Das gab es vorher noch nie: Mit Horst Köhler hat am Montag in Berlin erstmals ein Bundespräsident während einer Amtslaufzeit seinen Rücktritt erklärt. Aus Respekt vor dem Amt trete er mit sofortiger Wirkung zurück, sagte Köhler. Er teilte außerdem mit, er habe Bundesratspräsident Jens Böhrnsen (SPD) über seinen Schritt informiert. Dieser übernimmt vorübergehend die Amtsgeschäfte.
Bei der Pressekonferenz an Horst Köhlers Seite stand seine Frau Eva Luise. Sie konnte wie die Medienvertreter beobachten, dass Horst Köhler mit bewegter Stimme und stellenweise unter Tränen kurz und knapp Stellung nahm zu den Vorwürfen, er habe grundrechtswidrige Militäreinsätze befürwortet. Dieser Vorwurf entbehre jeder Rechfertigung, sagte das Staatsoberhaupt, und ließe auch den Respekt für sein Amt vermissen.
Köhler hatte nach seiner Rückkehr von einem Truppenbesuch in Afghanistan in einem Gespräch mit Deutschlandradio Kultur geäußert, die Gesellschaft verstehe allmählich, dass ein Land wie die Bundesrepublik "mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit wissen muss, dass im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren". Das war neben einigen anderen Sätzen in diesem Zusammenhang auf Kritik gestoßen und so interpretiert worden, dass Köhler den umstrittenen Afghanistan-Einsatz als Wirtschaftskrieg gutgeheißen haben möchte. Später hatte ein Sprecher des Bundespräsidenten präzisiert, Köhler habe an der Stelle nicht Afghanistan gemeint, sondern beispielweise Einsätze gegen die Piraten in Somalia.
Sofort nach seiner Stellungnahme verließ Köhler, der erst im vergangenen Jahr als Präsident wiedergewählt worden war, Schloss Bellevue in einem Wagen. Nach den gesetzlichen Vorgaben muss nun innerhalb von 30 Tagen die Bundesversammlung für die Wahl eines neuen Präsidenten einberufen werden.
cfu