Als Doris Schröder-Köpf den Konferenzraum im TUI-Haus in Hannover betritt, geht ihr erster Blick nicht zu den Kameras und Journalisten, die dort auf sie warten. Sie steuert direkt eine Gruppe arabischer Männer an und schüttelt allen zur Begrüßung die Hand. Ihre Botschaft ist eindeutig: Es soll hier um die Geflüchteten gehen, die zeigen wollen, was sie in einem von der TUI-Stiftung initiierten Deutschkurs gelernt haben – und nicht um sie, die ehemalige Kanzlergattin.
Zwar sind Gerhard Schröder und die 52-Jährige seit einem Jahr getrennt, er ist aus dem gemeinsamen Haus in eine Wohnung in der Nähe gezogen. Aber er bleibt weiter präsent. Kritiker werfen Doris Schröder-Köpf vor, durch seinen Namen politische Karriere gemacht zu haben. Mag sein, dass der ihr half, dahin zu kommen, wo sie heute ist. Im Gespräch mit den Männern, die aus Kriegsgebieten geflohen sind, hilft er nicht. Hier gewinnt die zierliche Blondine, weil sie genau zuhört, als ein Familienvater schildert, wie er von Taliban misshandelt wurde. Und weil sie einen Afrikaner ermuntert, sich in ihrem Büro zu melden, wenn er weitere Hilfe brauche. Schröder-Köpf ist im Land Niedersachsen ehrenamtlich für Migranten zuständig und offensichtlich mit ganzem Herzen bei der Sache. Später in ihrem Büro in Hannovers City erzählt sie GALA, wie sie das Arbeitspensum mit ihrer Familie vereinbart und welche Rolle Gerhard Schröder dabei spielt.

Was können Sie als Landesbeauftragte für Migration überhaupt erreichen?
In der Kombination mit meinem Landtagsmandat habe ich ausreichend Wirkungsmöglichkeiten. Als Abgeordnete bin ich ja auch Haushaltsgeberin – und für viele der Integrationsmaßnahmen müssen wir natürlich auch Geld bereitstellen. Nur gute Ideen zu haben hilft nicht. Aber ich habe das große Glück, dass ich in unserer Koalition keine einsame Kämpferin bin. Das gesamte Kabinett und alle Abgeordneten sehen die Größe der Aufgabe und kümmern sich.
Integration funktioniert über Sprache, aber was braucht es weiter?
Ich persönlich glaube, dass es für die Menschen, die altersmäßig jenseits der Schulpflicht sind, entscheidend ist, direkt in die Betriebe zu kommen und Kontakt an einem Arbeitsplatz zu haben. Das gibt dem Tag Struktur, und die Geflüchteten bekommen ein Gefühl für diese neue Welt. In Deutschland definiert man sich ja stark über Arbeit und nicht so sehr über Familienstrukturen, wie es in manchen Herkunftsländern von Geflüchteten der Fall ist. Eine Arbeit zu haben hilft in Deutschland wahrscheinlich mehr als anderswo, schnell Teil der Gesellschaft zu werden.
Oft haben Kinder mehr Berührungspunkte mit Menschen mit Migrationshintergrund. Ist das bei Ihren Kindern auch so?
Unsere Familie hat Freunde und Bekannte in und aus der ganzen Welt. Auch unterschiedlichen Glaubens. Zwei enge Freunde meines Sohnes haben Eltern, die aus der Türkei stammen. Der Freundeskreis meiner Großen ist eh international. Für die Kinder sind Herkunft oder Glaube aber kein großes Thema. Es sei denn, wir sind zu einem religiösen Fest eingeladen oder wie bei der Erstkommunion meiner Kinder Gastgeber.
Für Ihre Generation ist es ein Thema.
Ja klar. Ich bin 52. Wir sind ja ganz anders aufgewachsen. Das war ein anderes Deutschland. Wir sind quasi durch die Hintertür zu einem der größten Einwanderungsländer der Welt geworden, ohne die Debatte darüber mit den Bürgerinnen und Bürgern ausreichend zu führen. Deshalb fühlen sich viele Menschen auch übergangen. Unabhängig von den Menschen, die bei uns aufgrund von Kriegen Zuflucht suchen, sind wir durch unsere starke Wirtschaft für viele Menschen aus anderen EU-Ländern attraktiv. Und das ist auch gut so, dass wir so beliebt sind, denn wir brauchen diese Arbeitskräfte.
Ihre Kinder sind 25, 15 und 10 Jahre alt. Die Jüngeren haben Sie aus Russland adoptiert. Spielt das noch eine Rolle?
Kinder sind Kinder. Wenn sie klein sind, gibt es keinen "kulturellen Hintergrund", der entsteht ja erst im Laufe der Jahre, im Laufe des Lebens. Alle Kinder, die jetzt aus anderen Ländern bei uns ankommen, können Niedersachsen werden. Und so war das auch bei uns: Als wir unsere Kinder aufgenommen haben, wurden wir zu ihrer Familie. Sie sind Niedersachsen mit Interesse an Russland und stolz darauf, dass sie in einer der schönsten Städte der Welt, St. Petersburg, geboren sind. Meine Große findet ihren Geburtsort New York auch nicht schlecht.
Welchen Glauben leben Ihre Kinder?
Meine jüngere Tochter ist russisch-orthodox getauft worden. Aber ich hätte sie als Katholikin nicht mit diesem Glauben vertraut machen können. Also sind unsere Kinder katholisch geworden. Das war auch kein Problem: Die katholische Kirche erkennt die russisch-orthodoxe Taufe an.
Sie wurden vorhin von einem Flüchtling nach Ihrer Familie gefragt. Ihre Antwort: ein Mann und drei Kinder. Ist das so?
(lacht) So habe ich es gesagt: Ich habe einen Mann und drei Kinder.
Unterstützt Ihr Mann Sie bei der Kinderbetreuung?
Ja, er hilft. Wir haben beispielsweise die Vereinbarung, dass er keinen Termin außerhalb von Hannover wahrnimmt, wenn ich Plenarsitzung habe. Die rot-grünen Regierungsfraktionen haben eine Ein-Stimmen-Mehrheit. Da darf kein Abgeordneter das Haus verlassen. An diesen Tagen ist mein Mann zuständig. Sonst wird gehandelt und gefeilscht. Manchmal sind wir uns auch nicht einig, wer seinen Termin zuerst eingespeist hat. (lacht)
Haben Sie einen digitalen Familienkalender, auf den beide Zugriff haben?
So in etwa.
Arbeiten Sie mehr seit der Flüchtlingskrise?
Ja. So wie die anderen auch, die mit dem Themenfeld zu tun haben. Das Innenministerium, das Sozialministerium, die Kommunen. Ich kann bestimmte Aufgaben auch nicht delegieren, da vieles an mich als Person gebunden ist.
Haben Sie schon mal bereut, in die aktive Politik gegangen zu sein?
Nie. Ich habe mir das vorher ja reiflich überlegt.
Werden Sie für Ihr Engagement auch angefeindet?
Ja. Aber das kenne ich schon aus der Zeit, als mein Mann Bundeskanzler war. Besonders wenn ich mich für Muslime einsetze, geht wieder eine große Welle dieser "Post" bei mir ein.
Werden wir Sie auch bundesweit erleben?
Ich arbeite mit den Kollegen aus den anderen Bundesländern und mit der Bundesbeauftragten eng zusammen. Wer will, kann meine Positionen also bundesweit wahrnehmen.
Also bleiben Sie in Niedersachsen?
Ja. Sehr gerne.