Sie ist zurück. Strahlend, schön und voller Pläne. "Schluss mit dem Verstecken, ich bin wieder bereit für die Öffentlichkeit!", sagt Jenny Jürgens. Wir treffen uns in Lüneburg, wo die Schauspielerin gerade 15 Folgen "Rote Rosen" abgedreht hat.
Jenny Jürgens: So tritt sie aus dem Schatten ihres Vaters Udo Jürgens
Am 6. September kehrt sie als Jana Greve in die ARD-Serie zurück, in der sie schon vor vier Jahren eine Hauptrolle spielte. Damals platzte in die Dreharbeiten die Nachricht vom Tod ihres Vaters: Am 21. Dezember 2014 starb Chansonnier Udo Jürgens an plötzlichem Herzversagen. Für Jenny Jürgens, 51, und ihren Bruder John, 54, begann die schwerste Zeit ihres Lebens. Auch, weil sie schon bald in einen erbitterten Streit um den auf 60 Millionen Euro geschätzten Nachlass verwickelt waren. Während die Auseinandersetzung mit Halbschwester Gloria kürzlich beendet wurde, geht der Kampf um das musikalische Vermächtnis zwischen den Erben und Udo Jürgens’ einstigem Manager Freddy Burger in die nächste Runde. In GALA erzählt Jenny Jürgens, wann sie ihren Vater am meisten vermisst – und wie sie langsam aus seinem Schatten tritt.
GALA: Wie sehr haben die Jahre seit dem Tod Ihres Vaters Sie verändert?
Jenny Jürgens: Sie haben viel Kraft gekostet, weil ein neuer großer Lebensabschnitt begonnen hat. Der Papa ist gegangen – wir müssen endgültig erwachsen sein. Auch weil wir nicht mehr dem väterlichen Urteil ausgesetzt sind. Ich habe mich immer sehr an seiner Meinung orientiert.
GALA: In welchen Momenten denken Sie besonders an ihn?
Jürgens: Wenn etwas Wichtiges passiert ist, würde ich ihn gerne anrufen: Papa, ich muss dir was erzählen! Aber er ist ja für immer in unseren Herzen und Erinnerungen. Ich denke gern an die langen Nächte mit Gesprächen und Rotwein zurück, draußen auf der Terrasse. Wir haben uns über Gott und die Welt unterhalten. Immer mit diesem Familienhumor, bisschen Loriot, bisschen schwarz. Er konnte unglaublich witzig sein und hatte auch eine alberne Seite. Jetzt habe ich einen Mann, der auch unfassbar albern sein kann. Man muss der Ernsthaftigkeit des Lebens etwas entgegensetzen.
GALA: Nach dem langen Erbstreit gab es inzwischen eine Einigung. Erleichtert?
Jürgens: Wir sind sehr erleichtert, dass der Erbstreit nun der Vergangenheit angehört. Teile des Nachlasses können wir auflösen. Allerdings sehen wir uns mit dem Problem eines sehr undurchsichtigen Firmengeflechts konfrontiert. Das Management pocht auf die Alleinherrschaft und verweigert die Vorlage wichtiger Dokumente. Das alles macht uns stutzig und trägt nicht zu einem vertrauensvollen Verhältnis bei. Wir fordern lediglich unsere Rechte ein. Das werden wir auch weiterhin tun.

GALA: Wie wollen Sie vorgehen?
Jürgens: John und ich sind keine Streittypen. Wir sind harmoniebedürftig, das liegt bei uns in den Genen. Aber nun müssen wir uns dieser Auseinandersetzung stellen, wir wollen wie gesagt nur unser Recht. Immerhin läuft das glückliche Leben parallel weiter. Am Anfang hat der Streit alles überschattet. Das dulden wir nicht mehr.
GALA: Mit Ihrem dritten Ehemann David Carreras leben Sie auf Mallorca. Wie wichtig ist Ihnen die räumliche Distanz zu Deutschland?
Jürgens: Wichtiger ist, dass mich dort das Leben in der Natur, mit den Tieren extrem verändert hat. Vor allem, was meine Eitelkeit betrifft. Das ist wie eine Dauertherapie. Morgens steige ich – noch im Nachthemd – in die Gummistiefel und stapfe zu den Eseln hoch. Da gesundet die Seele.
GALA: Sie haben David nur wenige Monate nach dem Tod Ihres Vaters geheiratet. Wie haben Sie diese emotionale Achterbahn bewältigt?
Jürgens: Ich habe mich damals gefragt: Wie lange soll ich trauern? Wann darf ich wieder happy sein? Unser Hochzeitstermin stand schon lange fest. Und irgendwann haben wir gesagt: Das ist unser Tag, wir machen das jetzt! Dieser Tag hat dann viel positiven Schwung in das riesige Durcheinander gebracht.
GALA: Was genau lieben Sie an David?
Jürgens: Er lässt mich, wie ich bin. Er kommentiert mich nie. Das ist unbeschreiblich schön. Und er sagt jeden Tag "Ich liebe dich" und "Du bist wunderbar".
GALA: Was bewirkt diese Liebe bei Ihnen?
Jürgens: Mir war immer sehr wichtig, was andere von mir denken. Von klein auf habe ich mich beobachtet gefühlt. Dadurch hatte sich eine Angststörung entwickelt, die heute Vergangenheit ist. Obwohl ich sicher fünf, sechs Kilo zu viel habe, gibt David mir das Gefühl, dass ich angekommen bin, auch in meinem Körper. Das erste Mal in meinem Leben zeige ich mich zu Hause nackt, drehe mich nicht schnell weg oder wickle mir ein Handtuch um. David guckt mich an und macht mir ein Kompliment. Ob ich mich nun zu dick oder zu dünn finde oder ungeschminkt bin: Ich fühle mich gut.
GALA: Früher war das offenbar anders?
Jürgens: Ich habe mir viel versperrt, weil ich der Erwartungshaltung an "die Tochter von" gerecht werden wollte. Jetzt gerade erst hat jemand auf meiner Facebook-Seite geschrieben: "das kleine, verwöhnte Töchterchen von Udo Jürgens". Früher hätte ich geantwortet, heute heißt es: löschen, blockieren, weg! Aber ganz egal wird mir das trotzdem nie sein. Vorurteile wie "verwöhnt, eingebildet" – das schmerzt.
GALA: Trotz Ihrer eigenen Karriere werden Sie auch noch mit Anfang 50 über den Vater definiert?
Jürgens: Das wird nie aufhören. Aber es ist an der Zeit, sich damit auszusöhnen. Früher wollte ich mich verändern. Das wurde dann immer schlimmer, weil man sich von sich selbst entfernt.

GALA: Wann war das am schwierigsten?
Jürgens: Die Unsicherheit begann in der Pubertät. Ich hatte meine Mechanismen, das zu verbergen, bin nach außen viel lauter und souveräner aufgetreten, als ich es wirklich war. In mir drinnen spielten sich Weltuntergänge ab. Mit Anfang 30 wurde es so heftig, dass ich mir Hilfe suchen musste. Ich hatte Panikattacken, ganz schlimm. Das ist übrigens auch ein Grund, dass ich kein Theater mehr spiele: Es war eine unglaubliche Kraftanstrengung, mit dem Lampenfieber klarzukommen. Ich bin da immer um Jahre gealtert. Schon in dem Moment, wo man mir eine Rolle anbot, hatte ich Herzklopfen. Aber ich musste es machen, um die Miete zu zahlen. Jetzt habe ich die finanzielle Freiheit, wählen zu können, was ich mache. Das ist großartig.
GALA: Hat sich Ihr Verhältnis zum Geld seit der Erbschaft geändert?
Jürgens: Erstaunlicherweise nicht. Ich kaufe ein wie vorher. Ich fahre ein Auto mit Dellen und einem geklebten Rückspiegel, und ich werde es fahren, bis es nicht mehr funktioniert.
GALA: Bei Ihrer Arbeit für "Herzwerk", ein gemeinsames Projekt mit dem DRK, das Senioren unterstützt, begegnen Sie vielen Menschen in Altersarmut.
Jürgens: Ja, und es ist eine große Erleichterung, persönlich mit einem sicheren Gefühl in diesen Lebensabschnitt zu gehen. Das ist ein riesiges Geschenk, das Papa mir gemacht hat. "Herzwerk" ist mein Lebenswerk, das werde ich weiterführen, bis ich sterbe. Wir haben in Düsseldorf gerade die Herzwerkstatt eröffnet, eine Begegnungsstätte für alte Menschen. Dort können sie Anträge stellen, sich Putz-oder Waschmittel mitnehmen, wir machen Back-und Koch-Events. Außerdem ist ein großes Musikprojekt in Arbeit, das wir Ende des Jahres präsentieren.
GALA: In Deutschland kümmern Sie sich um Senioren, auf Mallorca haben Sie eine Mutterrolle inne: Ihr Mann hat zwei Söhne, 14 und 18 Jahre alt. Wie füllen Sie diese Rolle aus?
Jürgens: So sehe ich mich gar nicht, die beiden haben ja ihre Mütter. Ich bin Papis Frau. Natürlich übernehme ich typische Mutteraufgaben, wenn die Kinder bei uns sind. Wir sind alle gemeinsam da für das Wohl der Kinder und verstehen uns gut.
GALA: Sind die Kinder eine Bereicherung für Ihr Leben?
Jürgens: Total. Ich habe mich in meiner ersten Ehe bewusst gegen Kinder entschieden. Vielleicht auch, weil mein damaliger Ehemann keine wollte. Ich hatte unheimliche Angst vor dem Verlust meiner Unabhängigkeit. Der Gedanke, dass ein Kind ein Leben lang abhängig von mir ist, löste Panik in mir aus. Das ist heute nicht mehr so.
GALA: Heute kriegen auch Frauen über 50 noch Kinder. Haben Sie schon mal mit diesem Gedanken gespielt?
Jürgens: Nein, überhaupt nicht. In diesem Alter ein Kind? Total crazy!
Rückblick auf einen unvergessenen Entertainer
