Sein Bundestrainer hat ihn rausgeworfen. Sein Verein hat ihn zur Kasse gebeten und ihm psychologische Hilfe angeboten. Sein Image ist im Keller. Was er getan habe, schrieb Alfred Draxler in der "Bild", sei "nicht strafbar, aber unfassbar bescheuert." Wer nachts 75000 Euro im Taxi liegen lässt, wer einer Journalistin in der Disco das Handy entreißt, um Fotos von sich zu löschen und wer allzu intime Aufnahmen durch die Gegend schickt, muss sich nicht wundern, als Pariah der Branche wahrgenommen zu werden.
Wer ist Max Kruse eigentlich?
Max Kruse, 28, vom VfL Wolfsburg ist Deutschlands neuer Skandal-Kicker. Warum eigentlich? Was er getan hat, wird vor keinem Gericht verhandelt und ist nichts gegen die Ausmaße an Korruption und Mauscheleien im Zusammenhang mit der Vergabe von Fußball-Weltmeisterschaften, in die – wie tief auch immer – unser Fußball- Kaiser verstrickt ist, ohne seine Krone zu verlieren, und schon gar nichts gegenüber den millionenschweren Steuertricksereien des vorzeitig aus der Haft entlassenen Uli Hoeneß. Ihn werden wir schon bald als Bayern-Präsidenten wiedersehen, wer zweifelt daran? Auch ein Christoph Daum, 2000 ein der Lüge überführter Kokser, wurde längst wieder in Gnaden in der Fußball-Gemeinde aufgenommen, und wenn er derzeit arbeitslos ist, liegt das nur an seinem fortgeschritten Alter.
WIe konnte es nur so weit kommen?
Max Kruse ist jung – und das ist sein Problem und das seiner Generation. Sie haben einen Traumjob, sie verdienen mehr Geld als sie brauchen, aber sie zahlen einen hohen Preis, denn den Segnungen der Technik entgeht kein Fehltritt. Die unter Fußballern so beliebte dritte Halbzeit wird für die Generation von heute gar nicht mehr angepfiffen. Wehe dem Profi, der sich mit einem Glas Bier in der Hand erwischen lässt oder mit einem Türsteher aneinander gerät. Minuten später ist ein Film davon online. Und so wünscht sich so mancher Jungmillionär etwas, das nur in Fantasy-Romanen existiert: eine Zeitmaschine.
Früher war alles anders
Max Kruse würde sie vielleicht im Jahr 1957 stoppen, als Weltmeister Helmut Rahn alkoholisiert mit dem Wagen in einer Baugrube landete und für die anschließende Prügelei mit einem Polizisten zwar ins Gefängnis kam, was aber so diskret ablief, dass Bundestrainer Sepp Herberger ihn nichts ahnend zum nächsten Länderspiel einlud. In den wilden Siebzigern hätte Kruse vielleicht auch gern gelebt, als Günter Netzer sogar eine eigene Disco aufmachte, das "Lovers Lane", und "meistens blieb, bis wir dicht machten". Er flog auch gerne mal nach Las Vegas – oder zu Partys ins hippe München. Bekam er die Frühmaschine um 6.30 Uhr nach Düsseldorf, schaffte er es rechtzeitig zum Training. Sonst halt nicht.
Heutzutage hat man eine Vorbildfunktion
Ein solches Jet-Set-Leben anno 2016? Undenkbar. Auf Tugend und Moral wurde immer geachtet, aber die Zahl der Wächter hat sich vertausendfacht. Dank Internet und sozialer Medien. Als Weltmeister-Torwart Sepp Maier mal am Morgen vor einem Spiel in Hamburg auf dem Klo einer Disco aufwachte, befreite ihn die Putzfrau. Raus kam es erst, als er in seinen Memoiren davon berichtete. Heute hat jede Putzfrau ein Smartphone, und für so ein Foto bekäme sie genug, um nie mehr putzen gehen zu müssen. Das macht die Kicker von heute zu Gejagten, das ist das Ende vom Rock 'n' Roll. Und nicht nur die vielen Hobby- Journalisten überwachen die Spieler.
Ein Leben unter Beobachtung
Auch ihr wohlorganisiertes Umfeld hat den Daumen drauf. Eigene PR-Agenturen, Berater und die Vereine züchten den dressierten Spieler. Vor dem Mikrofon und im Leben. In den Lizenz-Verträgen der 2000 gegründeten Deutschen Fußball-Liga findet sich ein Moral- Paragraph: unter § 2, Pflichten des Spielers, Absatz h, muss er unterschreiben, "sich in der Öffentlichkeit und privat so zu verhalten, dass das Ansehen des Clubs, der Verbände und des Fußballsports allgemein nicht beeinträchtigt wird“". Klingt erst mal gut – wenn der menschliche Faktor nicht wäre.