Der Geruch von Süßigkeiten, leuchtende Kinderaugen, Gänsehaut: "Circus Roncalli" entführt seine Gäste in eine andere Welt. Egal ob jung oder alt: Ein Besuch im Circus von Bernhard Paul, 72, ist magisch.
Lili Paul-Roncalli: "Der Circus ist mein Leben"
Doch aktuell ist die Manege leer. Die Coronakrise zwingt uns dazu, alle Veranstaltungen abzusagen. Die Folgen: Finanzielle Einbußen, Kurzarbeit, Existenzängste. Vor allem in der Kunst- und Kulturbranche. Im Interview mit GALA erzählt Lili Paul-Roncalli, 22, Tochter des Circusdirektors Bernhard Paul, wie das Familienunternehmen Roncalli mit der Krise umgeht. Und was sie sich von der Politik wünscht. Denn wenn über Fußball und die Automobilindustrie diskutiert wird, darf die Kunst nicht auf der Strecke bleiben.
Lili Paul-Roncalli über den Circus in der Krise
GALA: Was hat sich in Ihrem Leben durch die Coronakrise geändert?
Lili Paul-Roncalli: Ich denke, das ist wie bei jedem bzw. jeder anderen auch. Für uns ist der schlimmste Einschnitt, dass der Circus, das Varieté und die historischen Jahrmärkte nicht spielen dürfen. Dazu noch jede Menge abgesagte Events. Wir haben 250 Arbeitsplätze, die wollen wir retten. Mein Papa hat ja schon einen Brief an Herrn Ministerpräsident Laschet geschrieben.
Was vermissen Sie?
Ich vermisse Umarmungen. Das Lächeln der Menschen zu sehen. Applaus von echtem Publikum im Studio, im Circus auf der Bühne. Ich bin auch bei den Hygiene- Maßnahmen diszipliniert.
Wen würden Sie gerne mal wieder umarmen?
Ganz klar meine Eltern. Vor allem meinen Papa. Er zählt ja zur Risikogruppe.
Besuchen Sie Ihre Eltern denn im Moment?
Wir haben ein großes Haus. Ich lebe in meinem Teil davon. Wir halten uns an alle Hygiene-Regeln und halten den Abstand ein.
Wie gehen Ihre Eltern mit der aktuellen Situation um? Die Tournee wurde abgesagt, Kurzarbeit angemeldet ...
Natürlich machen wir uns Sorgen. Wie alle Menschen in Deutschland. Wir haben 250 Mitarbeiter, die haben alle Familien. Eine Künstlerseele braucht das Publikum und dessen Applaus. Das fehlt uns seit Wochen.
Wie hart ist diese Krise für das Unternehmen Roncalli?
Wussten Sie, dass Circus in Deutschland gar nicht offiziell zur Kultur zählt? Das ist in keinem Land in Europa so. Nur in Deutschland. Mein Papa kämpft seit Jahren darum. Wir bekommen auch keine Subventionen wie Theater. Obwohl wir ein Circus- und Varieté-Theater sind.
Leider wahr. Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft von Circus Roncalli?
Wir kämpfen darum. Und unser Publikum in ganz Europa vermisst uns. Wir müssen da jetzt durch, so wie alle anderen auf der ganzen Welt auch.
Können Sie sich ein Leben ohne den Circus vorstellen?
Nein... Der Circus und das Varieté waren mein Leben, sind mein Leben und werden immer mein Leben sein bzw. zu meinem Leben gehören.
Am 2. Mai wurde der Roncalli-Jubiläumsfilm im Autokino Düsseldorf gezeigt, außerdem gab es eine Live-Vorstellung. Eine einmalige Sache oder die Zukunft, so lange Veranstaltungen verboten sind?
Es war ein voller Erfolg. Die Menschen vermissen den Circus und haben es genossen, sich verzaubern zu lassen. Nur der Applaus war dieses Mal ein Gehupe.
Was hat sich das Roncalli-Ensemble in dieser außergewöhnlichen Zeit noch einfallen lassen?
Wir bieten bei Vimeo eine Show zum Ausleihen an, eröffnen in unserem Apollo Varieté einen Community-Masken-Shop mit tollen künstlerischen Masken und machen Shows in Autokinos.
Unter dem Motto "Entertainment in der Krise" spricht GALA während der Coronakrise mit Künstlerinnen und Künstlern über all das, was sie beruflich und privat bewegt.
Verwendete Quellen:eigenes Interview