Wenn man an Semino Rossi, 57, denkt, denkt man sofort an die Liebe. Der argentinische Sänger verarbeitet diese Thematik nicht nur in seiner Musik, sondern lebt die Liebe so glücklich wie kaum ein anderer. Das Geheimnis seiner jahrzehntelangen Ehe? Ehrlichkeit und Freiheit. Kompromisse gibt es in der Liebe nicht, so seine Einstellung. Im Interview mit GALA spricht der Musiker daher nicht nur über sein neues Album "So ist das Leben", sondern auch über die Beziehung zu seiner Frau Gabi, über seine Einstellung zum Leben und darüber, was sich seit der Geburt seines ersten Enkels verändert hat.
Semino Rossi: "Ich habe alles erreicht"
GALA: Herr Rossi, am 5. Juli erscheint ihre neue CD "So ist das Leben". Was macht das Album aus?
Semino Rossi: Eine CD ist wie eine Geburt. Die Arbeit an jeder CD ist gleich, man versucht mit Liebe, Zeit und Professionalität gleichermaßen den eigenen und den Geschmack des Publikums zu interpretieren. Das Album ist eine Entwicklung. Auf der CD sind zum ersten Mal Lieder, die ich selbst komponiert habe. Zum Beispiel für meine Mama "Mütter sind die wahren Engel". Außerdem gibt es eine spanische Cover-Version von Andreas Gabaliers "Amoi seg ma uns wieder".
Sind die Texte sehr persönlich?
Der persönlichste Text ist das Lied für meine Mutter. Ich habe das große Glück, dass meine Mutter mit 84 Jahren noch lebt und gesund ist. Sie reist sogar mit mir, im September machen wir eine Schiffsreise und besuchen unter anderem Palermo, Palma de Mallorca, Valencia und Marseille. Wir reisen zusammen mit Jürgen Drews und Johnny Logan, die wie ich auch während der Kreuzfahrt Crucero del Amor jeweils ein Konzert für die 600 Gäste an Bord geben werden. Meine Mama mit ihren 84 wollte unbedingt dabei sein und kommt dafür extra aus Argentinien. Auf die Zeit mit ihr freue ich mich sehr.
Ihre Mutter ist auch Pianistin. Offenbar teilt sie Ihre Leidenschaft für Musik noch immer.
Mein Bruder und ich haben das Musikalische von unserer Mutter bekommen, sie spielt heute noch Klavier. Musik war immer da. Mein Vater war ein Tangosänger, zwar nicht beruflich, wie ich, aber als Hobby. So wie bei meinem älteren Bruder Daniele. Zuhause war immer Musik im Hintergrund, dieses Ambiente trage ich in meiner Erinnerung.
Führen Sie das bei sich zu Hause so weiter?
Ja, ich höre und mache vier bis sechs Stunden am Tag Musik. Schon bevor ich meine Zähne putze, schalte ich das Radio ein. Musik bringt Stimmung in mein Leben. Ich stehe gerne sehr früh auf, wahrscheinlich weil ich schon 57 bin (lacht). Aber ich möchte nicht verpassen, wie die Vögel um 5.30 Uhr singen. Das ist auch Musik; das Singen der Fröhlichkeit, da beginnt die Welt.
Vogelgezwitscher ist also Ihre Inspirationsquelle?
Ja. Aber ich höre auch gerne junge Leute wie Malú oder Justin Bieber. Von Ricky Martin über Gloria Estefan bis zu traditioneller Musik aus Südamerika – ich höre alles. Dank Programmen wie Spotify kann man in einer Minute Musik aus der ganzen Welt hören. Diese musikalische Vielfalt nehme ich auf und das beeinflusst mich auch extrem bei meiner Arbeit.
Hören Sie dann auch Ihre eigenen Lieder?
Nein, ich höre meine Musik zu Hause nicht so gerne. Meine neue CD höre ich aktuell aber schon, ich muss die Texte lernen. Ich lasse sie laufen, wenn ich Auto fahre. Ich fahre gern selbst, das entspannt mich. Und in dieser Stimmung lerne ich meine Texte nebenbei.
Ich stelle es mir sehr schwierig vor, immer wieder neue Texte lernen zu müssen.
Es geht. Die deutsche Sprache ist nicht mehr so fremd für mich, ich verstehe mittlerweile 99 Prozent der Texte. Früher habe ich sie einfach auswendig gelernt.
Auf Ihrem neuen Album sind sowohl deutsche als auch spanische Lieder. Auf welcher Sprache singen Sie lieber?
Singen ist eine Sprache der Seele. Wenn du singst, kannst du normalerweise in jeder Sprache singen. Die spanische Sprache ist für mich einfacher, weil es meine Muttersprache ist. Trotzdem: Als Sänger kannst du immer singen. Wenn ein Vogel in Japan singt, können wir das auch nicht verstehen, aber er singt nicht nur für das japanische Volk. Auch in unseren Ohren hört sich das schön an.
Haben Sie ein Lieblingslied auf dem neuen Album?
Ja, "Mütter sind die wahren Engel". Mamas sind wirklich wahre Engel, sie schützen dich dein ganzes Leben, sie sind immer bei dir und wollen das Beste. Egal, wofür du dich entscheidest: Sie sind mit allem einverstanden, solang du glücklich bist. Ich habe leider nicht die Möglichkeit, meine Mama jeden Tag zu sehen, sie lebt Tausende Kilometer weit weg in meiner Heimat Argentinien. Aber wir telefonieren mindestens einmal in der Woche. Sie hat eine ganz besondere Platzierung in meinem Leben.
Wie oft können Sie Ihre Mutter sehen?
Ich war dieses Jahr zwei Monate mit der Mama zusammen, 50 Tage waren wir in Argentinien. Einmal im Jahr muss ich sie sehen, das ist mir wichtig. Am Anfang war das nicht so einfach, ich konnte meine Zeit nicht selbst einteilen, hatte nicht genug Geld für die Reise. Ich war in einer Maschinerie, ich musste funktionieren und viele Sachen machen, um für die Familie zu sorgen. Ein Leben ohne Musik möchte ich mir nicht vorstellen. Aber Heute kann ich sagen, dass ich zwei Monate pro Jahr für die Familie frei habe. Ich möchte zwischendurch 15 Tage mit Mama verbringen, ich brauche 15 Tage Erholung am Meer, 15 Tage reisen für neue Eindrücke. Am besten an Orten, an dem kein Mensch weiß, dass ich ein Sänger bin.
Die Familie ist Ihnen besonders wichtig, gerade sind Sie zum ersten Mal Großvater geworden. Verarbeiten Sie das musikalisch?
Ich bin dabei ein Lied für meinen Enkel Leonhard zu schreiben. Die Musik ist schon fertig, aber der Text noch nicht. Er ist aber auch erst zwei Monate alt, ich brauche noch einen Moment, um ihn kennenzulernen. Das Lied soll "Bis du hierher gekommen bist" heißen. Das Leben ist durch seine Geburt total anders geworden. Opa zu sein, ist eine zweite Chance. Mit 57 siehst du das Leben viel lockerer. Deswegen verwöhnen Omas und Opas ihre Enkel so sehr. Als Papa war man streng, hat so oft nein gesagt. Mit Enkeln ist das anders, da kann man auch mal bis nachts um eins einen Film gucken oder einmal mehr Eis essen gehen. Wenn die Mama das nicht will, dann ist das auch mal egal (lacht). Das ist ein neues Gefühl, das ich auch erst kennenlerne und auf das ich mich sehr freue.
Sehen Sie den kleinen Leonhard oft?
Ja, meine Tochter wohnt ganz in der Nähe. Das ist perfekt für sie, denn meine Frau kocht dann auch mal für sie mit. Ich bin viel unterwegs, aber ihre Mama ist immer für sie da. Meine Frau ist Hebamme und hat Leonhard auf die Welt geholt. Das Kind ist in einer glücklichen Umgebung und das ist das Beste für ein Baby.
Sie sind seit mehr als 27 Jahren mit Ihrer Gabi verheiratet. Auf Ihrem neuen Album singen Sie trotzdem über ein "Verflixtes siebtes Jahr". Gab es das in Ihrer Beziehung auch?
Jeder hat das! Es muss allerdings nicht im siebten Jahr sein. Eine Beziehung ist eine Entwicklung zwischen zwei Menschen. Du hast dein Leben, ich hab meins, und auf einmal treffen wir uns und leben zusammen. Das ist nicht so einfach. Mir gefällt die Sonne, dir der Schnee, und wir versuchen, uns zu treffen. Es kann passieren, dass man das irgendwann nicht mehr kann. Auch ein verflixtes siebtes Jahr muss es geben dürfen, daraus lernt man, daran wächst man. Diese Lebendigkeit braucht eine Beziehung. Wichtig ist aber, dass man sich akzeptiert, wie man ist. Man hat kein Recht, den anderen zu ändern.
Das klingt irgendwie zu einfach.
Das ist einfach. In der Liebe braucht es keine Kompromisse. Du bist so, wie du bist. Ich kann mich erinnern, als ich meine Frau kennen gelernt und zu ihr gesagt habe: "Gabi, ich bin hier in Europa, weil ich ein Sänger sein will. Ich mag dich gern, ich möchte mit dir zusammenleben. Aber vergiss nicht, dass ich für die Musik hergekommen bin. Ich möchte nicht, dass du mich irgendwann bittest, einen anderen Beruf zu ergreifen. So mache ich das nicht." So klar und offen muss man sein. Die Liebe ist einfach. Wir verkomplizieren das. Die Liebe sollte frei sein. Ich liebe dich, solang du mich liebst. Und wenn du jemand anderen findest, dann bitte. Meine Oma hat immer gesagt: "Wenn du einen Vogel hast, lass ihn fliegen. Wenn er zurückkommt, gehört er dir." Ich bin kein eifersüchtiger Mensch, meine Frau auch nicht. Wir haben immer gesagt, dass wir mit offenen Karten spielen und ehrlich zueinander sind.
Zum Glück mussten Sie auch keinen neuen Beruf suchen, mittlerweile sind Sie seit 15 Jahren im Musikgeschäft erfolgreich. Stellt sich da eine gewisse Zufriedenheit ein?
Ja sehr! Wenn du mich fragst, was ich noch möchte: nichts mehr. Ich habe alles erreicht. Materiell sowieso, das war aber nie meine Motivation. Ich wollte immer nur auf einer Bühne singen, wollte von der Musik leben und das kann ich jetzt. Und das möchte ich auch so lange tun, wie es sich das Publikum wünscht. Das ist meine Aufgabe, jeder von uns hat eine Aufgabe. Und meine ist es, mit meiner Musik die Seelen von Menschen zu berühren.
Ist das nicht das schönste Gefühl? Zurück zu schauen und zu denken: Ich habe alles erreicht.
Und wie! Man spürt sofort, wenn jemand glücklich ist. Nur muss man verstehen, was das Wort ‚glücklich‘ bedeutet. Viele Menschen verbinden das mit Geld, aber das hat nichts miteinander zu tun. Als meine Töchter ihre Freunde gesucht haben, habe ich immer gesagt: "Es interessiert mich nicht, was dein Mann macht. Er sollte dich glücklich machen. Such dir jemanden, der dein Herz berührt. Geh nicht nach seinem Beruf. Wenn er einen guten Job hat, ist das nur schön, weil man finanziell weniger Schwierigkeiten hat." Ich kann mich an die Anfangszeit mit Gabi erinnern. Ich hatte nicht jeden Tag Arbeit, aber sie hatte ihren festen Job als Hebamme. Sie hat viele Monate meine Miete bezahlt. Es ist von Vorteil, wenn man einen festen Beruf hat, aber du kannst auch ohne einen leben. Denn wenn du etwas machst, was dich glücklich macht, dann ist das unbezahlbar. Meine Töchter haben ihr Glück ebenfalls gefunden: Meine Ältere ist Doktorin der Psychologie, die Jüngere studiert Mathematik und Biologie auf Lehramt. Ich bin sehr stolz.
Verwendete Quellen: Eigenes Interview