Wie ein Lufthauch gleitet Michelle Yeoh zwischen Journalisten und Hotelangestellten hindurch.
Ein zartes Kopfnicken, ein gütiges Lächeln - im "Hotel de Rome" in Berlin hat der diskreteste Stargast aller Zeiten eingecheckt. Doch ihr fester Händedruck und ihr flammender Blick machen schnell klar, wen man hier vor sich hat: eine nahkampferprobte Action-Ikone. Die Chinesin, aufgewachsen in Malaysia, war schlagkräftiger Sidekick in Jackie-Chan-Filmen, ließ neben Pierce Brosnan die Fäuste fliegen ("Der Morgen stirbt nie") und hatte in "Tiger & Dragon" Kampfszenen, schön und präzise wie ein Pas de deux. Heute lebt sie in Paris, zusammen mit Jean Todt, dem ehemaligen Ferrari-Chef der Formel 1. Jeden Morgen beginnt sie den Tag mit Kung-Fu-Sequenzen. "Kämpfen ist mehr als Work-out. Es geht um Disziplin und Konzentration", sagt die 49-Jährige. "Wir Frauen müssen anders kämpfen. Mehr mit dem Geist."

Eine faszinierende Mischung aus Sanftheit und Härte verbindet Michelle Yeoh mit der burmesischen Friedens-Ikone Aung San Suu Kyi. In dem Biopic "The Lady - ein geteiltes Herz" spielt Michelle die unbeugsame Freiheitskämpferin, die als Aktivistin für Demokratie und Freiheit im von Militärs regierten Burma mehr als 15 Jahre unter Hausarrest lebte. Dass das Drama von Luc Besson gerade jetzt in die Kinos kommt, ist ein glücklicher Zufall: Aung San Suu Kyi wurde im November 2010 freigelassen und wird bei den Wahlen am 1. April wohl den lang ersehnten Triumph feiern und ins Parlament einziehen. (*) "Es war einfach unglaublich!" Michelle Yeoh berichtet, wie sie und das Team am Set in Thailand gerade eine der Schlüsselszenen drehten, als die freudige Nachricht kam: Als Suu Kyi schreitet sie nach Beendigung des ersten Hausarrests mit Blumen im Haar auf ihre Anhänger zu - fast genauso passierte es dann am 13. November 2010 in der Live-Übertragung des burmesischen Fernsehens. Michelle Yeoh durfte Aung San Suu Kyi sogar treffen: "Der emotionalste Moment meines Lebens! Sie wirkt zerbrechlich und doch kraftvoll. Als sie mich umarmte, fühlte ich Trost, wie bei einer älteren Schwester." Für eine zweite Audienz verweigerte man ihr jedoch die Einreise. Der Name Michelle Yeoh steht jetzt auf der schwarzen Liste. Trotzdem trieb sie den Film enthusiastisch voran, "weil mich keine Geschichte je mehr berührt und inspiriert hat. Suu Kyis Glaube und ihre Kraft beflügeln mich."


Es ist eine Geschichte, die von dem unbeugsamen Willen einer einzelnen Frau beim Kampf gegen ein Militärregime erzählt - und von ihrer tragischen Liebe: Suu Kyi, Tochter des burmesischen Volkshelden und Freiheitskämpfers Aung San, der ermordet wurde, als sie zwei Jahre alt war. Ab 1974 lebte sie mit ihrem Mann, dem britischen Professor für Tibetologie Michael Aris, und ihren zwei Söhnen in Oxford. Um ihre Mutter zu pflegen, kehrt sie 1988 nach Burma zurück, wo sie die blutigen Aufstände gegen die Militärregierung hautnah miterlebt. Man bittet Aung San Suu Kyi, sich für Demokratie stark zu machen und in Rangun zu bleiben. Ihr Sieg bei den Parlamentswahlen 1989 wird von der Militärregierung für ungültig erklärt, mehr als 15 Jahre wird sie - mit Unterbrechung - in ihrem Haus eingesperrt. 1991 nimmt ihre Familie stellvertretend für sie den Friedensnobelpreis entgegen. Bis auf wenige Besuche in Rangun kann Suu Kyi ihren Mann und die Kinder nicht sehen, selbst Telefonate werden oft von Schergen des Regimes unterbrochen. Als Michael Aris unheilbar an Prostatakrebs erkrankt, entscheiden sich beide gegen ein Wiedersehen in England, aus Angst, ihr könnte danach die Einreise verweigert werden. Er starb an seinem 53. Geburtstag, ohne dass sich das Paar noch einmal sah.
"Woher nimmt eine Frau, eine Mutter nur die Kraft, all das auf sich zu nehmen?", fragt Schauspielerin Michelle Yeoh- und man spürt ihre tiefe Anteilnahme und Leidenschaft für die Geschichte der Friedenskämpferin. "Das Tragische ist ja: Als sie von Michaels Erkrankung erfuhr, stand sie gerade nicht unter Hausarrest. Sie hätte zu ihm fliegen können. Aber ich kann nachvollziehen, warum sie es nicht tat. Sie und Michael hatten vor langer Zeit gemeinsam entschieden, ihre Bedürfnisse dem Kampf für Frieden unterzuordnen." Die Hoffnung stirbt zuletzt - Aung San Suu Kyi zeigt das eindrücklich. "Verstehen Sie", fragt Michelle Yeoh, "dass dies die Rolle meines Lebens ist?"
Roland Rödermund (*) Die Wahlen in Burma fanden kurz nach Redaktionsschluss statt. Somit war noch nicht bekannt, ob Aung San Suu Kyi tatsächlich als Anführerin der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) ins Parlament einziehen wird.