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Aminata Belli im Interview "Afrodeutsche sollten endlich vertreten werden"

Aminata Belli. 
Aminata Belli. 
© https://www.instagram.com/aminatabelli/?hl=de
Wie lebt es sich 2018 mit Afro in Deutschland? Aminata Belli spricht mit GALA über das Natural Hair Movement und nett gemeinten Alltagsrassismus

In Deutschland leben über eine Millionen Afro-Deutsche und das bereits seit mehreren hundert Jahren. Moderatorin Aminata Belli, 26, weiß, dass man sich trotz dieser langen Zeit häufig noch missverstanden und diskriminiert fühlt. Die junge Frau, deren Vater aus Gambia und Mutter aus Deutschland stammt, hat erst spät angefangen ihren Afro offen zu tragen. Die Gründe, warum sie ihre natürlichen Haare lange nicht mochte, verriet sie im GALA-Interview.

Ihren Afro haben Sie von Ihrem Vater, der Sie und Ihre Mutter früh verlassen hat und den Sie erst als Jugendliche wieder getroffen haben. Hat die fehlende Vater-Tochter-Beziehung zu Ihrer Haltung gegenüber des Afros beigetragen?
Aminata Belli: Ich kannte meinen Vater lange nicht persönlich, habe meinen Afro aber nie mit ihm verbunden. Meine Mutter hat immer sehr positiv von meinen Haaren geredet und mir unterschiedlichste Zöpfe geflochten. Dabei war das tägliche Kämmen eine Qual und ich habe mir oft die glatten Haare meiner Freundinnen gewünscht. In erster Linie ging es damals bei dieser Sehnsucht gar nicht um die Optik, sondern um den Aufwand, den ein Afro mit sich bringt.  

Chemisches Glätten erfüllt den Wunsch vom glatten Haar, allerdings werden dabei alle Proteine entzogen und es wird beinahe abgetötet. Und trotzdem haben Sie sich bereits als Kind dafür entschieden.   
Mit elf Jahren habe ich meine Haare zum ersten Mal chemisch geglättet. Es war einer der glücklichsten Momente in meinem Leben, als ich zum ersten Mal glatte Haare hatte. Erst mit 17 habe ich hinterfragt, was ich meinen Haaren damit antue. 2010 begann das Natural Hair Movement auch in Europa, was mir ein neues Bewusstsein gegeben hat.

Die Bewegung soll Frauen mit Afro Mut schenken, sich mit ihrem natürlichen Haar zu zeigen und stolz darauf zu sein. Allein auf Instagram findet man 32000 Beiträge zu dem Hashtag. Darunter aber auch Frauen, die zwar krause Locken haben, aber nicht dunkelhäutig sind. Können auch weiße Frauen Teil dieser Bewegung sein?
Gerade in Amerika war es eine große Sache, weil Leute teilweise der Schule verwiesen wurden, wenn sie ihren Afro trugen. Daher war diese gesellschaftliche Welle extrem wichtig, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Es ist zwar schön, dass auch weiße Frauen sich durch die Bewegung trauen ihre krausen Locken zu tragen, aber einen Afro als schwarze Frau zu tragen bedeutet viel mehr.  

Der Afro als politische Aussage

Was bedeutet es für Sie persönlich?
Wenn ich zu Angela Davis zurückschaue, die sich als dunkelhäutige Bürgerrechtlerin in den 60er Jahren für ihre Community stark gemacht hat, verbinde ich einen Afro mit einem politischen Statement. Die Haare wurden aufgrund der Geschichte immer als etwas Schlechtes angesehen, mit der Sklaverei verbunden und genau davon befreit man sich, wenn man ihn offen trägt.  Die "Black Panther Party" war eine revolutionäre Bewegung des schwarzen Nationalismus in den USA. Frauen wie Angela Davis und Kathleen Cleaver prägten die gesellschaftliche Veränderung, die ihren Höhepunkt 1996 erlebte, enorm. 

Das Movement möchte ein Schönheitsideal beseitigen, stellt aber gleichzeitig andere auf. Fühlen sich nicht viele Frauen unter Druck gesetzt, weil sie genau den einen Afro auf diesem Foto haben möchten, obwohl es ja auch hier etliche Haarstrukturen gibt?
Das ist richtig, es gibt sehr viele unterschiedliche Haartypen und Vorstellungen von einem schönen Afro, was gegebenenfalls auch Druck ausüben kann. Schauspielerin Lupita Nyong’o, die aus Kenia kommt, hat im Vergleich zu einer Rihanna extrem krauses Afrohaar. Heftig war es 2017, als Lupita Nyong’o auf dem Cover der britischen Grazia gezeigt wurde und ihr Haar mit Photoshop weniger kraus gemacht wurde. Wieso tut man das?!

Promis wie Beyoncé und Cardi B tragen Perücken

Lupita Nyong’o trägt ihren Afro offen, aber Superstars wie Cardi B und Beyonce nicht. Ist es nicht schade, dass genau diese Powerfrauen ihren Afro so selten zeigen?
Es ist gerade toll, dass man mal einen Afro tragen kann, Zöpfchen und eben eine Perücke. Das Natural Hair Movement impliziert nicht, dass jetzt alle ihre Haare natürlich tragen sollen, sondern einfach so, wie sie es sich wünschen. Aber sicher wäre es ein besonders wichtiges Statement, wenn sich eine Michelle Obama auch häufiger mit Afro zeigen würde. Dasselbe Problem haben wir bei schwarzen Männern in der deutschen Medienszene: Wen haben afrodeutsche Jungs als Vorbild? Moderator Daniel Aminati und Jerome Boateng, würde ich mal vermuten. Beide glätten sich ihre Haare und das ist mit das einzige, was afrodeutsche Jungs sehen, wenn sie nicht auf YouTube unterwegs wären oder irgendwelche amerikanischen Filme gucken würden. Aber wie soll sich unsere Gesellschaft denn an einen Afro gewöhnen, wenn man nirgendwo einen sieht?

Alltagsrassismus ist für Aminata Belli Gang und Gäbe

Apropos: Würden Sie sagen, dass es afrodeutsche Männer oder Frauen in Deutschland einfacher haben?
Darüber habe ich mir schon oft Gedanken gemacht und glaube, dass sich beide oft doppelt beweisen müssen. Manchmal kann man sich als Frau durchs Leben lächeln. Das klingt schwach, weil ich eigentlich pro Feminismus und Gleichheit bin, aber trotzdem ist es in unserer Gesellschaft ein Fakt. Dafür rutschen Männer beruflich oft leichter in höhere Positionen. Allerdings haben beide Phänomene nichts mit Schwarz oder Weiß zu tun, sondern mit Mann und Frau an sich.

Ihre Follower klären Sie oft über Alltagsrassismus auf. Nennen Sie mal ein Beispiel.
Alltagsrassismus sind vermeintlich nette Worte. Viele sagen mir, dass ich gut deutsch sprechen könne, aber was erwarten sie denn? Ich bin ja Deutsche. Man wird immer wieder daran erinnert, dass man anders ist. So gibt es auch vermeintlich positiven Rassismus, wenn zum Beispiel von schwarzen Menschen immer erwartet wird, dass sie gut singen können, dabei ist das ja totaler Quatsch. Diese Missverständnisse entstehen durch falsche Vorstellungen, die Menschen größtenteils durch Filme oder einer falschen Industrie in den Kopf gesetzt bekommen. Stattdessen sollten Afrodeutsche endlich vertreten werden, anstatt durch Klischees betrachtet zu werden.

Aminata Belli 
Gala

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