sein, und daher war dieses Comeback durchaus erfolgreich."

Die Fakten geben Kehm recht: Gerade wurde der siebenfache Weltmeister auf dem Sportpresseball in Frankfurt als Legende geehrt, noch vor seinem letzten Rennen in São Paulo Ende November hat er drei lukrative Werbe-Deals abgeschlossen. Und mit Anfang 40 plant er sicher mehr, als mit Ehefrau Corinna Westernpferde zu züchten. Thomas Gottschalk aber ist 20 Jahre älter. Er hat nie etwas anderes gemacht, als sein Publikum meisterhaft zu unterhalten. "Menschen, die sich sehr einseitig, dafür aber sehr deutlich entwickelt haben, sind entsprechend abhängig von dieser Quelle der Bedürfnisbefriedigung", analysiert Psychologin Palaschinski. Die Veränderung werde dann als besonders tief und grundsätzlich empfunden.

Stars wie Karl-Theodor zu Guttenberg, Cher, Claudia Roth, Madonna, Boris Becker und Barbara Streisand, fällt es schwer ihre Karr
Stars wie Karl-Theodor zu Guttenberg, Cher, Claudia Roth, Madonna, Boris Becker und Barbra Streisand fällt es schwer, ihre Karriere zu beenden.
© Reuters

Ein Problem, mit dem offenbar auch Diven wie Barbra Streisand, Cher und Madonna zu kämpfen haben. Vor sieben Jahren startete Cher eine dreijährige "Farewell- Tournee", um sich von ihrem Publikum zu verabschieden. 325 Konzerte absolvierte sie, einige davon in Deutschland - und sie schloss einen Rücktritt vom Rücktritt kategorisch aus. "Es gibt zwei Gründe für ein Comeback", lästerte sie damals, "entweder man ist pleite wie die Stones oder eine alte Diva, die es nicht ohne ihre Fans aushält." Vor dem Hintergrund, dass ihr allein die Farewell-Tour 250 Millionen Dollar aufs Konto gespült hat, gehört sie wohl zur zweiten Kategorie. Denn: Ab 2008 gastierte sie drei Jahre lang im "Caesars Palace" von Las Vegas, 2013 geht die mittlerweile 66-Jährige wieder auf Tournee. Ihre Kollegin Barbra Streisand war schon in diesem Jahr wieder unterwegs. Adieu gesagt hatte sie zuvor erstmals im Jahr 2000, dann 2005. Ein billiger Trick, um Tickets zu verkaufen? Oder die bittere Erkenntnis, dass die Damen nicht verzichten können auf diesen magischen Moment des Beifalls, auf dieses Leben, in dem ihnen auch die kleinste Lästigkeit wegorganisiert wird? "Auch Ruhm kann süchtig machen", sagt Brigitte Palaschinski. Die Gefahr sei umso größer, je einseitiger die Quelle der inneren Kraft sei. Um Michael Schumacher brauche man sich da keine Sorgen machen, ist sich seine Managerin Sabine Kehm sicher: "Michael ist ein starker Charakter, der fest in seiner Familie verwurzelt ist. Er braucht die öffentliche Aufmerksamkeit nicht für sein Ego." Die Gefahr eines Absturzes sehe sie für ihren Schützling daher nicht.

Anders liegt der Fall bei Schumachers Sportskollege Boris Becker. Auch eine Legende, auch ein Ausnahmetalent. Mit dem Mangel an Aufmerksamkeit scheint der 45-Jährige allerdings nicht zurechtzukommen. Einst sicherten dem dreifachen Wimbledonsieger familiäre Turbulenzen die Schlagzeilen, heute produziert er sie selbst bei Twitter oder Facebook. "Vergangenheit ist OVER" ist da zu lesen oder "Mittagessen war gut, aber zu schnell". Wohl eher verzweifelte Versuche, im Gespräch zu bleiben, als Informationen, die die Welt braucht. Ehefrau Lilly unterstützt ihren Gatten bei der Eigen-PR nach Kräften, postet Fotos und Kommentare im Akkord - und erweist ihm damit einen Bärendienst. Heute steht Becker weniger für seine sportlichen Erfolge als für den Prototyp eines alternden Stars, der alles dafür tut, in die Medien zu kommen. Was bei Becker peinliche Kommentare sind, ist bei Madonna das zwanghaft sexbetonte Outfit. Gerade schockierte die 54-Jährige mit Dessous, die mehr zeigten, als selbst die größten Fans sehen wollten. "Sie ist ein Albtraum, ihre Karriere ist vorbei", lästerte Elton John, der mal mit ihr befreundet war. Und der Berliner DJ Paul van Dyk sagte: "Sie hätte nach 'Ray of Light' 1998 aufhören sollen." Wirklich kränken wird Madonna diese Kritik vermutlich nicht, solange sich ihre CDs verkaufen und sie die Hallen füllt. Doch irgendwann, und es wird nicht mehr lange dauern, muss wohl auch sie sich mit dem Gedanken beschäftigen, wie sie in Würde abtreten kann. "Es verlangt Kraft und Mut", sagt Psychologin Palaschinski, "sich auf Veränderungen einzulassen und die Chancen zu erkennen." Und dann zitiert sie Hermann Hesse: "Doch jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ..." Tatjana Detloff

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