Die Stille wird nur von dem Zirpen der Zikaden unterbrochen: Hinter dem schmiedeeisernen Tor der "Villa Santa Stefano" bei Lucca herrscht ansonsten herrliche Ruhe. So geht der Puls zwischen den Zypressen und akkurat geschnittenen Hecken automatisch runter, und das Atmen wird leichter im in dem toskanischen Paradies. Genau so hat es sich Nina Ruge, 65, immer gewünscht. Die Journalistin und ehemalige "Leute heute"-Moderatorin genießt mit ihrem dritten Ehemann, dem Manager Wolfgang Reitzle, 73, ihr italienisches Landgut.
Nina Ruge: Über Schweigen mit ihrem Mann und "Goldnugget"-Momente
In der Natur kann sie bestens meditieren – in ihrem neuen Buch beschreibt sie Achtsamkeitsübungen, die sie im Garten praktiziert. Warum sie sich hier öfter mit ihrem Mann anschweigt, welche Bedeutung ihr Lotusteich hat und wie jeder Mensch täglich mit "Goldnuggets" das Leben feiern kann, erzählt Nina Ruge im GALA-Interview.
GALA: Ihr neues Buch heißt "Sonne für die Seele". Was machen Sie eigentlich an Regentagen in Italien?
(lacht) Die gibt es natürlich auch. Da halte ich es dann mit Goethe: "Auch das ist Kunst, ist Gottes Gabe, aus ein paar sonnenhellen Tagen sich so viel Licht ins Herz tragen, dass, wenn der Sommer längst verweht, das Leuchten immer noch besteht." Wenn es außen dunkel ist, dann muss ich halt von innen leuchten.
Der Trick ist also, das Außen draußen zu lassen?
Ja, das ist meine Haltung zum Leben. Ich möchte mich nicht von meiner inneren Bestimmtheit von äußeren Faktoren abhängig machen. Ein wesentlicher Motor eines gelungenen Lebens die Erkenntnis, dass ich für meine Stimmung selbst verantwortlich bin.
Was bedeutet Ihnen die Toskana?
Für meinen Mann und mich war es schon immer ein Sehnsuchtsort. Als wir uns kennenlernten, haben wir uns mehrfach in den gemeinsamen zehn Tagen Sommerurlaub ein Cabrio genommen und sind von einem kleinen Hotel zum nächsten gefahren. Das milde Klima, die reiche Kulturlandschaft und Geschichte, dazu der Lebensstil des Dolce Vita – das mögen wir Deutsche durchaus auch verklären, denn für die Menschen dort ist, besonders in der Pandemie, das Leben alles andere als einfach. Docht Italien bleibt das Land, "in dem die Zitronen blühen" und die Süße des Lebens so intensiv erfahrbar ist.
Haben Sie einen Lieblingsort?
Ja, unseren Lotusteich, der ist magisch. Mein Mann und ich gehen davon aus, dass der Lotus sich von allein auf unserem Gut ausgesät hat. Als wir auf unserem Gut geheiratet haben, schwammen zur Dekoration Lotusblüten auf dem Pool. Der ist allerdings recht weit entfernt vom Teich. Deshalb müssen Vögel die Samen dort hingebracht haben. Es gab vorher definitiv keinen Lotus dort. Erst zwei Jahre nach unserer Hochzeit wuchsen die ersten großen Blätter und die ersten riesigen pinkfarbenen Blüten. Indischer Lotus!
Klingt wirklich magisch.
Und dazu gibt es noch eine Geschichte, die mich zutiefst berührt hat. Während des Lockdowns habe ich den Nachlass meiner Familie geordnet. Dabei habe ich eine Postkarte gefunden, die mir mein Vater aus China mitgebracht hatte. Er hatte meinen Namen "Nina" in chinesischen Schriftzeichen übersetzen lassen. Als ich die Karte umdrehte, fand ich die englische Übersetzung "The girl with the Lotus flower", "Das Mädchen mit der Lotusblüte". Gänsehaut!
Wie kann man sich ohne einen Garten wie Ihren Möglichkeiten der Ruhe schaffen?
Ich gehe abends, kurz vor dem Einschlafen, auf Goldnugget-Suche. Das sind die kleinen, besonderen Momente, an denen wir leider oft achtlos vorbeigehen. Ein Beispiel: Als ich neulich am Morgen joggen war, wand sich ein großer, fetter Regenwurm vor mir auf dem Asphalt. Ich habe ihn hochgenommen, angeschaut und gesagt: "Hey, Horst, du darfst weiterleben." Dann habe ich ihn ins Gras gesetzt. Das war so ein Goldnugget-Moment. Von solch kleinen, goldenen Momenten können wir täglich so viele finden, wenn wir uns für sie sensibilisieren.
Und was hilft, wenn die Gedanken ständig kreisen?
Einen kleinen Moment Auszeit schaffen. Ausatmen – und leise flüstern: "Ich bin." Das Wunder des Lebens in uns erspüren. Ein solches klitzekleines, dankbares Innehalten kann man überall haben.
Zum Beispiel?
Im ganz Kleinen beispielsweise, wenn wir die Biene auf einem "Unkraut" betrachten, unter einem Baum am Straßenrand vielleicht. Dann können wir natürlich denken: "Wieso ist die Stadtverwaltung nicht in der Lage, das Unkraut zu bekämpfen?" Wir können diese winzig kleine Szene aber auch ein paar Sekunden lang betrachten und das Wunderbare darin erkennen, das Wunder der Natur. Wenn ich für diesen Augenblick das permanente Gedankenkarussell ausschalte und nur wahrnehme, nur mit dem Herzen sehe, fühle ich Glück. Das tiefe Glück zu leben.
Haben Sie Ihren Mann schon mit Ihrer Meditation inspiriert?
Ja, allerdings ist er ein Perfektionist und hat den hohen Anspruch an sich, dass auch das Meditieren sofort zu 100 Prozent klappen sollte. Was er in letzter Zeit immer mal vorschlägt, ist, gemeinsam zu schweigen, wenn wir morgens durch die Hügel der Toskana walken. Das ist eine wunderbare Chance, die Gedanken-Moskitos wegzuschicken und sehr bewusst in der Natur zu versinken.
Sie sitzen auch mal still nebeneinander im Garten?
Ja, zum Beispiel bei den Pfauen. Jetzt haben wir gerade Nachwuchs: Unter den sechs Küken sind drei weiße! Und seit Kurzem wissen wir, dass auch ein Männchen dabei ist. Es hat nämlich schon ein kleines weißes Rad geschlagen. Wenn das kein kleines Wunder ist!
Was bringt Sie eigentlich noch aus der Ruhe?
Ohnmachtsgefühle. Da bin ich nicht buddhistisch genug unterwegs, und das möchte ich auch nicht. Wenn ich jemandem ausgeliefert bin, der dummdreist und plump ist, aber am längeren Hebel sitzt, ist Schluss damit, das Leben zu feiern.
Was funktioniert bei Ihnen neben den toskanischen Momenten besonders gut als Seelenfutter?
Echter und intensiver Austausch mit engen Freunden. Gemeinsam spazieren oder auch in eine Ausstellung gehen. Nähe zu Freunden. Und die Beschäftigung mit meinen Tieren, meinen Katzen, Hühnern, Gänsen, Pfauen – feinstes Seelenfutter. Übrigens: Gute "Seelenbücher" gehören auch dazu.