Man hört Beth Ditto schon, bevor man sie überhaupt zu Gesicht bekommt. Die Sängerin ist laut, fröhlich, eine Naturgewalt. Sie hat es sich in einer Suite im Berliner "Soho House" auf dem Sofa gemütlich gemacht. Mit ihren schwarzen Haaren und den dunkel um- randeten Augen wirkt die 35-Jährige wie eine XL-Kleopatra. Nach 17 Jahren als Sängerin der Band Gossip will die Amerikanerin nun mit ihrer CD "Fake Sugar" (ab 16. 6.) als Solokünstlerin durchstarten. Mit einem Mix aus Pop, Punk und Südstaaten-Flair, der vor allem von ihrer starken Stimme lebt.
Beth, Sie scheinen eher Realistin als Romantikerin zu sein.
Wie kommen Sie denn darauf?
Mit dem Lied "Love In Real Life" lassen Sie keinen Zweifel daran, dass die Liebe im Alltag nicht unbedingt so rosarot ist, wie man sie sich vorher ausgemalt hat.
Seien wir ehrlich: Eine Beziehung ist wie eine Achterbahnfahrt – es gibt Höhen und Tiefen. Wenn eine Partnerschaft auf Dauer funktionieren soll, müssen Sie daran arbeiten. Mit aller Kraft. Und mit der Bereitschaft, Kompromisse einzugehen.
Das klingt in der Tat ziemlich unromantisch …
Dabei bin ich eine Romantikerin. Mir gefällt der Gedanken, bis an mein Lebensende mit einem Menschen zusammenzubleiben.
Ist das der Grund, warum Sie Ihre Partnerin Kristin Ogata geheiratet haben?
Ich bin in vielerlei Hinsicht traditionell und brauche nicht jeden Abend eine Party. Im Gegenteil: Ich bin gern daheim, ein harmonisches Zuhause ist mir wichtig. Vermutlich ist das meiner Kindheit geschuldet. In meiner Familie ging es oft ziemlich chaotisch zu. Regelmäßig wurden der Strom oder das Wasser abgestellt, weil meine Mutter zu wenig verdiente, um die Rechnungen bezahlen zu können. Nicht nur das: Wir hatten eigentlich nie genug zu essen im Haus.Trotzdem haben Sie nie ein böses Wort über Ihre Mutter verloren.
Ich weiß, dass sie es nicht leicht hatte. Schließlich musste sie sieben Kinder durchbringen. Gemessen an ihren Lebensumständen war sie eine gute Mutter. Dafür bin ich dankbar.
Haben Sie ihr deswegen ein Haus geschenkt?
Ich wollte sie damit aus dem Trailerpark rausholen, in dem ich aufgewachsen bin.
Wie Ihr Leben damals aussah, beschreiben Sie in Ihrer Autobiografie "Heavy Cross". Sie erzählen auch davon, wie Sie Ihr Onkel missbrauchte.Hat Ihnen das geholfen, diese traumatische Erfahrung zu verarbeiten?
Ich glaube, die Vergangenheit lässt einen nie richtig los. Aber ich blicke nicht mit Verbitterung zurück. Meine Herkunft und all meine Kindheitserlebnisse haben mich letztendlich zu der Person gemacht, die ich heute bin.
Sie gelten als extrem selbstbewusst.
Das höre ich dauernd. Ich würde es ein bisschen anders formulieren: Ich funktioniere gut in meiner eigenen Welt. Warum? Weil ich mich nicht von dem, was andere in mich projizieren, runterziehen lasse. Ich hadere nicht mit meinem Körper, sondern fühle mich rundherum wohl in meiner Haut.
Selbst, wenn Sie neben Kate Moss stehen?
Ich finde, ich muss mich nicht mit ihr messen. Wer sagt denn, dass Dünnsein das Nonplusultra ist? Mit 24 bin ich wegen einer Krankheit total abgemagert. Alle lobten damals meine tolle Figur, doch ich selbst fühlte mich miserabel. Mit ein paar Kilo mehr auf den Rippen geht es mir viel besser. Wahrscheinlich bin ich nicht fürs Schlanksein geschaffen.
Jean Paul Gaultier stört das nicht. Er hat Sie schon über den Laufsteg geschickt.
Durch solche Auftritte werden Frauen wie ich in der Modewelt sichtbar. Aus diesem Grund habe ich mich auch mal für ein Magazin nackt fotografieren lassen. Nach dem Motto: Seht her! Wir Dicken sind schön, wir müssen uns nicht verstecken.
Mit dieser Einstellung haben Sie sogar Karl Lagerfeld beeindruckt. Eine Zeit lang galten Sie als seine Muse.
Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen. Was Karl auszeichnet: Er hat keine Scheu, sich permanent zu widersprechen.
Da sind Sie völlig anders. Sie bleiben sich treu und haben mit Gaultier Ihre eigene Modekollektion für Plus-Size-Frauen kreiert.
Für mich war das ein ganz natürlicher Prozess. Ich habe nämlich schon immer gern genäht. Wenn es das, was ich tragen wollte, nicht in meiner Größe gab, habe ich es mir halt selbst geschneidert. Das brachte mich auf den Gedanken, meine eigene Mode zu entwerfen: fair hergestellt, unkonventionell beworben. Ich habe über Instagram Leute mit üppigen Kurven für meine Kampagne gesucht.
Jetzt sind Sie Modedesignerin, Musikerin und Autorin. Was kommt als Nächstes?
Ich wünsche mir auf jeden Fall ein Baby. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich schon dafür bereit bin. Einerseits sehne ich mich nach einer eigenen Familie, andererseits liebe ich es zu reisen. Da ist ständig dieser "Ich will, ich will noch nicht"-Konflikt …
Wer wird das Kind austragen?
Natürlich ich! Ich möchte unbedingt eine Schwangerschaft erleben.