Hinreißend sieht sie aus.
Und bestechend natürlich. Mit einem Blick, der sofort klar macht, dass diese Frau sich und anderen schon lange nichts mehr beweisen muss. So lässig und entspannt zeigt sich Meryl Streep jetzt auch auf dem Cover der US-"Vogue". Die 62-Jährige setzt wieder einmal Maßstäbe: als die älteste Frau, die jemals auf dem Cover der Fashionbibel zu sehen war. Und als Schauspielerin: Für ihre Darstellung der britischen Ex-Premierministerin Maggie Thatcher im Biopic "Die eiserne Lady" gilt sie als sichere Kandidatin für eine Oscar-Nominierung. Es wird ihre 17. sein.
Eine Powerkarriere in diesem Alter? Noch vor 20 Jahren wäre das in Hollywood undenkbar gewesen. Vor allem dann, wenn man sich wie Meryl Streep konsequent dem Schönheitswahn verweigert. Botox oder OP? Für Meryl Streep kein Thema. "Ich möchte einfach in Würde altern", betont die zweifache Oscar-Preisträgerin stets. Ihr Rat an die Kolleginnen: Erfreut euch an den schönen Dingen des Lebens, anstatt ständig Gedanken "an unwichtige Dinge wie Falten" zu verschwenden. Während andere Stars ihrer Generation, allen voran Cher, als wandelnde Ersatzteillager über die roten Teppiche stöckeln, hat sie ein Gesicht, das eine Geschichte erzählt und in dem sich die Aufs und Abs des Lebens widerspiegeln. Ihre Natürlichkeit und Authentizität haben sich für Meryl Streep auch beruflich ausgezahlt: Trotz ihres für Hollywood- Verhältnisse biblischen Alters ist sie nicht nur gefragt, sondern auch so kommerziell erfolgreich wie nie: Ihre Filme wie "Der Teufel trägt Prada", "Mamma mia!" oder "Wenn Liebe so einfach wäre" spielten seit 2006 weltweit mehr als 1,3 Milliarden (!) Dollar ein. "Sie zeigt den Studiobossen, wie viel Geld mit Frauen-Filmen zu machen ist", bilanziert das Branchenblatt "Entertainment Weekly". Und US-Regisseur Mike Nichols, mit dem Streep "Silkwood" drehte, erklärte, dass sie "die Decke für ältere Frauen als Filmstars durchbrochen" habe.
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Tatsächlich sind auch weitere Mitglieder der "Generation Silver" heute so gefragt, erfolgreich und hinreißend wie nie - ohne Nachhilfe vom Beauty-Doktor. Helen Mirren, 66, die im Sommer von den Mitgliedern einer US-Fitnesskette zum "Body Of The Year" gekürt wurde, Vanessa Redgrave, 71, und Glenn Close, 64, sind nicht trotz ihres Alters schön, sondern gerade weil ihnen die Lebensspuren im Gesicht so gut stehen. Dabei bekam selbst Best-Ager- Ikone Meryl Streep, die zuletzt vor allem als sexuell aktive Powerfrau zu sehen war, Hollywoods Jugendwahn mit voller Wucht zu spüren. "Ich war gerade 40 geworden und erinnere mich noch sehr gut, wie ich meinem Mann fragte 'Nun, was wollen wir machen? Es ist nämlich vorbei!‘", erzählt sie in "Vogue". Zu dieser Zeit hatte sie gerade drei Filmangebote erhalten, in denen sie einen Hexe spielen sollte. "Offenbar wurden Frauen, die dem gebärfähigen Alter langsam entwuchsen, damals nur auf eine groteske Art und Weise betrachtet." Noch vor sechs Jahren schrieb die US-Feministin Ariel Levy, dass ein Marsianer, der auf die Erde kommen und Hollywood- Filme sehen würde, annehmen muss, "dass hier alle Frauen mit 45 tot umfallen", hat heute ein Umdenken in den Köpfen der Studiobosse begonnen. "Zwar sind Jugend und Schönheit weiterhin zwei der wichtigsten Fundamente in der Traumfabrik, doch der Markt für Filme mit weiblichen Golden Agers in den Hauptrollen, dies ich ihre Charakterzüge nicht aus dem Gesicht bügeln lassen, wird weiter wachsen", prognostiziert Hollie McKay, Entertainment-Expertin von Fox News.
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Denn während viele junge Männer, einst Kino-Hauptzielgruppe, zur Spielkonsole oder ins Internet abwanderten, blieben Frauen- vor allem die reiferen- treue Kinogänger. Dringend nötig also, dass man in Zeiten des demographischen Wandels die Drehbücher mehr auf diese Zielgruppe zuschneidet und Filme produziert, die die Realität von erwachsenen Frauen widerspiegeln. Dazu braucht es Gesichter, die das können- und deren Züge nicht vom Botox betoniert sind. Gesichter wie das von Meryl Streep. Von einem goldenen Zeitalter für Krähenfüße kann allerdings immer noch keine Rede sein. Laut einer Erhebung der Screen Actors Guild in Los Angeles ergatterten im Jahr 2009 Schauspielerinnen über 40 nur elf Prozent der angebotenen Kino- und TV- Rollen. Zum Vergleich: Bei männlichen Kollegen lag die Quote immerhin bei 25 Prozent. Im deutschen Kino fassen reifere Frauen sogar noch schlechter Fuß. Dafür können sich Stars wie Iris Berben, 61, Hannelore Elsner, 69, Senta Berger, 70, oder Christiane Hörbiger, 73, zumindest in Sachen TV-Rollen nicht übermangelnde Beschäftigung beklagen. Immerhin ein Anfang. Und Vorbilder wie Meryl Streep& Co. sorgen dafür, dass Jungstars wie zum Beispiel Freida Pinto ("Slumdog Millionär") viel entspannter in die Zukunft blicken als früher. "Ich kann es gar nicht abwarten, älter zu werden und Falten zu bekommen. Denn jede Falte erzählt ihre eigene Geschichte. Ich bewundere es, wie viel Charakter in den Gesichtern von Helen oder Meryl steckt", verriet die 27-Jährige jetzt. Offenbar hält Pinto es so wie ihr Idol: "Ich habe es bereits mit 20 Jahren aufgegeben, mir über mein Alter und mein Aussehen Sorgen zu machen", sagt Meryl Streep. "Es gibt einen Job zu tun: Mein Leben zu leben und keinen Schönheitsidealen hinterher zu rennen."