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Kurvenstars Macht's euch nicht so schwer

An Frauen wie Jennifer Lopez und Christina Aguilera entzündet sich momentan eine weltweite Kurvendiskussion. Wird sie die Gleichung "Schön = mager" verändern?

Vor zehn Jahren schmetterte Christina Aguilera ihre Empowerment-Ballade "Beautiful"

mit den gewichtigen Zeilen "I am beautiful, no matter what they say, words can't bring me down ..." Damit wollte sie allen Mut machen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Ihr selbst nahm man die Rolle der Ausgegrenzten nur bedingt ab: blond, süß, erfolgreich, Konfektionsgröße 34. Heute ist aus dem schlanken Reh ein "gepresster Pudel" geworden. So boshaft kommentiert die US-Presse Christina Aguileras Wandlung zur erwachsenen Frau mit Kurven. Dass sie ihre Rundungen auch noch mit engen Kleidern betont, bringt ihr Spott und Häme ein.

"Ich bin schön, egal was sie sagen" - schön wär's, doch so einfach ist es eben leider nicht. Als "Gala" der 32-Jährigen beim Interview in Beverly Hills für ihr mutiges Statement "Ich bin ein dickes Mädchen, kommt damit klar" gratulieren möchte, geht ihre Managerin sofort dazwischen. "Darüber brauchen wir nicht zu reden", faucht sie. "Sie hat diese Dinge nicht gesagt. Keine Ahnung, wer das in die Welt gesetzt hat." Christina rollt genervt mit den Augen, seit Wochen steht sie im Fokus der Öffentlichkeit, platt ausgedrückt: Alle reden über die Größe ihres Hinterns, aber niemand über das Volumen ihrer Stimme. Natürlich weiß sie, dass es diesmal um mehr geht als um Werbung für ein neues Album. Es geht um ihre Würde und ihr Selbstverständnis als Frau: "Ich schäme mich nicht für meinen Körper, das habe ich noch nie getan", sagt sie und lächelt jetzt sogar. "Warum sollte ich ihn also verstecken?" Eine große Kurvendiskussion ist im Gang. Nicht nur Christina Aguilera hat es satt, ständig von den Medien oder ihrer Plattenfirma in Bezug auf ihren Körper unter Druck gesetzt zu werden. Plötzlich trauen sich Frauen, zu ihren Kurven zu stehen - trotz des Dauerdrucks im Showgeschäft. "Genug ist genug" scheinen auch Adele, Lady Gaga, Jennifer Lopez oder Beth Ditto zu denken. Statt Schlankheitswahn propagieren sie ein neues Selbstbewusstsein. Die Message: Ich fühle mich schön, egal ob mit Konfektionsgröße 34 oder 44.

"Ich hatte nie das Ziel, wie ein Model auszusehen", sagte Adele kürzlich. "Ich repräsentiere die Mehrheit aller Frauen, und darauf bin ich stolz." Dafür wird sie gefeiert - auch von Eltern: "Als Vater einer 14-Jährigen könnte ich Adele küssen", schwärmte Ethan Hawke nach dem Besuch eines Konzerts mit seiner Tochter Maya. "In dieser Branche verhungert jeder fast, um noch mal 15 Kilo abzunehmen. Solche Vorbilder haben mit der realen Welt nichts zu tun." Auch Lady Gaga will ein Vorbild sein - und bewies mal wieder perfektes Gespür für den Zeitgeist, als sie zur "Body Revolution" aufrief. Weil sie für ein paar Kilo mehr auf den Rippen scharf kritisiert wurde, hatte sie ihre Fans auf ihrer Internetseite dazu aufgefordert, eigene körperliche Makel auf Fotos festzuhalten. Dass Gaga mittlerweile wieder auf Standard-Showbusinessmaße geschrumpft ist, finden manche allerdings scheinheilig.

Wie man seinen Körper und seine Kurven erfolgreich als Marke einsetzt, zeigt Jennifer Lopez seit Jahren. Die Frau mit dem üppigen runden Hinterteil wurde 2011 vom Magazin "People" zur "Sexiest Woman Alive" gekürt. Nun ist J.Lo kein "Big Girl" wie Adele oder Beth Ditto - die Arbeit, die sie in ihren Körper steckt, ist mörderisch. Doch auch sie kennt das Gefühl, für ihre Rundungen öffentlich kritisiert zu werden. Ihr Kommentar im Interview mit "Gala": "Ich fühle mich sinnlich und sexy und liebe meinen Körper mehr als vor 20 Jahren - gerade wegen meiner weiblichen Rundungen. Da sitzt alles an der richtigen Stelle." Ihre Vorliebe für Burritos und Salsa ist legendär. Es darf gegessen werden! Plötzlich verzichten Frauen nicht mehr. Wenn sie Werbung machen, dann nicht mehr nur für Mineralwasser oder Weight Watchers. Barbara Schöneberger schlemmt Fleischsalat im TV, Cosma Shiva Hagen schleckt Eis mit Karamell und Schokostückchen vom Löffel. "Iss dich erfolgreich" ist auch Robyn Lawleys Motto. Früher litt das australische Model unter dem Druck, sich auf Standardmaße herunterzuhungern: "Mir wurde die ganze Zeit diktiert, ich solle abnehmen und Sport machen. Das war hart, von Natur aus bin ich nicht zierlich. Es war ein Kampf."

Irgendwann hatte die 23-Jährige keine Lust mehr. Heute trägt sie Größe 40 - und wurde gerade zum Werbegesicht für Ralph Lauren gekürt. "Ich will nicht als Übergrößen-Model gelten, ich habe eine normale Größe. Es solle eher umgekehrt sein: Untergewichtige Models sollten Untergrößen-Models genannt werden."

Robyn Lawley: Früher quälte sich die Australierin, 23, um der Model Norm
 zu entsprechen. Heute ist sie als "Plus Size"Model welt
Robyn Lawley: Früher quälte sich die Australierin, 23, um der Model Norm zu entsprechen. Heute ist sie als "Plus Size"-Model weltweit erfolgreich: "Es war ein langer Weg, mich zu akzeptieren", sagt sie.
© Splashnews.com

Ihre größte Leidenschaft zelebriert Robyn Lawley öffentlich: Auf ihrem Blog (robynlawleyeats.tumblr.com) präsentiert sie Fotos von Burgern, Cupcakes und Double-Cheese-Sandwiches. Zu prophezeien, dass sich die Modelbranche nun plötzlich ändern wird und bald normalgewichtige Frauen über die Catwalks von Mailand, Paris und New York schreiten, wäre zwar übertrieben. Aber mit Hilfe von Vorreiterinnen wie Lawley ändert sich allmählich das Bewusstsein: "Die Rollenmodelle haben sich in der vernetzten Gesellschaft erweitert", erklärt die Hamburger Kulturwissenschaftlerin und Trendforscherin Inga Nandzik. "Je mehr Personen die Welt bunter und facettenreicher machen, desto weniger Macht haben die klassischen 'Industrienormen' aus dem Mode, Film- und Musikgeschäft." Bunt und facettenreich: Attribute, die Beth Ditto perfekt verkörpert. Wie ein Wirbelwind mischte die Rubens-Rockerin die Musikwelt vor einigen Jahren auf. Das Motto "Ich bin, wie ich bin" ist bei ihr mehr als nur ein gesprochener Satz. Das weiß man bei ihr, seit sie sich 2009 in all ihrer Pracht nackt und stolz auf dem Cover des britischen "Love Magazine" präsentierte. Es freut sie, dass auch Kolleginnen heute über alle Maßen glücklich mit ihren Körpern sind. "Zu sagen, akzeptiert euch so, wie ihr seid, ist für mich der einzig richtige Umgang mit Körperwahrnehmung", sagt die 31-Jährige im Gespräch mit "Gala". "Auf Dauer verkauft niemand mehr Platten, weil er auf dem Cover perfekt aussieht."

Beth Ditto ist schon einen Schritt weiter als Christina Aguilera. Vielleicht weil sie noch nie dem gängigen Ideal entsprach, kann sie den Spieß einfach umdrehen - und die Beleidigungen prallen an ihr ab: "Fett" ist für sie noch nicht mal ein Schimpfwort. "In 95 Prozent der Fälle macht es mir nichts aus, wenn sich jemand über mich lustig macht. Ihr könnt mich fett nennen, aber untersteht euch zu behaupten, ich könne nicht singen", schreibt Beth Ditto in ihrem Buch "Heavy Cross. Die Autobiografie" (erscheint am 22. Oktober bei Heyne). Von einem so entspannten Körperbild sind viele Frauen, ob berühmt oder nicht, noch weit entfernt. Aber vielleicht nehmen ihnen Adele, Beth Ditto oder Christina Aguilera etwas von dem immensen Druck, dass Frauen immer perfekt und dünn und wie retuschiert aussehen sollen. Denn das Ideal ist ebenso gnadenlos wie überzogen. "Stars sehen es immer weniger ein, in jeder Phase ihres Lebens unbedingte Dauerdisziplin zu zeigen, nur weil dies ein vermeintliches Karrierekriterium ist", so Trendforscherin Nandzik. "Langsam wird deutlich, dass Popularität nicht mehr notwendig an spezifische Äußerlichkeiten geknüpft ist." Die neue Botschaft lautet: Ob dick oder dünn, fühl dich wohl, wie du bist! Roland Rödermund, Miriam Kaefer Mitarbeit: Hauke Herffs, Bettina Klee, Alexander Nebe

gala.de

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