Wer Queen Elizabeth trifft, begegnet dem allgegenwärtigen Protokoll und vielen alten Traditionen: Für quasi jede Gelegenheit gibt es festgeschriebene Regeln, die nicht nur besagen, welche Garderobe wann gefragt ist, wer hinter wem zu gehen hat, wann die Nationalhymne gespielt oder wie die Geburt eines künftigen Thronerben angekündigt wird.
Höfische Etikette bei Audienzen
Eine dieser Regeln der höfischen Etikette galt beispielsweise für Audienz-Besucher und Angestellte gleichermaßen: Man hatte sich mit dem Gesicht zur Königin zu entfernen, also rückwärtsgehend den Raum zu verlassen. Früher galt es nämlich als extrem unhöflich, dem Souverän den Rücken zuzukehren. Weil sich der Rückwärtsgang aber als unpraktisch und noch dazu unfallgefährlich erwies, so berichtet unter anderem "Telegraph.co.uk", sei das höfische Zeremoniell 2009 in diesem Punkt gelockert worden.
Nach wie vor Gültigkeit hat für die Mitglieder der königlichen Familie der "Knicks-Knigge", der sich nach der "Order of Precedence", der Rangfolge bei den Windsors und ihrer Position in der Thronfolge, richtet.
Betritt Königin Elizabeth den Raum, dann gilt natürlich für alle Prinzen und Prinzessinnen die Hofknicks- und Verbeugungs-Pflicht. Erst dann können Prinz William oder Prinz Charles "Granny" beziehungsweise "Mummy" ein Küsschen auf die Wange geben.
Trifft Herzogin Catherine ohne ihren Mann auf Herzogin Camilla, dann sollte sie vor ihr knicksen. Ist aber Prinz William, als Nummer zwei der Thronfolge dabei, ändert er das Verhältnis der beiden zueinander zugunsten von seiner Frau - Camilla muss dann knicksen.
Knicksen ist nicht obligatorisch
Laut Webseite des Königshauses dürfen die Untertanen es mit der Knicks-Etikette ein wenig informeller halten. Händeschütteln mit der Queen und den anderen Royals ist erlaubt, wer möchte, könne die "traditionelle Form des Grußes", den Knicks oder die Verbeugung, wählen. Wangenküsschen, ein kumpelhafter Schulterklopfer und jede andere Berührung, außer beim Handschlag, ist allerdings für Normalsterbliche beim Treffen mit der Monarchin absolut tabu.
Die korrekte Anrede der Queen
Natürlich kann man die Königin nicht einfach beim Vornamen nennen, sie mit "Mrs. Mountbatten-Windsor" oder gar "Lilibeth" ansprechen - Letzteres dürfen ohnehin nur die königlichen Verwandten. Für alle anderen gilt "Your Majesty" als Anrede, danach reicht "Ma'am". Wer sich fragt, wie man das ausspricht, dem wird von Hofbediensteten gerne erklärt, dass sich "Ma'am" auf "Jam" (Marmelade) reimt und sich beides ähnlich ausspricht. Diese einfache Eselsbrücke beschäftigte den britischen Comedy-Star Michael McIntyre laut "Mirror" so sehr, dass er - als ihm 2012 die Queen tatsächlich gegenüber stand - nur ein einziges Wort über die Lippen brachte und sie "Jam" nannte. Was für ein Fauxpas - oder doch ein wohl kalkulierter Scherz?
Dame trägt Hut
Wer eine Einladung zum Tee in den Park von "Buckingham Palace" bekommt, findet bei der Einladung in der Regel gleich eine Notiz, welche Garderobe zu tragen ist. Bei den Gartenpartys sollten die eingeladenen Herren Cut - eine Art Frack für den Vormittag - oder Uniform tragen, die Damen einen Rock oder ein Kleid für den Nachmittag. Dazu sollte vorzugsweise ein Hut oder Fascinator kombiniert werden. Und wer würde der stets behüteten Monarchin, die noch dazu fast immer weiße Handschuhe trägt, schon "oben ohne", schlipslos oder im legeren Sportoutfit begegnen wollen?
Dass selbst Staatsgäste mit der Hofetikette in Konflikt geraten, bewies 2009 Michelle Obama: Die amerikanische First-Lady legte der Queen beim Smalltalk am Rande des "G-20"-Gipfels einfach den Arm um die Schulter. Den Hofbeamten stockte vermutlich der Atem. Aber in ihren mehr als 60 Jahren auf dem Thron hat Königin Elizabeth wahrscheinlich schon ganz andere unorthodoxe Auslegungen des Protokolls erlebt und erwiderte die Geste ganz souverän.
Wie sich Staatsgäste im königlichen Umfeld anstellen, wer auffällt und wer die Herausforderung staatsmännisch und protokollkonform meistert, wird sehr genau in der britischen Presse vermerkt, so auch der "Fehlgriff" von Michelle Obama. Dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel 2009 im Hosenanzug zum Empfang im "Buckingham Palace" erschien, fiel ebenso auf. Und selbst die deutsche Presse fragte laut "SZ-Online.de" beim Vize-Sprecher der Regierungschefin nach, ob nicht zu diesem Anlass das kleine Schwarze angemessener gewesen wäre.
Traditionen verpflichten, egal wie kurios: Schwanenmarkierer und königliche Ruderer
Manches protokollarische Detail wirkt vielleicht auf die Untertanen etwas antiquiert, es passt aber zu den alten Traditionen rund um die königliche Familie. Und der royale Pomp, der sich beispielsweise bei "Trooping the Colour" oder beim "Garter Day", dem Treffen des Hosenbandordens, entfaltet, fasziniert nach wie vor. Einige dieser königlichen Rituale sind allerdings auf den ersten Blick ein wenig kurios: Dazu gehört das alljährliche Schwanen-Zählen ("Swan Upping").
Seit der Mitte des zwölften Jahrhunderts walten Mitte Juli der offizielle Schwanenmarkierer Ihrer Majestät und der königliche Schwanenwächter ihres Amtes, markieren und zählen die Vögel. Die Ur-Ur-Ahnen von Königin Elizabeth schätzten Schwäne nämlich als Köstlichkeit für Bankette, so dass die meisten Höckerschwäne Eigentum der Krone wurden. Gegessen werden die Tiere heute nicht mehr, wie die Webseite der königlichen Familie vermeldet. Die Queen ist nach wie vor Herrin der Schwäne und übt dieses Recht auf der Themse und einigen Nebenflüssen aus.
Im "Royal Household", dem königlichen Haushalt, gibt es außerdem bis heute einen "Astronomer Royal" ("Königlicher Astronom") und ein "Poet Laureate" (etwa: "Hofdichter"). Beide Titel werden mittlerweile ehrenhalber verliehen. Laut der Webseite des britischen Königshauses ist seit 2009 die Autorin Carol Ann Duffy "Poet Laureate". Zur Bezahlung für dieses Amt gehörte seit jeher nicht nur Geld, sondern auch eine Flasche Wein oder Hochprozentiges. In den 1970er Jahren soll es, als Überbleibsel aus alter Zeit, für den "Poet Laureate" ein Fass mit Sherry gegeben haben.

Wann immer die Queen auftritt, ob zur alljährlichen Parlamentseröffnung mit der "Imperial State"-Krone oder zum Staatsbankett, umgeben sie Livrierte und Uniformierte. Wer wann wo dabei ist und in welcher Funktion, unterscheidet der Anlass und der Ort.
Reisen Gäste (oder die Königin selber) auf dem Wasser, dann treten die "Royal Waterman" auf. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ruderten diese den Monarchen auf der Themse von Residenz zu Residenz. Heute greifen sie nicht mehr in die Riemen - die Royals reisen mittlerweile schließlich eher per Auto, Flugzeug oder Zug - die "Royal Waterman" haben daher nur noch eine rein zeremonielle Funktion.
Ist die Queen in Schottland und in ihrer dortigen Residenz "Holyroodhouse", dann marschiert die "Royal Company of Archers", die königliche Kompanie der Bogenschützen, als Leibwächter auf. Ihre Uniformen: Eine dunkelgrüne Tunika mit schwarzen Aufschlägen, dunkelgrüne Hose mit schwarzen und purpurroten Streifen und Hut mit Adlerfeder. Im Unterschied dazu tragen die "Yeomen of the Guard", die zum Beispiel bei allen Investitur-Zeremonien dabei sind, leuchtend rote Uniformen aus der Tudor-Zeit mit gelben Applikationen und weißen Kragen. Die heute 73 Mann starke Einheit der "Yeoman" wurde von Henry VII. 1485 gegründet und ist damit die älteste Leibgarde der britischen Könige. Tatsächliche Schutzaufgaben haben sie allerdings nicht mehr, ihr Auftreten hat nur noch zeremonielle Bedeutung, wie die Webseite des Königshauses schreibt.
Der königliche Wecker
Ebenfalls in Uniform, allerdings im Schottenrock, marschiert jeden Morgen um Punkt 9 Uhr unter dem Fenster der Königin ihr persönlicher Dudelsackspieler ("The Queen's Piper") auf, um 15 Minuten lang eine Art Weckruf abzugeben. Die 87-Jährige ist dann allerdings bereits aufgestanden. Queen Victoria war die erste britische Monarchin, die sich in den 1840er Jahren für den Dudelsack begeisterte, seither gibt es diesen Posten. Aktuell greift Major David Rodgers, Mitglied der "Irish Guards", zum Dudelsack.
Sein Vorgänger, Derek Potter, hatte 2011 sogar die Ehre, vor der "Canongate Kirk", in der sich Zara Philips und Mike Tindall das Ja-Wort gaben, spielen zu dürfen. Die Auftritte der zwölf Army-Dudelsackspieler, die - koordiniert von "The Queen's Piper" - um die Tafel bei Staatsbanketten herumlaufen und Melodien zum Besten geben, ist nicht unbedingt beliebt, das berichten zumindest Insider. Das zwölfstimmige Dudelsackkonzert übertönt nämlich locker alle Unterhaltungen am Tisch. Sollte jemand dann Queen Elizabeth allerdings noch einmal mit "Jam" anreden, könnte dieser protokollarische Patzer ungehört bleiben.