Wenige Tage später wird sie beim Hamburger Landgericht Klage gegen Günther Jauch und Google einreichen,
sie wird Thema in den Hauptnachrichten sein, und ganz Deutschland wird, wieder mal, über sie diskutieren. Doch beim "Gala"-Termin in Duderstadt bringen weder das Kopfsteinpflaster unter ihren High Heels noch die neugierigen Blicke der Bewohner sie aus der Ruhe. Bettina Wulff weiß, wohin sie will - an diesem Tag zunächst mal durch die Fußgängerzone des südniedersächsischen Städtchens, vom Rathaus in das nahe gelegene Hotel "Zum Löwen". Dort wird sie im "Gala"-Interview von ihrem nächsten Ziel erzählen und warum sie dafür ihr Buch "Jenseits des Protokolls" (Riva Verlag) schreiben musste, das diese Woche erschien.
Ein Buch, das schon vorab für Wirbel sorgte. Vor allem deshalb, weil die ehemalige First Lady darin erstmals zu den Gerüchten über ihr angebliches Vorleben im Rotlichtmilieu Stellung nimmt. Gerüchte, gegen die sie jetzt auch mit juristischen Mitteln kämpft. Wie ihr Anwalt Gernot Lehr bestätigte, klagte Bettina Wulff gegen zahlreiche Stellen, die in der Vergangenheit entsprechende Gerüchte verbreitet hatten, nun auch gegen Talkmaster Günther Jauch und den Internet-Konzern Google. Außerdem legte sie vor Gericht eine eidesstattliche Erklärung ab, dass sie niemals als Prostituierte oder Escort-Dame gearbeitet habe. Ein ungewöhnlicher, ein mutiger Schritt für eine ehemalige Präsidentengattin. Aber auch eine Art später Befreiungsschlag und der Versuch, ihren guten Ruf wieder herzustellen. n
Warum haben Sie dieses Buch gerade jetzt geschrieben?
Ich habe in den letzten Jahren viele Dinge hingenommen aus Respekt vor der Position meines Mannes. Und natürlich auch aus Respekt vor dem Bundespräsidentenamt. In dieser Zeit war diese Art von eigener Darstellung nicht angebracht. Jetzt, wo diese Zeit vorüber ist, hatte ich das Gefühl, für meine Familie und für meine Kinder die Dinge noch einmal ins rechte Licht rücken zu müssen. Das Internet vergisst nichts, und dort wurden Dinge über mich verbreitet, die schlichtweg gelogen und erfunden sind. Und deshalb dachte ich, ich schreibe es einfach mal richtig auf. Ich würde mich freuen, wenn es noch einige andere Menschen interessiert, wie es wirklich war. Und ich möchte dann damit abschließen und in Frieden lebend Neues angehen können.
Zunächst sollte Ihr Buch ja "Meine Sicht der Dinge" heißen ...
Ich erzähle darin, wie es sich anfühlt, wenn man die Frau des Kandidaten fürs Bundespräsidentenamt ist und dann kurze Zeit später die Frau des Bundespräsidenten. Ich erzähle, wie es für mich war, mit einer Familie mit zwei kleinen Kindern dieses Amt mit wahrzunehmen, und wie ich versucht habe, es bestmöglich auszufüllen. Und dass die öffentliche Wahrnehmung dadurch verschärft wird. Ich beschreibe, wie ich versucht habe, eine Balance zu finden, das Privat leben nicht völlig aufgeben zu müssen und eben auch noch Mutter sein zu können.
Was ist Ihr nächstes Ziel?
Eigentlich bin ich da schon voll dabei: meine Selbstständigkeit. Ich kann mein Leben wieder freier leben. Und ich möchte wieder in die Öffentlichkeit gehen können, wenn ich es will, aber auch Nein sagen können, wenn ich es nicht mehr möchte.
Sie haben bei den Paralympics gearbeitet, mussten Ihren Aufenthalt in London aber für zwei Tage unter brechen. Was hat Sie nach Duderstadt geführt?
Ich bin bei den Paralympics für die Öffentlichkeitsarbeit des Prothesenherstellers Ottobock tätig, und auch hier in Duderstadt unterstütze ich meinen Auftraggeber - in persona Herrn Professor Hans Georg Näder, der gemeinsam mit Peter Maffay und dessen Stiftung ein Kinderhaus eröffnet hat. Hier sollen sich Kinder erholen, die noch nie im Urlaub waren oder in schwierigen familiären Umständen leben. Parallel da zu fand das Symposium "Schutzräume für Kinder" mit Musikern wie Wolfgang Niedecken und Geistlichen wie Margot Käßmann statt, und in einem Zeltlager waren hier Jugendliche aus Israel, Palästina, Spanien und Deutschland, um über Kinderrechte zu diskutieren.
Wie geht es Ihnen damit, wieder berufstätig zu sein?
Es ist ein sehr gutes Gefühl, weil ich mich vor vier Monaten selbstständig gemacht habe. Ich tue jetzt das, was ich vorher im Angestelltenverhältnis für Continental und Rossmann gemacht habe. Nun habe ich die Freiheit und manchmal auch die Last, mir meine Arbeitgeber selbst zu suchen, und kann dadurch selbstbestimmter arbeiten. Das heißt, ich arbeite mal am Stück drei Wochen, um dann wieder die nächsten zwei Wochen zu Hause mit meinen Kindern zu sein. Das schätze ich sehr.
Sie genießen also die Doppelrolle als berufstätige Mutter?
Für mich stand nie zur Diskussion, nicht mehr zu arbeiten. Das ist natürlich eine Entscheidung, die jede Frau für sich selbst fällen muss. Für mich war allerdings von Anfang an klar, dass ich die ersten Monate zu Hause bin, auch um die Grundbeziehung zum Kind aufbauen zu können. Nach der ersten Elternzeit (Anm. d. Red.: Bettina Wulffs ältester Sohn Leander ist jetzt neun Jahre alt) hat sich aber gezeigt, dass ich erst zufrieden bin, wenn ich beides leben kann. Nur zu Hause zu sein macht mich unleidlich, auch den Kindern gegenüber. Vollzeit zu arbeiten hingegen lässt mich ganz viele Dinge im Leben vermissen. Und eigenes Geld zu verdienen, ein Stück weit finanziell unabhängig zu sein, ist mir auch wichtig.
Während des Symposiums ging es um Kinder. Wo sind Ihre Kinder heute?
Wir haben beide mitgebracht. So erleben sie, was ihre Mama macht.
Ihr Mann hat hier vor den Jugendlichen gesprochen. War das sein erster öffentlicher Auftritt seit seinem Rücktritt im Februar?
Nein, er war auch schon auf anderen Veranstaltungen. Hier war er als meine Begleitung mit eingeladen, dann musste Hans-Dietrich Genscher als Redner kurzfristig absagen, und mein Mann ist eingesprungen.
Sie arbeiteten während der Paralympics in den Werkstätten von Ottobock täglich mit Menschen mit Behinderungen. Hatten Sie anfangs Sorge, sich falsch zu verhalten?
Ja, es ist natürlich für jemanden, der damit nicht täglich umgeht, erst mal schwierig. Ich war unsicher und habe mich zurückgehalten. Ich habe mir einfach angeschaut: Wie gehen die Athleten miteinander um, wie möchten sie wahrgenommen werden? Und meine Kollegen, die nun schon mehrere Paralympics betreut haben, haben mir geraten, einfach zu fragen, was die Sportler möchten, ob sie ihre Geschichte erzählen mögen oder lieber nicht. Sich ein Herz fassen und einfach hingehen - das ist, glaube ich, auch der Schlüssel im Umgang zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Ich empfinde Hochachtung und auch Demut, wenn ich Athleten kennenlerne, die trotz schwerer Krankheit oder trotz eines Unfalls neuen Lebensmut gefunden haben und so unglaubliche Leistungen vollbringen.
Stärke und der Wille wieder aufzustehen - das sind Dinge, die man auch Ihnen nachsagt. Oder haben Sie gar nicht am Boden gelegen?
Nein.
Sie haben einige Kollegen überrascht, als Sie nach Bekanntwerden der Affäre um Ihren Mann ausgerechnet auf einem Empfang der Springer-Presse den ersten öffentlichen Auftritt hinlegten. Scheinbar ganz cool.
Wer sich darüber wohl am meisten gewundert hat, war Ihr Chefredakteur.
Sie haben ihn wohl beeindruckt.
Dafür hat er mich ja auch ziemlich attackiert. Ich erinnere mich noch an eine Schlagzeile. Aber ich bin nicht nachtragend, das ist mein großer Vorteil. (lacht)
An was denken Sie da?
Ich werde nie diesen "Gala"-Titel "Vom Glanz verführt" vergessen, auf meinen angeblichen Ehrgeiz abzielend. Es klang so, als hätte ich meinen Mann nach vorne gepusht. Und weiter, was das für Probleme mit sich bringt, wenn man mit so einer Frau zusammen ist. Das habe ich wahr genommen. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, das wäre an mir vorbeigegangen. Aber ich kann mir immer nur selber sagen, so bin ich nicht. Und die Menschen, die mich kennen, die wissen das auch.
Warum erklären Sie uns jetzt nicht einfach, wie Sie wirklich sind?
Erst mal hat es damit zu tun, wie viel Sie von sich preisgeben wollen. Und wenn Sie sowieso schon unter öffentlicher Beobachtung stehen, müssen Sie irgendwo die Grenze ziehen. Dann müssen Sie dicht machen und sich Ihren Kern, den letzten Rest an Privatheit oder, wenn das schon hinüber ist, wenigstens noch die Intimsphäre im weiteren Sinne er halten. Deswegen würde ich mich darüber nie ganz äußern. Das geht eben nur noch meine Familie, meine Freunde und mich etwas an. Und der Rest steht dann im Buch. (lacht) Andrea Schumacher