Was für ein Auftritt! "Hotel de Béhague",
ein Palais im 7. Arrondissement von Paris: Im asymmetrischen Abendkleid mit großer Schleife an der Schulter schreitet Jessica Chastain die Stufen herunter. Auf halber Höhe bleibt sie stehen. "Bonsoir Mesdames et Messieurs", haucht sie ins Mikro - und kichert mädchenhaft in sich hinein. Sofort fühlt man sich in die Glanzzeiten des Kinos versetzt, als Schauspielerinnen noch Diven waren. Und kleine Gesten einen ganzen Saal in Aufregung versetzten.

Dass sich alles um sie dreht - der Abend feiert die 35-Jährige als Markenbotschafterin für den neuen YSL-Duft "Manifesto" -, behagt ihr selbst nur in Maßen, wie sie am nächsten Tag im Gespräch mit "Gala" verrät. "Ich bin Schauspielerin. Selbst wenn ich mit Journalisten spreche, geht es um eine Rolle. Gestern hieß es die ganze Zeit: Jessica! Das macht einen natürlich verletzlicher." Enorme Unsicherheit und Selbstzweifel kennt sie aus Kindertagen: "Als kleines Mädchen habe ich mich geschämt, rothaarig zu sein, anders als die anderen." Aufregend anders, finden Kritiker, Kollegen und Kinobesucher heute - seit sie als Frau von Brad Pitt in "The Tree Of Life" brillierte und in dem Drama "The Help" überzeugte. Robert De Niro befand nach einem gemeinsamen Theaterprojekt sogar: "Sie ist die neue Meryl Streep." Was die Tochter einer veganen Köchin und eines Feuerwehrmanns so besonders macht, sind nicht nur ihre Kupferlocken und ihr atemberaubendes Talent vor der Kamera. Es sind auch ihr Intellekt und ihr Perfektionismus, die Akribie, mit der sie sich auf ihre Rollen vorbereitet. Durch Bücher, Kunstwerke, Zeitungen versucht sie, den Geist einer Ära nachzuempfinden, um einen Charakter ganzheitlich zu verkörpern. Begeistert erzählt Jessica Chastain vom Duft alter Bücher und von Shakespeare.

Auch über ihren dreibeinigen Hund Chaplin mag sie reden, über Männer hingegen verrät sie nur wenig: "Ich habe eine eiserne Regel: Gehe niemals mit anderen Schauspielern aus", erzählt sie. "Ich will nicht mit einem berühmten Kollegen im Restaurant fotografiert werden. In der Sekunde, in der mein Privatleben wichtiger wird als mein Job, höre ich auf, Schauspielerin zu sein." Estelle Marandon