Auf Krücken humpelt Boris Becker in den holzvertäfelten Plenarsaal des Frankfurter Römers – die Nachwehen einer Operation am Sprunggelenk. Er trägt einen dunkelblauen Anzug, ein Hemd mit lupenreinem weißen Kentkragen. Becker versucht Souveränität auszustrahlen, denn es gibt Großes zu verkünden: 18 Jahre nach seinem Abgang als Davis-Cup-Teamchef und seinem Zerwürfnis mit dem Deutschen Tennis Bund (DTB) wird er nun zum "Head of Men’s"-Tennis ernannt.
Günther Bosch: "Dieser Job ist für mich ein echtes Rätsel"
Bis zu den Olympischen Spielen in Tokio 2020 wird sich Becker um das Davis-Cup-Team und den Nachwuchs kümmern sowie dem Präsidium beratend zur Seite stehen. "Ich werde die drei Stützpunkte − Hannover, Stuttgart, München − besuchen, Trainingslager durchführen mit Nachwuchsspielern, und ich werde internationale Turniere besuchen", erklärt Becker. Endlich gute Nachrichten für den 49-Jährigen, der am 21. Juni von einem Londoner Konkursgericht für bankrott erklärt wurde. Mittlerweile ist von Schulden in zweistelliger Millionenhöhe die Rede. Laut dem Magazin "Focus" sollen insgesamt 15 Gläubiger Ansprüche gegenüber Becker angemeldet haben. Da kommt so ein Job doch nur gelegen, würde man meinen.
DOCH SEINE SCHULDEN wird Boris Becker durch dieses Engagement nicht tilgen. Denn es handelt sich um ein Ehrenamt! Becker bekommt kein Honorar, nur die anfallenden Reisekosten werden übernommen. Komisch, da Barbara Rittner, 44, als Pendant zu Becker für ihre Position im Damentennis hauptamtlich angestellt ist und sehr wohl finanziell entlohnt wird. Das wirft Fragen auf. Auch Beckers ehemaliger Trainer Günther Bosch, der ihm 1985 zum Wimbledon-Sieg verhalf, wundert sich. Zu GALA sagt er: "Rittner macht das auf Honorarbasis. Was soll das also, dass Boris jetzt ehrenamtlich arbeitet?" Und fügt lachend hinzu: "Ehrenamtlich beim Tennisbund zu arbeiten – das ist wirklich etwas ganz Neues."
Abgesehen davon äußert Bosch noch andere Bedenken: "Eigentlich hatte Boris mit dem Deutschen Tennis Bund lange kein gutes Verhältnis. Zudem ist es ein schwerer Job, das gesamte Herrentennis zu bewältigen. Man hat ja tagtäglich mit den Spielern zu tun. Dort wird nicht nur dreimal die Woche trainiert. So ein Job bedeutet voller Einsatz. Nur Boris wohnt eben nicht in Deutschland – das ist ein Problem. Wie soll er die Spieler überzeugen, was sie gut oder schlecht machen. Am Telefon? Das kann doch nicht funktionieren. Dieser Job ist für mich ein echtes Rätsel." Ex-Tennis-Profi Niki Pilić wiederum kann sich seinen einstigen Weggefährten sehr gut in der neuen Rolle vorstellen.
Nikola Pilić: "Für den Job sollte er Geld bekommen"
"Boris hat die Erfahrung und das Know-how. Er war und ist eine Autorität auf dem Gebiet." Aber warum diese Arbeit ehrenamtlich ausüben? Das versteht Pilić ebenfalls nicht: „Boris macht einen guten und anspruchsvollen Job, er bringt seine Ideen und Gedanken ein. Dafür muss man doch auch entlohnt werden. Wenn Sie mich jetzt persönlich fragen, dann meine ich, dass er dafür Geld bekommen sollte."
DAS INSOLVENZVERFAHREN von Boris Becker läuft zwölf Monate, sofern keine Komplikationen auftreten. Gerade wurde bekannt, dass der staatliche Insolvenzverwalter in London das Verfahren an den privaten Finanzdienstleister Smith & Williamson LLP übergeben hat. Ein üblicher Vorgang bei komplexen Fällen. Ein Team aus drei Leuten überprüft nun, über wie viel Vermögen Becker noch verfügt, um seine Schulden zu begleichen. Im Fall Becker zählt jeder Penny! Der Berliner Rechtsanwalt Markus Goldbach erklärt: "Während einer laufenden Insolvenz wird der Großteil der Einnahmen zur Schuldentilgung verwendet." Ergo: Bekäme Becker Geld vom DTB, ginge dieses nach Abzug der Lebenshaltskosten an die Gläubiger.
Boris Becker: Das sagt sein Anwalt zum Ehrenamt
Warum lässt sich Becker diesen Job also nicht bezahlen? Sein Anwalt Christian-Oliver Moser gibt folgende Antwort: "Weil dies von Anfang an, das heißt seit über einem Jahr, so besprochen war. Diese Absprache gab es schon lange, bevor ein Gläubiger meinte, einen Insolvenzantrag stellen zu müssen." Er fügt hinzu: "Unser Mandant war niemals an einem Honorar für diese Tätigkeit interessiert." Auch der DTB bestätigt auf Nachfrage von GALA: "Man hat sich mit Herrn Becker von vornherein auf eine ehrenamtliche Zusammenarbeit geeinigt."
KURIOS: AUF DIE FRAGE, ob Beckers ehrenamtliche Tätigkeit in eine bezahlte umgewandelt werden kann, heißt es: "Eine Umwandlung in eine bezahlte Tätigkeit ist derzeit nicht vorgesehen." Sprich: Was nicht ist, kann ja noch werden. Irgendwann wird Becker auch wieder in seine eigene Tasche wirtschaften können. Trotzdem: Aus moralischer Sicht hätte Boris Becker jetzt erst recht ein Honorar aushandeln müssen. Die oberste Prämisse sollte eigentlich bei der Rückzahlung seiner Schulden liegen. Doch einsichtig zeigte er sich schon nach dem Gerichtsurteil nicht. "Ich bin weder zahlungsunfähig noch pleite", sagte er Ende Juni der "Süddeutschen Zeitung". Und er lebt weiter auf großem Fuß. Mit Ehefrau Lilly, 41, und Sohn Amadeus, 7, reiste er trotz der FinanzSchlagzeilen nach Ibiza. Auf Instagram gewährte das Ehepaar Einblicke in den Familienurlaub: Boottrips, Restaurantbesuche, Beach Life.
Zwischendurch flog Becker noch in das Fünf-Sterne-Boutique-Hotel "Sani Asterias" in Griechenland, wo er mit Chef Andreas Andreadis an einem Tisch saß. Auf GALA-Nachfrage erklärt die PR-Agentur der "Sani"- Resorts: „Es gab schon mehrere Gespräche zwischen Herrn Andreas Andreadis und Herrn Becker, mit dem wir eine Kooperation in Form einer Boris-Becker-Tennis-Akademie planen. Die Verhandlungen stehen kurz vor einer Entscheidung.“ Das könnte eine neue Finanzspritze für den gefallenen Helden sein. Es sei denn, Bum-Bum- Boris macht es wieder ehrenamtlich...
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