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Mental Health Matters Mirja du Mont konnte nicht für ihre Kinder sorgen

Mirja du Mont
© Getty Images
Mirja du Mont hat ein Buch über den Leidensweg mit ihrer Angst geschrieben. Bei "Mental Health Matters" spricht sie nun über ihre Erkrankung und es wird tränenreich. +++ TW: Im Interview wird das Thema Suizid behandelt. +++

"Es gibt so schlimme Sachen, die dein Kopf mit dir machen kann, so schlimme …", die Stimme von Mirja du Mont bricht weg, die Tränen steigen ihr in die Augen. Im "Mental-Health-Matters"-Interview lässt die Ex-Frau von Schauspieler Sky du Mont ihren Emotionen freien Lauf. Zu viel ist passiert. Ihren sechswöchigen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik beschreibt die Mutter von zwei Kindern als "heftige Zeit", die sie heute noch lernen muss, zu verkraften.

Irgendwann hat Mirjas Angststörung ihr Leben übernommen. Sie war noch nicht einmal mehr fähig, ihren Kindern Essen zu kochen. Dann kam der Tiefpunkt, an dem sie nicht mehr konnte, nicht mehr so weiterleben wollte. Sie erlebt einen einschneidenden Moment mit ihrem Vater am Gartenzaun. Wieso sie bei dieser Situation immer noch tief Luft holen muss und welchen Mann sie in der Klinik kennengelernt hat, der sie heute noch zum Weinen bringt, erzählt das Model im Gespräch.

Mit der Interviewreihe "Mental Health Matters" möchte GALA das Thema mentale Gesundheit in den Mittelpunkt rücken, aufklären und psychische Erkrankungen entstigmatisieren.

Mirja du Mont: "Meine Eltern waren ratlos und traurig"

GALA: Hat die Angsterkrankung Ihre freundschaftlichen oder familiären Beziehungen belastet?
Mirja du Mont: Meine Freunde waren immer für mich da. Eine Freundin hat auch Panikattacken, die kann mich sehr gut verstehen. Meine Eltern waren irgendwann total ratlos und sehr traurig, als ich heulend vor ihnen saß und nicht mehr so weiterleben wollte. Sie kennen diese Erkrankung nicht. Da hat mein Vater auch angefangen zu weinen.

Können Sie mir mehr über die Situation mit Ihrem Vater erzählen?  
Ich stand weinend am Gartenzaun und habe zu ihm gesagt, dass ich nicht mehr kann, keine Kraft mehr habe und mit dieser Erkrankung nicht mehr weiterleben will.

Da kamen meinem Papa ebenfalls die Tränen. Ich habe ihn erst zweimal in meinem Leben weinen gesehen. Dieser Moment war einer davon.

Ich weiß nicht, ob ich ohne meine Freunde, Familie und Kinder die Angststörung hätte überwinden können.

War das ein Wendepunkt, an dem Sie gemerkt haben, dass Sie professionelle Hilfe brauchen?
Ja, da habe ich realisiert, dass ich das nicht alleine schaffe. Ein anderer Moment war, als ich kaum geschafft hatte, einkaufen zu gehen, weil ich so schlimme Schwindelattacken hatte. Ich konnte noch nicht mal Essen für meine Kinder kochen.

Mirja du Monts Kinder geben ihr Halt

Wie sind Ihre beiden Kinder mit der Erkrankung umgegangen?
Ich habe tolle Kinder, die haben es mir immer sehr einfach gemacht, ihre Mutter zu sein. Mein Sohn hat mich sehr viel in den Arm genommen und gesagt, dass ich aufhören soll, mich für meine Krankheit zu entschuldigen. Die habe ich mir ja nicht freiwillig ausgesucht.

Fayn Neven du Mont hielt seine Mama in schlimmen Momenten im Arm. Die beiden stehen sich sehr nah.
Fayn Neven du Mont hielt seine Mama in schlimmen Momenten im Arm. Die beiden stehen sich sehr nah.
© Getty Images

Haben Sie sich für Ihre Erkrankung geschämt?
Für meine Angst habe ich mich nie geschämt. Aber ich habe mich geschämt, in einer psychiatrischen Klinik zu sitzen. Irgendeine Zeitung hatte bei meinem Management nachgefragt, ob ich in einer Klinik sei. Als ich das erfahren habe, hatte ich Panik, dass andere nun von mir denken, dass ich einen an der Waffel habe und mich abstempeln.

Wie hat sich das gewandelt, dass Sie heute bereit dazu sind, mit Ihrer Erkrankung an die Öffentlichkeit zu gehen?
Ich habe keinen Bock mehr, diese Celebrity-Scheinwelt zu wahren. Es nervt mich, dass auf Instagram jeder immer toll aussieht, es jedem immer gut geht, Wohnungen immer aufgeräumt sind und man am besten direkt nach dem Aufstehen schon Lippenstift trägt. In der Klinik habe ich sogar Manager und Ärzte kennengelernt, die psychisch krank sind. Jeden kann es treffen. Wie toll wäre es, wenn wir alle endlich dazu stehen würden, nicht perfekt zu sein. Dazu würde ich gerne einen Beitrag leisten. 

Wie haben Sie sich therapeutische Hilfe geholt?
Nachdem mir Psychopharmaka nicht geholfen haben, hat mich mein Psychologe in eine psychiatrische Klinik überwiesen. Dort wurde ich sechs Wochen stationär therapiert. Diese Zeit war so heftig, da man bei anderen sieht, wie schlecht es einem gehen könnte.

An diesen tollen Mann muss sie heute noch viel denken

Welcher Moment oder welche Person ist Ihnen aus dieser Zeit am meisten in Erinnerung geblieben?
Ich habe dort tolle Patienten kennengelernt, unter anderem Thomas, einen sehr empathischen jungen Mann. In der Gruppentherapie hat er plötzlich gesagt: Heute würde ich mich gerne umbringen. Da habe ich sofort angefangen zu weinen. Bei meiner Entlassung habe ich ihm ein Kissen und einen Brief geschenkt und er hat zu mir gesagt: Wenn es mehr Menschen wie dich geben würde Miri, dann hätten viel weniger Menschen solche Krankheiten.

Das ist mit das Schönste, was jemals einer zu mir gesagt hat.

(Mirja du Mont hat Tränen in den Augen, Anm. d. Red.)

Für Sie war es eine Herausforderung, sich selbst in der Therapie kennenzulernen. Dem sind Sie viele Jahre ausgewichen. Wieso?
Mein Psychologe in der Klinik hat zu mir gesagt, dass ich lernen muss, alleine zu sein. Aber das wollte ich nie, weil ich mich nicht mochte. Wenn ich mich nicht ablenken und arbeiten konnte, haben mich meine Gedanken wahnsinnig gemacht. Ich musste alles analysieren, malte mir in meinem Kopf Dramen aus und machte aus einer Mücke einen Elefanten. Das wollte ich unterdrücken.

Auch Mirjas bereits erwachsene Tochter Tara Neven du Mont war ihrer Mama in ihrer schweren Krise eine große Stütze.
Auch Mirjas bereits erwachsene Tochter Tara Neven du Mont war ihrer Mama in ihrer schweren Krise eine große Stütze.
© Getty Images

Mirjas Psychologe: "Sie sind zwar 42, aber im Inneren sind Sie 17"

Schon im Alter von sechs Jahren malten Sie sich Dramen in ihrem Kopf aus. Sie hatten Angst, dass Ihre Eltern und Großeltern sterben. Woher kam diese Verlustangst?
Ich hatte eine tolle Kindheit und bin gesegnet mit einer großartigen Familie. Auch heute bin ich bei meinen Eltern noch das Kind. Ich brauche das Gefühl zu wissen, dass jemand auf mich aufpasst. Das zu verlieren macht mir eine riesen Angst, die auch nicht besser wird.

Mein Psychologe hat zu mir gesagt: Frau du Mont, Sie sind zwar 42, aber im Inneren sind Sie 17. Wir müssen ihr inneres Kind und ihr erwachsenes Ich nun auf einen Nenner bekommen. Daran arbeite ich hart, aber ich weiß nicht, ob mir das jemals gelingen wird.

Gibt es neben Ihrem Hörsturz noch weitere Auslöser für Ihre Angststörung?
Neben der Angst, meine Eltern zu verlieren, ist es wirklich der Hörsturz, der meine Krankheit ausgelöst hat. Ich habe mich da richtig reingesteigert, hatte Angst, komplett taub zu werden, dann nicht mehr arbeiten zu können, kein Geld mehr zu verdienen und pleite zu sein. Das war ein Teufelskreis, durch den die Angst immer größer wurde.

Welche körperlichen Symptome hatten Sie?
Neben den Schwindelattacken hatte ich schlimmes Nervenzucken und starke Schlafprobleme. Ich hatte im Nacken dieses Gefühl, als ob da etwas Schwarzes sitzt, etwas Schweres, das kribbelt und auf meinen Rücken und Brustkorb drückt. Dieses ekelhafte Gefühl war auch irgendwann morgens da.  

Ihre größte Schwäche ist es aber auch, jedem gefallen zu wollen. Woher kommt dieser Wunsch?
Ich glaube, dass das ein Problem von vielen Frauen ist. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir krank sind, Mütter haben ein schlechtes Gewissen, wenn Sie arbeiten gehen und nicht für ihre Kinder da sein können. Das hatte ich auch – diesen Perfektionismus, immer funktionieren zu müssen und niemals schwach sein zu dürfen. Wir wollen auch den Männern zeigen, dass wir genauso stark sind wie sie. Wir haben aber meistens viel mehr Päckchen zu tragen.

Mirja du Mont will mit Vorurteilen gegenüber Angststörungen aufräumen

All diese schlimmen Erfahrungen mit ihrer Angststörung haben Sie nun in einem Buch verarbeitet. Wieso war es Ihnen wichtig, ihre Geschichte zu teilen?
Ich muss ganz ehrlich sagen, weil ich die Krankheit vorher nicht kannte und sie nicht ernst genommen habe. Ich bin Achterbahn gefahren und Fallschirm gesprungen: Ich hatte eigentlich vor gar nichts Angst und dachte immer, dass die anderen sich nicht so anstellen sollen. Als die Krankheit dann tatsächlich bei mir zuschlug, war das sicherlich Karma, damit ich merke, wie ernst die Erkrankung ist. Mit dem Buch möchte ich jetzt anderen zeigen, wie ätzend und schlimm die Angststörung sein kann.

Wie war es für Sie, sich für das Buch noch mal so intensiv mit Ihrer Erkrankung zu beschäftigen?

Der Prozess des Schreibens war schlimm.

Der erste Auslöser meiner Angststörung war ja der Schwindel, der durch meinen Hörsturz verursacht wurde. Während einer Schwindeltherapie kam dann raus, dass der Schwindel irgendwann nicht mehr durch den Hörschaden verursacht wurde. Ich hatte mir den Schwindel eingebildet. Die Diagnose war echt heftig. Mir wurde immer schwindelig, wenn es mir nicht gut ging und ich Angst verspürte. Und beim Schreiben war mir die ganze Zeit schwindelig.

Und wie konnten Sie Letztenendes die Krankheit besiegen?
Heute kann ich zum Glück sehr gut mit mir alleine sein. Mir hat auch die Konfrontation mit meiner Angst sehr geholfen. Ich hatte zum Beispiel Panik vor Menschenmassen und bin dann mehrmals zur Stoßzeit mit der U-Bahn gefahren. Irgendwann war diese Angst komplett weg. So habe ich das zum Beispiel auch mit dem Autofahren gemacht. Das hat mir gezeigt, dass ich grundlos vor Dingen Angst habe.

Informationen zu Hilfsangeboten

Erkennen Sie bei sich Anzeichen einer Angststörung oder Panikattacke? Bei der kostenlosen Online-Beratung der Deutschen Angst-Hilfe e.V. wird Ihnen anonym geholfen. Weiterführende Informationen zur Erkrankung und Selbsthilfegruppen finden Sie auf der Stiftungswebsite.

Gala

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