Das Warten hat sich gelohnt,
nicht nur wegen der Snacks im Londoner "Dorchester"-Hotel. Plötzlich öffnet sich die Flügeltür, mit mehr als einer Stunde Verspätung tritt Katy Perry ein. Grell geschminkt und wahnsinnig aufgekratzt. Ein überschwängliches "Hellooooo!", als träfen sich Schulfreunde nach Jahren wieder.
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Das Interview mit dem US-Showgirl kann beginnen. Es soll um Katys neues Album "Teenage Dream" gehen. Mindestens so spannend wie ihre Musik sind aber die jüngsten Einzelheiten ihrer Blitzlicht-Romanze mit Kultkomiker Russell Brand. Seit einem Jahr versorgt das Pärchen die Welt Tag für Tag mit Bildern und Informationen, scheinbar mitten aus dem prallen Privatleben. Ein schrilles Statement gibt das nächste. Mal geht es um Essgewohnheiten ("Unbedingt Takeaway! Wir kochen beide miserabel!"), mal um Körperfunktionen ("Katy ist eine Furzfabrik!"). "Mein Leben mit Russell ist eine 24-stündige Comedyshow", schwärmt Katy Perry. Aktueller Haupt-Act dieser Show: die angeblich für Oktober geplante Hochzeit. Die angebliche Trauzeugin Rihanna ließ man angebliche Details über eine angebliche Trauung in Indien "ausplaudern". Eine Einladung zur Feier tauchte im Internet auf. Offenbar war sie fingiert. Russell Brand probierte parallel dazu - ha, ha, wie lustig! - Brautkleider an. So offensiv wie diese beiden promotet kein anderes Paar seine Liebe.
Dabei hatte zunächst kaum jemand der Beziehung zwischen der Predigertochter und dem ehemaligen Womanizer, der zu Bestzeiten "80 Frauen pro Woche" beglückt haben will, eine Chance gegeben. Katy mag zwar generell Problem-Typen, hatte beispielsweise bis Anfang 2009 eine On-Off-Beziehung mit Rapper Travie McCoy, der für seine Drogen-Eskapaden berüchtigt war. Doch gegen Russell ist selbst er ein Waisenknabe. Drogen, Bulimie, Sexsucht: Russell Brand überschreitet alle Grenzen. Katy Perry mochte ihn schon bei der ersten Begegnung. Sie traf ihn Mitte 2009, als sie für einen Cameo-Auftritt in seiner Komödie "Männertrip" vor der Kamera stand. Es knisterte sofort, wie sie im Gespräch erzählt. Mittlerweile sind die zwei verlobt, sogar Katys streng gläubige Eltern haben den Bad Boy als künftigen Schwiegersohn akzeptiert. Vielleicht half, dass auch Mom Mary und Dad Keith auf eine wilde Vergangenheit zurückblicken. Katys Mutter hatte mal eine Affäre mit Jimi Hendrix, ihr Vater zählte zum Gefolge von LSD-Papst Timothy Leary.
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Privat ist also alles prima. Und in Sachen Karriere haben sich Katy und Russell zu einem PR-Powergespann entwickelt. Ein wenig Erotik, ein wenig Skandal, immer ein feines Gespür für den großen Auftritt - das Duo kokettiert mit dem verrückt-verruchten Rockstar-Image, ohne zu übertreiben. Sie räkelt sich im Video zu "California Gurls" nackt auf einer Zuckerwattewolke, er witzelt über seine Läuterung, darüber, dass er mit Katy zusammen sein will, obwohl das seiner Veranlagung widerspreche. "Es ist ein schmaler Grat zwischen sexy und schlampig", gibt Katy gegenüber Gala zu: "Ich bin das nette Mädchen von nebenan, aber eines, das sich nachts auch mal aus dem Haus schleicht." Sie sei "ein großer Fan von Lady Gaga, aber auch von Jesus Christus". Lady Gagas Hang zu Kruzifixen und Nonnenkostümen verurteilt sie als Blasphemie. Beim lieben Gott hört der Spaß auf.
Träumt Katy von einer kirchlichen Trauung ganz in Weiß, wie überall zu lesen war? "Also, ich weiß gar nicht, woher dieses Gerücht kommt", sagt sie schmunzelnd im Gala-Gespräch. "Noch ist gar nichts klar. Schließlich habe ich eine Tournee vor mir, und auf Russell warten zig Hollywood-Projekte." Lachend dementiert sie die Meldung, dass sie nackt heiraten wolle. Auch Latex komme nicht infrage - zu heiß! Bleiben trotzdem noch viele denkbare Varianten jenseits der klassischen Rüschenrobe. "Ich liebe diesen ganzen Zirkus!", beteuert Katy und meint damit ihren VIP-Alltag. Russell Brand formulierte es vor Kurzem ähnlich: "Die Leute erwarten doch Irrsinn von ihren Stars." Da keimt dann wieder der Verdacht auf, dass die Vielleicht-ja-vielleicht-nein-Hochzeitsplanungen eher ein gewitztes Promo-Manöver sein könnten. So bleibt man auf jeden Fall von Europa bis Amerika im Gespräch.
Der Karrierebooster funktioniert. Katy Perrys Album und ihre Single stehen in den US-Billboardcharts schon auf Platz eins. Parallel dazu lanciert sie ihr Parfum "Purr" ("Schnurr") und überrascht auf ihrer PR-Tour mit Guerilla-Aktionen. Mit einem Auftritt bei einem Schulabschlussball in Australien etwa oder mit einem Konzert in Singapur, bei dem sie ihren Song "Ur So Gay" ("Ihr seid so schwul") der Band Tokio Hotel widmet ...
Worauf hätte sie zurzeit noch Lust? Eine Filmrolle, sagt sie, "am liebsten in einer Komödie von Judd Apatow". Der Comedy-Mogul produzierte praktischerweise Russells Komödie "Männertrip", die in Deutschland gerade läuft. Katys Gatte in spe dreht derweil in New York mit Jennifer Garner die nächste Komödie, "Arthur". Hochzeitsszene inklusive. "In einer richtigen Kirche! Vergib mir, Herr. Und du natürlich auch, Katy!", twitterte er. Damit sich die beiden in ihrer Selbstinszenierung nicht verlieren, machen sie eine Paartherapie. Für eine Konferenzschaltung mit dem Psychologen schaufeln sie sich täglich eine Stunde frei. Auch wieder eine prima Schlagzeile.
Eine beiläufige Bemerkung von Katy Perry kommt der Wahrheit womöglich am nächsten: "Manche Dinge gehören nur uns." Vorhang zu. Bis zum nächsten Akt der großen Katy-und-Russell-Liebesshow.
, Roland Rödermund
Mitarbeit: Marcel Anders, Hauke Herffs