Wie bereitet man sich auf ein Interview mit einem TV-Titanen vor?
Am besten mit vielen Fragen, denn Harald Schmidt, 55, kann innerhalb kürzester Zeit unglaublich viel Kluges und Unterhaltsames sagen. Seit Anfang September zeigt er das wieder in seiner Late-Night-Show, die jetzt auf Sky läuft (dienstags, mittwochs und donnerstags ab 22.15 Uhr).
Herr Schmidt, woran könnte ich jetzt Ihre Laune ablesen?
Heute gar nicht, für so einen Termin programmiere ich mich professionell. Und ich bin sowieso ein ziemlich gleichförmiger Mensch.
Also keine Launen?
Doch, wahnsinnig launenhaft, aber nicht im professionellen Umfeld.
Sie haben vor Kurzem erklärt, Sie seien kein Hypochonder, wie es immer geschrieben wurde. Müssen wir irgendwann auch erfahren, dass Sie eigentlich ein ausgeglichener Menschenfreund sind?
Ausgeglichen - weiß ich jetzt nicht. Und Menschenfreund ist so ein hoher Begriff. Aber der "Dirty Harry" ist sozusagen das Etikett. Es passiert ja häufig, dass mit so einem öffentlichen Bild die Person gleichgesetzt wird. Das macht man mit Schauspielern auch. Ist aber falsch.
Sie sind also in Wahrheit ...
... jemand, der es gern ruhig hat.
Den Menschen zugewandt?
Ja. Also - große Menschenansammlungen versuche ich zu vermeiden. Kleine eigentlich auch.
Mit einer Lebensgefährtin und insgesamt fünf Kindern haben Sie doch auch privat schon eine kleine Menschenansammlung um sich.
Ja, aber das ist Familie. Das ist was anderes. Ich meinte Partys, Geselligkeiten, da habe ich nicht so einen Spaß dran.
Apropos Spaß: Was ist für Sie Ironie?
Ein Stilmittel. Und eine Möglichkeit, die Dinge nicht so nah an mich ranzulassen.
In Ihrer Sendung ist Ironie auch ein Arbeitsmittel.
Ja, aber ich sage nicht: Ich wende jetzt Ironie als Arbeitsmittel an. Sie ist für mich ein Schutz, auch im Alltag, und deswegen benutze ich den auch beruflich.
Sind Sie auch in Ihrer Familie ironisch?
Wenig.
Mit den Kindern?
Bei Kindern kann man Ironie nicht anwenden, die brauchen es eins zu eins.
Wem würden Sie zu mehr Ironie raten?
Das kann man keinem verordnen, weil es eine Lebenshaltung ist. Da muss was dahinterstehen. Sie können ja nicht plötzlich ironisch tun - dann wird es anstrengend. Man muss einfach sagen, man hat eine gewisse Distanz zu den Dingen. Dann ist man auch nicht so überrascht, wenn gewisse Sachen eintreten, die bisher immer nur anderen passiert sind. Zum Beispiel, wenn man aus der Firma fliegt oder krank wird. In solchen Momenten muss man sagen: Hoppla, ich jetzt auch!

Sie sind katholisch erzogen worden. Gehen Sie noch in den Gottesdienst?
Ja.
Wann waren Sie zuletzt da?
An Weihnachten.
Dann könnte man ja mal wieder ...
Ja, ist eine Weile her, aber ich gehe an Weihnachten wieder. Insofern sage ich, ich gehe regelmäßig.
Rechnen die mit Ihnen in Ihrer Gemeinde?
Ich gehe nicht in meine Gemeinde, ich gehe in den Kölner Dom, wo ich den Worten von Kardinal Meisner lausche.
Dann sind Sie angetan, berührt?
Berührt nicht, aber ich erlebe da jemanden, der hinter der Sache steht. Und so eine Messe im Dom ist einfach wahnsinnig beeindruckend, das Gebäude an sich, die Musik, die Orgel, die Kälte. Es ist unfassbar kalt - die Leute bringen Decken mit. Es ist zwar knallevoll, aber durch die Pelze kommt man ja nicht so dicht ran an den Nachbarn.
Sind Ihre Kinder getauft?
Ja.
Warum?
Weil wir ja katholisch sind.
Man kann trotzdem eine Wahl treffen.
Aber das ist schon wieder so angestrengt. Ich meine, egal welcher Religion ich zugehörig bin, dann praktiziere ich das.
Glauben Sie, dass Gott Humor hat?
Gott hat keinen Humor nötig.
Dann zeigt er also auch keinen?
Wenn ich jetzt sage, wo Gott seinen Humor zeigt, wird man mir das wieder als Zynismus auslegen.
Wo wir beide gerade so offen sprechen, verrate ich Ihnen etwas: Ich mache meinen Job sehr gern, aber auch wegen des Geldes. Und Sie?
Natürlich ist das Geld wunderbar, aber ich wollte ja immer einfach nur ein Star werden. Das war mein Antrieb. Geld ist okay, aber der Ruhm war mir wichtiger.
Wie spürt man Ruhm?
Aufdringliche Menschen rammen Ihnen ein Fotohandy ins Gesicht.
Aber das mögen Sie doch gar nicht!
Am Anfang wusste ich nicht, dass es so kommen würde, das hat mir ja keiner gesagt. Ich dachte, Ruhm wäre etwas anderes - so wie bei Gisele Bündchen.
Lange Beine haben Sie auch ...
Aber ich hatte nie etwas mit Leonardo DiCaprio.

Seit wann genau wussten Sie, dass Sie ein Star werden wollten?
So mit 15 Jahren.
Sie wollten nie Feuerwehrmann werden, wie andere Jungs?
Nein, viel zu heiß. Und Hand am Schlauch gibt es ja auch in meiner Branche.
Kürzlich haben Sie bedauert, dass Ihr Kollege Günther Jauch weniger Lebensqualität habe als Sie selbst. Was macht Lebensqualität für Sie aus?
Dass ich sagen kann, mich interessiert dieses oder jenes Thema. Ich muss nicht so auf die politische Bedeutung achten wie Günther.
Haben Sie eigentlich Haustiere? Die sollen die Lebensqualität deutlich steigern ...
Ja, sagte man mir. Aber habe ich nicht, weil: Wer soll sich drum kümmern?
Die Kinder.
Äh, stimmt. Aber das müsste man ihnen ja erst mal sagen. Und ich sehe bei Bekannten auch, dass das Interesse am Tier nach fünf Minuten erlischt. Schlachten will man es auch nicht. Das heißt: Dann geht der Ärger also los.
Was treibt Sie an, eine neue Show bei Sky zu starten?
Ich wollte einfach permanent meine Late-Night-Show machen. Und dann ist das wie bei Fußballspielern. Wenn der eine Verein sie nicht mehr haben will, suchen sie sich einen anderen.
Auch Thomas Gottschalk will immer weitermachen. Hätten Sie ihm dazu geraten, mit Dieter Bohlen und Michelle Hunziker in die "Supertalent"-Jury zu gehen?
Ich würde mir niemals anmaßen, Tommy etwas zu raten. Er ist einer der erfahrensten Entertainer überhaupt und weiß genau, was er macht. Und selbst, wenn er nicht genau weiß, warum er es macht - egal! Soll er auf dem Schloss die Cappuccino-Tassen putzen oder was? Ich kann gut verstehen, dass er weitermacht. Auf die drei freue ich mich sehr, weil ich jeden für sich sehr mag. Ich hoffe wirklich, sie legen sich keine falschen Hemmungen auf und geben richtig Gas - Tommy gegen Dieter und Dieter gegen Tommy!
Wer gewinnt?
In jedem Fall das Publikum, wenn die zwei sich nicht bremsen.
Sie haben mal gesagt, Erfolg sei für Sie, "wenn ich Konkurrenten untergehen sehe". Stimmt das noch?
Das ist mir mittlerweile zu angestrengt ehrgeizig. Das hat vielleicht auch mit dem Älterwerden zu tun. Irgendwie mag ich auch alle. Ich sehe die ja immer im Flugzeug oder in Hotels oder in Bars. Und dann kann ich eigentlich mit jedem einen tollen Abend verbringen, solange der mich nicht fragt: "Wie findest du eigentlich meine Sendung?" Weil - dann käme ich ins Trudeln, oder ich müsste sagen: "Scheiße. Und jetzt trinken wir weiter."
Worüber sprechen Sie mit Dieter Bohlen?
Da würde ich sagen: "Dieter, wie geht es? Wohnst du noch in Hamburg? Noch auf Mallorca? Und was machen die Kinder? Hast du noch dein Boot?" Also so Nachbarschafts- Talk.
Wie findet es Ihre Partnerin, dass Sie weiter arbeiten?
Wir reden nicht über den Beruf. Null.
Wie kommt's?
Weil der Beruf, in dem Moment, in dem ich das Studio verlasse, für mich abgehakt ist. So mitredende Ehefrauen, das finde ich unerträglich. Ich möchte auch nicht die Meinung von Ehefrauen aus meinem Bekanntenkreis hören. Dann sage ich: "Du bist eine Fernsehzuschauerin, du kannst denken, was du willst, aber sag es mir nicht. Letzten Endes verstehst du nichts davon."
Aber wenn es doch Ihre Zuschauerin ist - darf sie trotzdem keinen Kommentar abgeben?
Sie darf mir als neutrale Zuschauerin alles sagen, aber nicht als befreundete Ehefrau. Es sagt ja auch nicht die Zahnarztgattin dem Zahnarzt, wie er seinen Job machen muss.
Was mögen Sie an sich?
Dass ich mich selber akzeptiere. Ich gehe möglichst unangestrengt durch den Tag.
Unangestrengt mögen Sie?
Ja. Viele Leute sind ja so angestrengt, sie müssen hier und dort hin, haben 140 E-Mails zu checken und so.
Sind Sie im Alter reif geworden?
Das klingt so nach "etwas erkannt haben" und Lebenswerk und so. Nee.
Ist es dann schlicht das Alter, das Sie so unaufgeregt wirken lässt?
Auch der Kontostand, ehrlich gesagt. Andrea Schumacher