Herr Striegler, die Queen ist 93 Jahre alt, hat politisch keinen Einfluss und schien zuletzt vor allem damit beschäftigt zu sein, die Monarchie vor den Eskapaden ihrer Verwandtschaft zu retten. Welche Rolle spielt die Königin noch für ihr Volk?
Die große Mehrheit der Menschen, gerade jetzt in den stürmischen Zeiten des Brexit, schaut gen Buckingham Palast und weiß: "Es wird alles schon in Ordnung kommen, wir haben ja die Königin." Das mag für Nicht-Briten seltsam klingen. Doch die Queen ist der Faktor, der in diesem Land für Stabilität sorgt – und das seit 68 Jahren. Viele Polit-Journalisten aus London, mit denen ich mich austausche, sagen: "Gott helfe uns, wenn die Queen stirbt." Das ist ein wichtiger Grund die Königin, trotz ihrer bald 94 Jahre so weiterzumachen wie bisher.
Royals können auf die Queen zählen
Der Ruhestand ist also definitiv ausgeschlossen?
Die Queen wird alles andere als kürzertreten. Ein Mitarbeiter aus dem Palast hat mir gesagt: "The Queen will up her game 2020". Auf Deutsch etwa: "Die Königin wird im Jahr 2020 mehr machen." Ihren ersten Termin hat die Queen vor ein paar Tagen bereits absolviert. Unaufgeregt, professionell, elegant – genau so, wird sie auch ihr neues Jahr auf dem Thron angehen wird.
Von vielen wird Elizabeth schon jetzt, zu ihren Lebzeiten, als prägendste und erfolgreichste Monarchin in der Geschichte Großbritanniens gefeiert. Erstaunlich, denn wer ihre Geschichte kennt weiß: Sie war nicht dazu geboren worden, Königin zu sein.
Richtig. Ihr Onkel, König Edward VIII. dankte 1936 der Liebe wegen ab – und Elizabeth wurde plötzlich zur Thronerbin. Und es kam noch härter, wenn man es so formulieren möchte: Als ihr Vater König VI. am 6. Februar 1952 starb, war Elizabeth erst 26 Jahre alt. Statt das Familienleben mit Philip, Charles und Anne zu genießen, war sie plötzlich das Oberhaupt eines Königreiches.
Ein Leben für die Krone
Für die große Mehrheit der Menschen gab es bisher nur ein Leben mit Queen Elizabeth. Das hat sich heute geändert. Königin Elizabeth ist im Alter von 96 Jahren am Nachmittag auf Schloss Balmoral verstorben.
Blicken Sie mit uns zurück auf das lange Leben der eindrucksvollen Monarchin.
Manch einer hätte damit gehadert, sein freies Leben gegen das für die Krone eintauschen zu müssen. Queen Elizabeth hingegen scheint ihr Schicksal anstandslos angenommen zu haben.
Die Queen hatte sicher andere Träume, als Königin zu werden. Ich schätze sie so ein, dass sie nie darüber nachgedacht hat, dass das Leben ihr ein anderes Blatt zugeteilt hat. Ganz nach dem Motto: Never look back. Sie hat das Beste aus ihrem Los gemacht. Das ist eine Generationensache, denke ich. In ihrer Radio-Ansprache an das Volk anlässlich ihres 21. Geburtstages sagte sie 1947: "Ich erkläre vor Ihnen allen, dass mein ganzes Leben, sollte es kurz oder lange sein, Ihrem Dienst und dem Dienst an unserer großen, imperialen Familie gewidmet sein soll, zu der wir alle gehören." Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wie verbringt die Queen den heutigen Tag?
Es ist nichts Besonderes geplant, wurde mir im Palast gesagt. Das allein zeigt, wie galant die Königin mit dem Jahrestag ihrer Thronbesteigung umgeht. Sie hält sie, wie immer, in Sandringham House auf. Eine Party wird es nicht geben. Genau das mögen die Briten: Understatement. Kein großes Trallala, kein großes Feuerwerk. Auch so wird jeder im Land wissen: "Heute, am 6. Februar, ist das Thronjubiläum unserer Königin."
Aktuell hat's die Queen nicht leicht. Stichwort: Andrew und der "Megxit".
Das ist nicht nur eine persönliche Enttäuschung für die Queen und schädlich fürs Image der Monarchie, sondern auch für die Personalpolitik. Harry, Meghan und Andrew haben 2019 insgesamt über 550 Termine wahrgenommen. Der Workload kann 2020 nicht ersatzlos entfallen, die Termine müssen weiterhin gemacht werden. Sich öffentlich zu zeigen und für die Gemeinschaft zu engagieren ist die Kernaufgabe der Mitglieder des Königshauses und unheimlich wichtig, um vom Volk akzeptiert zu werden. Also müssen die anderen Royals die Lücke von Harry, Meghan und Andrew schließen.
Prinz William und Herzogin Kate sind die Zukunft
Einige Kandidaten gibt’s: Gräfin Sophie, Prinz Edward, Prinzessin Eugenie und ihre Schwester Beatrice, zum Beispiel. Wer ist Ihr Favorit in Sachen Ersatz?
Ganz klare Antwort: Kate und William. Sie haben innerhalb der letzten Woche einen Termin-Marathon hingelegt, den ich so bisher noch nicht bei ihnen gesehen habe. Das hat den Nebeneffekt, dass sich das Volk immer mehr an den Gedanken gewöhnt, das eigentlich William und Kate die Nachfolger der Queen sind, und nicht Charles und Camilla. Kate und William sind nicht nur beim Volk und in den Medien, sondern auch innerhalb der Familie und im Palast überaus beliebt. Sie sind jung, engagiert, pflichtbewusst, haben drei kleine, bezaubernde Kinder – das beste Image, dass es für das Königshaus gibt.

Immer wieder kommt in England die Diskussion auf, dass die überaus populären Cambridges früher das Amt des Königspaares könnten....
Ich sage: Ausgeschlossen ist nichts. Vieles wird davon abhängen, wie lange die Queen noch auf dem Thron sitzt. Abdanken wird sie meiner Meinung nach nie. Ein Palastmitarbeiter sagte einmal vor Jahren zu mir: "Aufgeben ist keine Option für Ihre Majestät." Wenn sie weiterhin bei guter Gesundheit bleibt könnte sie noch sechs, sieben, acht Jahre Staatsoberhaupt sein. Dann wäre Charles um die 80 Jahre alt. Ich sage deshalb: Die Chance, dass William direkt auf den Thron kommt, liegt bei Fünfzig-Fünfzig. Und das ist eine verdammt hohe Quote. Allerdings müsste dafür das Gesetz geändert werden – und das liegt nicht in der Hand der Queen, sondern in der des Parlaments.
Verwendete Quelle:eigene Recherche