Es ist das ganz große Glück
- und eine Riesenverantwortung zugleich. Vor knapp zwei Wochen brachte Drew Barrymore ihr Töchterchen Olive zur Welt. Kurz darauf erklärten Drew und ihr Mann Will Kopelman, dass die Kleine gesund und die gesamte Familie überglücklich sei. Mehr gäbe es im Moment nicht zu sagen - in aller Ruhe wollen sich die Eltern nun erst einmal dem kleinen Wunder in ihrer Mitte widmen. Denn so riesig die Freude bei Drew Barrymore ist, so groß ist auch ihre Unsicherheit. Aus dem Umfeld der Schauspielerin wird berichtet, dass sie großen Respekt vor ihrem neuen Leben als Mama hat - zu genau weiß Drew, das einstige "Wild Child" von Hollywood, was elterliche Fehler kaputt machen können. Legendär ist ihre Biografie: "E.T."-Star mit sieben Jahren, Zigaretten mit neun, Alkohol mit elf, Kokain mit 12. Der erste Entzug mit 13, der zweite nach einem Suizidversuch mit 14 Jahren. Es wäre zu billig, allein dem Showbiz die Schuld für Drews frühere Probleme zu geben. Oder allein ihren Eltern. Gemeinsam aber hatten Job und Familie eine unheilige Allianz geformt.
Drew ist die Tochter von Jaid und John Barrymore, beide Schauspieler, beide exzentrisch - und beide hatten sich kaum noch etwas zu sagen, als Drew vor 38 Jahren zur Welt kam. Was folgte, war das Gegenteil einer geborgenen Kindheit. Der Vater war meist weg und laut Drew vorrangig daran interessiert, "sein eigenes Ding" zu machen, die Mutter irrlichterte als Möchtegern-Diva herum, mit großen Plänen für ihre Tochter. So wurde Drew mit gerade mal elf Monaten zu ihrem ersten Werbeshooting getragen. Später nahm Jaid ihr Töchterchen dann gern mit auf Kneipentouren. All das war in jeder Beziehung ungesund - und der Bruch mit den Eltern unausweichlich. Drew weiß also aus eigener Erfahrung sehr genau, was eine Mutter nicht machen sollte. Aber inwiefern sind schlechte Erfahrungen für eine junge Mutter auch belastend? Dr. Michael Grube, Chefarzt für Psychiatrie am Klinikum Frankfurt Höchst, erklärt: "Um dem eigenen Kind eine natürliche Mütterlichkeit entgegenbringen zu können, ist die eigene Erfahrung einer positiven Mutterbeziehung allemal wünschenswert. Denn auch wenn die Mutter-Kind-Bindung biologisch durch hormonelle Faktoren gefördert wird: Optimalerweise haben Frauen ein internalisiertes Vorbild wie die eigene Mutter - oder zumindest eine Erfahrung mit einer Person, die ihnen eine positive Mütterlichkeit entgegengebracht hat. Das gibt einem im Umgang mit den eigenen Kindern einfach ein gutes Stück innere Sicherheit."
Fehlt diese Erinnerung, so sei das per se kein Drama. Aber: "Diese Frauen tun sich häufig schwerer mit dem Muttersein. Denn sie konnten keinen positiven Erfahrungshintergrund aufbauen. Im schlimmsten Fall müssen sie sogar gegen die eigenen schlechten Erfahrungen anarbeiten." Wichtig für Drew ist es nun, auf die eigene Stärke zu vertrauen, denn allein die erstmalige Mutterschaft ist für viele Frauen eine immense Belastung. Grube berichtet von einer Studie seiner Klinik, die ergeben habe, dass gerade erstgebärende Mütter häufig ein gefährlich anspruchsvolles Selbstideal aufbauen. Besonders leistungsorientierte Frauen würden sich selbst zu viel Druck machen - einfach alles soll perfekt sein. Das Problem: "Je höher die Erwartungen sind, desto größer ist das Risiko sich selbst unter Druck zu setzen und zu scheitern. Die Gefahr, durch so eine Situation dann den Zugang zum Kind, zum Partner und zur neuen Lebensaufgabe zu verlieren, ist relativ groß." Und durch negative Kindheitserinnerungen wie bei Drew wird diese Gefahr nicht kleiner ...

Dass Drew Barrymore Mama "kann", scheint dennoch sicher. Gerade weil sie ihre Probleme aus der Jugend bereits aufgearbeitet hat. Mit ihrem Vater sprach sie sich kurz vor dessen Tod vor acht Jahren aus, und mit ihrer Mutter herrscht inzwischen zumindest ein respektvoller Umgang. Vertrauen aber schenkt sie ihrer "Ersatzfamilie": Im Clan ihres Mannes Will hat Drew den Rückhalt gefunden, der ihr früher fehlte. Von seiner Mutter Coco ließ sie sich bei der Hochzeitsplanung helfen. Vater Arie hat sie als Ratgeber und Freund mindestens ebenso ins Herz geschlossen. Die Zeit der Unruhe ist also vorbei. Stattdessen liebt Drew ihr Leben als All-American-Housewife. Freiwillig sitzt sie hinter dem Lenkrad des Familien-SUV, Will steuert unterdes den Porsche-Sportwagen. Längst ist das Haus babysicher eingerichtet. Dem Vernehmen nach sucht Drew sogar nach einem neuen Anwesen - einem Zuhause für all die gemeinsamen Erlebnisse und Erinnerungen, die sich die Familie künftig teilen wird. Und eines steht für Drew Barrymore ohnehin fest: Sie wird ihrer Tochter alles ermöglichen, aber niemals unnötigen Druck machen.
Denn in einem Punkt unterscheiden sich Drew und ihre unsteten Eltern ganz besonders. John und Jaid Barrymore wird es als größte Lebensleistung angerechnet, dass sie Drew gezeugt haben. Bei ihrer Tochter ist das anders. Geleistet hat sie schon unendlich viel. Die kleine Olive aber ist keine Leistung. Sie ist ihr Lebensglück. Alexander Stilcken