Es klingt wie die Handlung eines "James Bond"-Films: Der ehemalige Chef der Automobilhersteller-Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi, Carlos Ghosn, 65, soll in einem Instrumentenkoffer von Japan in den Libanon geschmuggelt worden sein. Die spektakuläre Flucht sei kurz vor Beginn des Prozesses gegen den wegen Finanzdelikten angeklagten Manager gelungen.
Im Instrumentenkoffer versteckt
Wie Medien übereinstimmend unter Berufung auf den libanesischen Nachrichtensender MTV berichten, sei am Sonntag (29. Dezember) eine als weihnachtliche Musikkapelle getarnte paramilitärische Gruppe in Ghosns Wohnung in Tokio gelangt, wo der frühere Konzernchef sich unter Hausarrest befunden habe. Nachdem sie dort ein Ständchen gespielt habe, habe die Band den Geschäftsmann in einem Koffer für Musikinstrumente versteckt und ihn darin nicht nur aus dem Gebäude, sondern sogar außer Landes schaffen können. Ghosn soll sich auf diese Weise mit einem Zwischenstopp in der Türkei in sein Heimatland, den Libanon, abgesetzt haben, wo auch seine Frau Carole Ghosn, 54, lebt. Wie die "Zeit" unter Berufung auf die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, seien in diesem Zuge in der Türkei bereits sieben mutmaßliche Helfer verhaftet worden, darunter vier Piloten, die Ghosn mit einem Privatjet nach Beirut gebracht haben sollen.

Automanager auf der Flucht
Carlos Ghosn besitzt neben der französischen und brasilianischen auch die libanesische Staatsbürgerschaft. Durch seine Flucht aus Japan entzieht sich der ehemalige Automanager nun einem Gerichtsverfahren und im Falle eines Schuldspruchs möglicherweise auch einer Haftstrafe. Dem "Handelsblatt" zufolge weigere sich der Libanon, seine Staatsbürger an andere Länder auszuliefern. Des Weiteren erlaube das japanische Recht einen Prozess in Abwesenheit des Angeklagten lediglich in Ausnahmefällen.
Schwere Vorwürfe von Carlos Ghosn
Kurz nach seiner Flucht soll Ghosn bereits schwere Vorwürfe gegen das japanische Justizsystem erhoben haben. Laut "Handelsblatt" habe er über den japanischen TV-Sender NHK in einer Stellungnahme gesagt, dass ihm das Land grundlegende Rechte versagt habe und er "nicht länger eine Geisel des manipulierten Justizsystems" sein wolle. "Ich bin dem Unrecht und politischer Verfolgung entkommen", so Ghosn, der seine Unschuld beteuert.
Veruntreuung von Firmengeldern?
Die japanischen Behörden beschuldigen Carlos Ghosn im November 2018, Firmengelder veruntreut zu haben, führten Hausdurchsuchungen bei Nissan durch und nahmen den damaligen Unternehmenschef fest. Ende April 2019 war Ghosn zwar gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen worden, stand aber in Tokio zuletzt unter Hausarrest. Mit seiner Flucht im Instrumentenkoffer könnte ihm nun ein spektakulärer Coup gelungen sein. Mit dem Tweet "Carlos gone" (auf Deutsch etwa: "Carlos gegangen" oder "Carlos weg") fasste auch Tesla-Chef Elon Musk, 48, das skurrile Verschwinden zusammen.
Verwendete Quellen:mtv.com.lb, Financial Times, Handelsblatt, Zeit