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Malu Dreyer "Zu Hause bin ich undiszipliniert"

Macht und Herzlichkeit: Malu Dreyer verbindet beides. Nach dem Wahlsieg sprach GALA mit der Politikerin über ihre Pläne, ihre Ehe – und ihren Spaß an Shopping und Fußball

Spätestens nach dem Sieg in Rheinland-Pfalz vor zwei Wochen trauen viele Malu Dreyer, 55, die ganz große Polit-Karriere zu. Ministerpräsidentin ist sie schon seit 2013, jetzt wurde die Sozialdemokratin gegen den SPD-Trend wiedergewählt. Wenige Tage danach empfängt sie GALA in ihrem Büro in der Mainzer Staatskanzlei. Sie strahlt eine unerschütterliche Kraft aus, trotz ihrer schweren Krankheit. Eine "Landesmutter", die zur bundesweiten SPD-Hoffnung werden kann.

Frau Ministerpräsidentin, Sie werden jetzt schon als SPD-Kanzlerkandidatin gehandelt. Trauen Sie sich das zu?

Ich habe jetzt in Rheinland-Pfalz gewonnen. Darauf bin ich unglaublich stolz, und jetzt will ich fünf Jahre dieses Land regieren.

Wir werden das weiter beobachten. Wie wichtig ist Ihnen denn generell bei Freunden ein politisches Verständnis?

Ich habe auch Freunde, die nicht so politisch sind. Aber ich habe keine Freunde, die überhaupt nicht interessiert sind an dem, was sich in der Gesellschaft bewegt.

Sie reden also auch mal über andere Themen?

Ja, es tut auch mal sehr gut, nicht über Politik zu sprechen. Das ist mir sogar sehr wichtig. Ich bin wie jede andere Frau. Mit meinen Freundinnen quatsche ich auch über Haare und Make-up. Ich liebe Schuhe und gehe gerne shoppen.

Wie pflegen Sie Ihre Freundschaften?

Leider habe ich für meine Freunde sehr wenig Zeit. Vor allem im Wahlkampf war das jetzt wieder so. Ich bin froh, dass sie mir treu geblieben sind. Aber wenn wir uns mal sehen, dann fühle ich mich richtig privat. Ich versuche auch in anstrengenden Zeiten, mit ihnen Kontakt zu halten, per SMS oder Telefonat. Wobei ich sie lieber persönlich treffe. Telefonieren muss ich aus beruflichen Gründen schon den ganzen Tag.

Es ist bekannt, dass Sie religiös sind. Hilft Ihnen Ihr Glaube bei politischen Fragen, zum Beispiel wenn es um Flüchtlinge geht?

Mein christlicher Glaube ist eine Grundfeste in mir. Werte wie Nächstenliebe oder Barmherzigkeit gegenüber Menschen, die es nicht leicht haben im Leben, sind Grundpfeiler im Glauben, und das sind wichtige Säulen in meinem politischen Handeln. Deshalb habe ich auch eine sehr klare Einstellung zur Flüchtlingsfrage: Wir müssen uns um diese Menschen kümmern.

Glauben Sie nach dem Triumph der Alternative für Deutschland bei gleich drei Landtagswahlen noch an das Gute im Menschen?

Ich glaube immer an das Gute im Menschen. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum Bürger die AfD wählen. Manche fühlen sich vernachlässigt. Andere haben Ängste. Wieder andere sind unzufrieden. Nicht jeder, der die AfD gewählt hat, gehört zur radikalen Spitze.

Könnten Sie mit einem Menschen befreundet sein, der die AfD-Politik befürwortet?

Mein Freundeskreis tickt einfach anders, und deshalb ist das für mich unvorstellbar.

Eine Regierung zu führen ist ein Rund-um-die-Uhr-Job ohne echten Feierabend. Wie starten Sie morgens in den Tag?

Wenn es sehr gut läuft, stehe ich um halb sieben auf, das ist meine Traumstunde zum Aufstehen. Aber es wird oft viel früher. Ich stelle mir den Wecker möglichst spät und lege abends schon meine Sachen für den nächsten Tag raus. Ich stehe schnell auf, springe unter die Dusche, schminke mich, ziehe mich an und rufe meinen Mann an, das ist unser Ritual. (Die Woche über wohnt Malu Dreyer in der Landeshauptstadt Mainz, der Familienwohnsitz ist Trier; Anm. d. Red.) Wir telefonieren jeden Morgen und jeden Abend miteinander, egal zu welcher Uhrzeit. Auch manchmal nur wenige Minuten. Hauptsache, wir haben uns gehört. Mein Mann und ich sind kitschig, was das angeht.

AfD-Chefin Frauke Petry hat angeblich schon mal einen Auftritt beim Frühstückfernsehen verschlafen. Könnte Ihnen das auch passieren?

Ich möchte keinen Vergleich mit Frauke Petry. Aber zu Ihrer Frage: Ich habe während meiner politischen Laufbahn noch nie einen Termin verschlafen. Ich bin ein disziplinierter Mensch.

Können Sie auch mal nachlässig sein?

Zu Hause bin ich undiszipliniert. (lacht) Im Job muss ich immer so adrett angezogen sein, aber wenn ich daheim bin, dann schminke ich mich auch mal nicht, trage Brille statt Kontaktlinsen und lässigere Kleidung wie Jeans oder Lederjacke.

Wie schalten Sie ab?

Mit meinem Mann, am liebsten in der Natur. Wenn ich die Sonne auf meiner Haut spüre – das ist ein so schönes Gefühl! Dann bin ich für einen Moment ganz woanders. Ich liebe es auch, mit meinem Mann ins Kino zu gehen. Zuletzt haben wir uns über die Weihnachtstage James Bond angeschaut.

Es heißt, Sie lieben auch Fußball …

Sehr! Ich sitze gern mit meinem Mann auf dem Sofa und schaue mir Spiele an, und ich bin auch gern im Stadion. Natürlich fiebere ich für Mainz 05 und Kaiserslautern. Aber ich bin nebenbei auch BVB-Fan. Das hat damals alles mit Klopp angefangen. Seitdem er in Liverpool ist, verfolge ich auch die englische Liga. Ich bin ein heimlicher Klopp-Fan.

Sie sprachen von den gemeinsamen Erlebnissen mit Ihrem Mann. Aber wie führt man eigentlich eine gute Ehe, wenn man kaum Zeit füreinander hat?

Das kann man nur, wenn man so einen Mann hat wie ich. Einen Mann, der auch mal Politiker war und versteht, was ich tue. Er ist mit seinen Gedanken immer bei mir und unterstützt mich so. Die wenige Zeit, die wir miteinander haben, nutzen wir gut. Diesen Sommer gönnen wir uns eine etwas längere Auszeit und besuchen seine Schwester in Australien. Ich freue mich sehr darauf, denn ich war noch nie dort.

Schmeißt er in Trier den Haushalt, wenn Sie nicht da sind?

Mein Mann ist super und macht eigentlich alles. Wir haben eine Haushaltshilfe fürs Grobe. Er wiederum hält alles am Laufen. Und: Mein Mann zahlt meine Rechnungen, die sich überall stapeln. Er achtet darauf, dass nicht plötzlich der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht. (lacht)

Nach dem Tod seiner ersten Frau hat Ihr Mann drei Kinder mit in die Beziehung gebracht. Fühlen Sie sich als Mutter?

Die Kinder und ich haben eine sehr schöne Beziehung miteinander. Ich würde mich auch immer verantwortlich für sie fühlen. Das ist schon ein Gefühl, das eine Mutter hat, auch wenn ich nicht die leibliche bin. Wir verstehen uns aber eher als Freunde.

Sie leiden seit etwa 20 Jahren an Multipler Sklerose und sind deshalb bei größeren Strecken auf den Rollstuhl angewiesen. Fragen Sie sich manchmal: Warum eigentlich ich?

Ich habe mir diese Frage nur zu der Zeit gestellt, als die Diagnose kam. Inzwischen habe ich gelernt, mit der Krankheit zu leben. Ich glaube, es ist etwas anderes, wenn man in der Phase steckt, in der man sie eigentlich bezwingen will – was aber nicht geht. Irgendwann legt man den Schalter um und weiß: Die Krankheit darf nicht der Mittelpunkt des Lebens werden.

Bekommt man als jemand, der gern die Kontrolle über alles behält, nicht doch manchmal Angst?

Am Anfang war das so. Ich war ja unglaublich sportlich, und plötzlich merkt man: Alles geht nicht mehr so. Ich kann nicht mehr den Dreitausender erklimmen oder Ski fahren. Aber ich habe neue Welten für mich entdeckt. Und wenn man diesen Punkt erreicht hat, trauert man der Vergangenheit nicht mehr nach.

Philipp Coenen Gala

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