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Ohrfeigen-Skandal bei den Oscars Die Academy hätte Will Smith rauswerfen müssen

Will Smith
Will Smith
© Future Image / imago images
Bei den Oscars 2022 schlug Will Smith dem Komiker Chris Rock mit der flachen Hand ins Gesicht. Wenige Momente später erhielt der Schauspieler den Academy Award als bester Hauptdarsteller – das Publikum jubelte. Ist das richtig?

Die 94. Oscarverleihung geht zweifellos in die Annalen ein. Doch dafür sind weder die erstklassigen Filme noch die Gewinner:innen des Abends verantwortlich, sondern ein Gewaltausbruch vor den Augen der Öffentlichkeit. Als Will Smith, 53, Chris Rock, 57, auf der Bühne des Dolby Theatre in Los Angeles ohrfeigte, standen alle Anwesenden für einen Moment unter Schock.

"Ist das ein Scherz?", "Ist das gerade wirklich passiert?" Derlei Fragen dürften den Menschen im Publikum durch den Kopf gegangen sein, als sie sahen, was sich vor ihnen abspielte. Aber die Ohrfeige war keine Inszenierung, sondern bitterer Ernst. Eine Gewaltanwendung, die nicht nur für Comedian Chris Rock ein Schlag ins Gesicht war.

Oscars 2022: Will Smith sorgt für Skandal

Wie konnte es zu einem derartigen Eklat kommen?

Chris Rock betritt als Laudator die Bühne, um den Preis für die beste Dokumentation zu vergeben. Während seiner Ansprache erlaubt sich der Comedian einen Scherz über Jada Pinkett Smith, 50. Er könne es kaum abwarten, Jada in "Die Akte Jane 2" zu sehen, sagt er. In dem Film von 1997 trug Demi Moore, 59, eine Glatze – ebenso wie die Frau von Will Smith. Die allerdings hatte sich die Haare aufgrund von krankheitsbedingtem Haarausfall abrasiert. Der Witz geht unter die Gürtellinie, so viel steht sofort fest. Jada Pinkett Smith verdreht entnervt die Augen. Ihr Ehemann lacht zunächst, wird dann aber doch wütend. So weit, so nachvollziehbar. 

Doch dann passiert das Unfassbare: Will Smith betritt die Bühne, läuft in Richtung Chris Rocks, holt aus, verpasst dem Komiker eine heftige Ohrfeige, dreht sich um und geht. Aus dem Publikum ist Lachen zu hören. Diese surreale Situation kann nur eine Showeinlage sein, so dürften viele in dem Moment gedacht haben. "Wow, Will Smith hat mir gerade den Hintern versohlt", sagt Chris Rock lachend, nachdem er sich von dem Schock erholt hat. Da ist plötzlich die Stimme von Will Smith aus dem Publikum zu hören: "Nimm den Namen meiner Frau nicht in deinen verdammten Mund". Stille. Jetzt wird allen Anwesenden klar, dass sie gerade tatsächlich Zeugen eines Gewaltakts geworden waren.

Oscar statt Rauswurf: Will Smith wird als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet

Nur wenige Minuten darauf wird Will Smith für seine Verkörperung von Richard Williams, 80, dem Vater und Trainer der Tennisstars Venus, 41, und Serena Williams, 40, in "King Richard" ausgezeichnet. Als sein Name aufgerufen wird, erhebt sich der gesamte Saal, frenetisches Klatschen ist zu hören. Eine scheinbar normale Reaktion, immerhin gewinnt der Schauspieler seinen ersten Oscar – ein absoluter Karrierehöhepunkt. Doch im Hinblick darauf, dass noch vor wenigen Augenblicken ein ganz anderes Klatschen den Raum erfüllt hatte, fühlt es sich falsch an. 

Will Smith und Jada Pinkett Smith bei der 94. Oscarverleihung am 27. März 2022
Will Smith und Jada Pinkett Smith bei der 94. Oscarverleihung am 27. März 2022
© Picturelux / imago images

Die Academy hätte reagieren müssen

Natürlich wird Smith für seine schauspielerischen Leistungen belohnt und nicht für sein impulsives Verhalten. Den Stars im Publikum kann nur bedingt ein Vorwurf gemacht werden, da sie vermutlich heillos überfordert waren. Wenn jemand gewinnt, applaudiert man eben. Die Standing Ovation war dennoch zu viel des Guten. Welches Signal sendet das? Solange ein Mensch berühmt ist, kann er sich alles rausnehmen? Das kann nicht sein.

Nach der körperlichen Konfrontation hätte die Academy Will Smith bitten müssen, das Dolby Theatre zu verlassen. "Die Academy duldet keinerlei Gewalt", twittert die Oscar-Organisation im Nachhinein. Eine Stellungnahme ist schön und gut, doch wenn diese erst nach der Verleihung erfolgt, nachdem man das Event ungestört weiterlaufen ließ, ist das problematisch. Ein Millionenpublikum hat zugesehen, wie Will Smith Gewalt anwendet, ohne dass es direkte Konsequenzen nach sich zieht.

Hätte ein Schauspieler wie beispielsweise Russell Crowe, der für gelegentliche Ausraster bekannt ist, bei den Oscars eine Ohrfeige verteilt, wäre er vermutlich rausgeworfen worden. Denkbar wäre es zumindest. Warum also nicht Will Smith? Laut "CBS News" habe die Academy überlegt, den "Bad Boys"-Darsteller von der restlichen Verleihung auszuschließen. Den Preis habe der Schauspieler letztlich persönlich annehmen dürfen, weil er sich entschuldigt hatte. Das tat er in seiner Dankesrede – doch diese wirft weitere Probleme auf. 

Eine Dankesrede voll toxischer Männlichkeit

Will Smith pflegt seit vielen Jahren ein Image als "Saubermann", ist stets charmant. In seinen Songs verzichtet er auf Schimpfwörter, um ein Vorbild zu sein. Die Hauptrolle in Tarantinos "Django Unchained" habe er abgelehnt, weil sie ihm zu gewaltverherrlichend gewesen sei. "Ich glaube nicht an Gewalt als Reaktion auf Gewalt", sagte er diesbezüglich gegenüber "The Hollywood Reporter". Bei den Oscars 2022 hat er offensichtlich seine eigenen Prinzipien vergessen. Doch während seiner Dankesrede scheint er seinen Ruf wahren zu wollen und führt seine handgreifliche Reaktion auf Liebe zurück. Ja, richtig gelesen.

Will Smith bei seiner Dankesrede
Will Smith bei seiner Dankesrede
© Myung Chun / Getty Images

"Ich bin in meinem Leben dazu aufgerufen, Menschen zu lieben. Und Menschen zu beschützen", sagt der Schauspieler unter Tränen, als er den Preis entgegennimmt. Immerhin habe auch Richard Williams seine Familie stets beschützt. Im Showbusiness müsse man außerdem darauf gefasst sein, dass manche Menschen "einen nicht respektieren". Das müsse man weglächeln und so tun, "als ob das in Ordnung wäre", erklärt er weiter. Und: "Liebe lässt dich verrücke Dinge machen." Aha.

Er bringt in seiner Dankesrede eine eher schwache Rechtfertigung an. Wie bereits erwähnt, ist es verständlich, dass er sich über Chris Rocks geschmacklosen Witz aufregt. Doch anstatt "seinen Mann zu stehen" und die Ehre seiner Frau auf martialische Art zu verteidigen, hätte er anders reagieren können – nein – müssen. Zum einen hätte sich Jada Pinkett Smith sicherlich selbst verteidigen können und zum anderen hätte er es mit Worten klären können. Ein aufgebrachter Zwischenruf, eine Diskussion auf der Bühne – all das wäre vertretbar gewesen. Doch Gewalt ist mit nichts zu rechtfertigen.

Sollte Will Smith den Oscar wieder abgeben?

Schließlich entschuldigt sich Will Smith bei der Academy und allen Nominierten für seinen Wutausbruch. Chris Rock bittet er allerdings nicht um Verzeihung. Der Comedian hatte sich bereits bei den Oscars 2016 über Jada Pinkett Smith lustig gemacht. Damals hatte die Schauspielerin die Verleihung boykottiert, weil nur Weiße Menschen nominiert waren und ihr Mann nicht für seine Performance in "Erschütternde Wahrheit" berücksichtigt wurde. Rock merkte an, dass ihre Anwesenheit ohnehin irrelevant sei. Deswegen sah Will Smith vermutlich nicht die Notwendigkeit, sich bei ihm zu entschuldigen.

Und wie geht es nun weiter? Chris Rock habe darauf verzichtet, Anzeige zu erstatten, berichtet "Variety" unter Berufung der Polizei von Los Angeles. Im Netz werden nun Stimmen laut, die fordern, Will Smith die begehrte Trophäe abzuerkennen. Das wäre eine mögliche Konsequenz. Ob diese passend oder überzogen ist, darüber lässt sich streiten. Sicher ist: Die größte Strafe hat sich Will Smith selbst auferlegt. Kaum jemand wird sich in ein paar Jahren daran erinnern, für welchen Film seine schauspielerischen Leistungen geehrt wurden. Im Gedächtnis bleibt nur der Augenblick, in dem er die Kontrolle verlor. Den wichtigsten Moment seiner Karriere hat Will Smith mit einem Schlag zerstört.

Update: 29. März 2022 - Will Smith entschuldigt sich auch bei Chris Rock

Auf Instagram schreibt Will Smith jetzt, dass "Gewalt in all ihren Formen ist giftig und zerstörerisch" sei. "Mein Verhalten bei der gestrigen Oscarverleihung war inakzeptabel und unentschuldbar. Witze auf meine Kosten gehören zum Job, aber ein Witz über Jadas Gesundheitszustand war zu viel für mich, und ich habe emotional reagiert. Ich möchte mich öffentlich bei dir entschuldigen, Chris", erklärt er. Sein Verhalten sei ihm peinlich, weshalb er sich auch bei "allen Zuschauern auf der ganzen Welt" entschuldigen möchte.

Verwendete Quellen: Oscars 2022, hollywoodreporter.com, cbsnews.com, variety.com

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