Frau Loos, bei "Wutfänger" sind Sie federführend bei den Songtexten gewesen. Wie kam es dazu?
Der Großteil der Texte ist von mir, das war auch mein Impuls. Silly war ja immer eine Band, die immer was zu sagen hatte und hat und immer eine Haltung zu haben und die auch zu zeigen. Dadurch, dass sowohl Musik als auch die Texte innerhalb der Band entstanden sind, wurde das Album noch authentischer.
Und da werden dann ganz heiße Eisen angepackt: Kindesmissbrauch, Neid, Rechtsruck, Schönheits- und Optimierungswahn. Den deutschen Zeitgeist, den ihr mit dem Album abbildet, ist ja recht ernüchternd.
Wir sind keine Nation, die sich am Wochenende mit einer Tasse Tee auf die Terrasse setzt und sagt: Mann, was geht es uns geil. Danke dafür, was das Leben und das Universum uns gegeben hat. Wir beklagen uns eher darüber, was nicht so gut läuft und was der andere hat und man selbst nicht. Ich weiß nicht vorher das kommt. Als wir vor zwei Jahren angefangen haben mit dem Album, haben wir schon gesagt: Mensch Leute, passt auf, sonst gibt es hier eine Mega-Rechtsruck im Land. Und jetzt wundern sich alle, dass die AfD solche Erfolge einfährt. Ich habe nicht vor vielen Sachen Angst, aber vor dieser Bewegung habe ich Angst. Wir haben alle in der Band Kinder und wollen nicht in einem Land leben, in dem Rechtspopulismus an der Tagesordnung steht.
Aber vielen Menschen geht es ja auch nicht gut in unserem Land, allein die Statistiken zu Kinderarmut in Deutschland lassen einen sprachlos. Haben Sie Verständnis für die Wutbürger Deutschlands?
Es ist ein Fehler, Menschen zu kategorisieren. Ich verstehe die Menschen, die Angst haben, aber ich verstehe es nicht, die AfD zu wählen. Dem Gros von Deutschland geht es gut, aber die Armut bei Kindern und bei alten Menschen ist erschreckend und sorgt für Angst und Unsicherheit. Hier ist die Politik gefragt, den Menschen diese Angst zu nehmen. Ein Satz wie "Wir schaffen das" ist geil, aber dann müssen allerdings auch Sätze folgen, die erklären wie wir es schaffen werden.
Sie haben zwei Töchter. Ist Tagespolitik zu Hause ein Thema?
Die kriegen sehr viel mit, sie gehen ja beide auf eine internationale Schule. Da gibt es viele Mitschüler, die aus Krisengebieten kommen. Da ist es klar, dass da viele Themen aufkommen, die auch zu Hause besprochen werden.
Damals als Teenager haben Sie ihr Geld zusammengespart, um Gesangsunterricht zu nehmen...
Ja, ich bin dafür arbeiten gegangen, aber meine Eltern fanden das mit dem Gesang doof und unnütz. Singen und Musik war immer eine Vision von mir. Richtig professionell mache ich das aber erst seit meinem Beginn bei Silly, wo ich meine musikalische Heimat gefunden habe.
Der Name Silly ist ja untrennbar mit der DDR verbunden. Wie wichtig ist 2016 für die Band dieses Erbe?
Ich finde es merkwürdig, dass diese Frage immer aufkommt, weil die Band Silly, mal ab "Mont Klamott" gerechnet, nach der Wende länger Musik macht als Silly in der DDR. Die Band hat sich neu erfunden und immer noch kommt diese Frage auf. Man kann heute überhaupt nicht mehr sagen: Silly ist eine DDR-Band, weil die DDR gibt es ja nicht mehr. Klar sind unsere Wurzeln im Osten, aber Silly steht für mich im Heute und im Jetzt, sowohl musikalisch als auch inhaltlich. Die DDR ist tot und als Künstler interessieren uns die Themen, die leben.
Im Oktober geht die Tour los. Was erwartet die Band?
Es ist ein bisschen der Lohn für die ganze Arbeit. Für die Fans live zu spielen, ist einfach das Schönste. Was wir versprechen: Wir werden es richtig krachen lassen.