Chapeau! König Charles, 74, zeigt Größe – oder ist es doch ein Ausdruck der Hilflosigkeit? Als offiziell bestätigt wurde, dass der Monarch tatsächlich eine Einladung zu seiner Krönungszeremonie am 6. Mai 2023 in der Londoner Westminster Abbey nach Kalifornien geschickt hat, gab es entweder zustimmendes Kopfnicken oder ein verständnisloses Schütteln des Hauptes bei royalen Beobachter:innen.
Nach den massiven Attacken von Prinz Harry, 38, und Herzogin Meghan, 41, gegen Familie, Monarchie und britische Presse hat der Thronerbe den von seinem Sohn eingeforderten Schritt getan. Ein Akt der Annäherung – und vielleicht eine Strategie, die dem Ältesten der verstorbenen Queen Elizabeth, †96, gar nicht so unbekannt ist. Der irische Historiker und Autor Gareth Russell zumindest sieht ein altvertrautes Muster in der Vorgehensweise des Regenten.
König Charles übte sich bereits bei einem anderen Familieneklat als Vermittler
Charles hatte schon einmal den Friedensstifter gespielt. Damals wollte er seinen Großonkel, den abgedankten König Edward VIII., †77, und dessen Frau Wallis Simpson, †89, wieder in den Schoß der Familie zurückholen. Nachdem der Monarch im Jahr 1936 das Zepter an seinen Bruder Prinz Albert, den späteren König George VI., †56, weitergab, weil die britische Regierung sich aus politischen und moralischen Gründen gegen seinen Ehewunsch mit der bereits geschiedenen Amerikanerin aussprach, war er nach Frankreich gezogen. Der Bruch mit der Krone ermöglichte ihm die Heirat seiner großen Liebe. Doch zwischen Edward und der Familie entstand eine fast unüberwindbar scheinende Kluft. Nur einer traute sich offenbar noch in die Nähe des rebellischen Onkels: Charles, der damalige Prince of Wales, der nur eines wollte: Versöhnung.
"Das ist tatsächlich ein immer wiederkehrendes Thema in seinem Leben gewesen. Ich habe herausgefunden, dass er in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren, als Charles noch ziemlich jung war, eines der einzigen Mitglieder der königlichen Familie war, das bereit war, nach Paris zu fahren, um seinen Großonkel Edward VIII. und Wallis Simpson zu besuchen," berichtet Russell gegenüber "US Weekly". Der Sohn der Königin war jedoch nicht in geheimer Mission unterwegs, sondern legte die Karten auch im Buckingham Palast auf den Tisch: "Er sagte zur Königinmutter und zur Königin: 'Ich denke, wir sollten versuchen, Brücken zwischen dieser Seite der Familie zu bauen.'"
Taten statt Worte
Charles hatte offenbar also schon in jungen Jahren das Verlangen, Entfremdung innerhalb seines Kreises zu überwinden. "Es gibt also eine Vergangenheit, in der Charles solche Dinge getan hat, und in diesem Sinne stimmt es mit dem überein, was wir über ihn als Person wissen", fasst der Historiker zusammen und schlägt den Bogen zur aktuellen Situation mit den Sussexes.
Der König hat seiner Ansicht nach eine Taktik gewählt, die nicht nur familiäre Wunden heilen soll, sondern zudem auch Schaden von der Monarchie fernhalten könnte. "Ich glaube auch, dass man mit Honig mehr fängt als mit Essig", so Russell. "Wenn eine Seite, ob zu Recht oder zu Unrecht, als diejenige wahrgenommen wird, die sich beschwert und eine ganze Reihe von Interviews gegeben hat, in denen das Gleiche gesagt wurde, dann ist es ein sehr vernünftiger PR-Schritt, nichts zu sagen." Charles lässt Taten folgen, keine Worte. Er geht einen Schritt auf den vermeintlich aufrührerischen Sohn und dessen Frau zu.
"Never complain, never explain" [zu Deutsch: "Beschwere dich nie, erkläre dich nie"] war schon das Motto der Windsors zu Lebzeiten der 2002 im Alter von 101 Jahren verstorbenen Queen Mum. Das hat auch Charles verinnerlicht. "Oder wenn man etwas sagt, dann etwas Positives, und ich denke, es ist eine Mischung aus Persönlichem und Pragmatismus, die ihn zu diesem Schritt veranlasst hat", meint Russell.
Kampf um Prinz Harry hat viele Dimensionen
Die Friedensbemühungen des damaligen Prinzen um Edward und Wallis, so darf man rückblickend sagen, waren nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. Der nach seiner Abdankung mit dem Titel Herzog von Windsor bedachte ehemalige Monarch kehrte nur noch selten mit seiner Frau aus dem selbstgewählten französischen Exil in die Heimat zurück. Eine vollkommene Versöhnung mit den Verwandten blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1972 aus.
Russell sieht deutliche Parallelen zwischen dem Rückzug von Edward um der Liebe Willen und dem Ausstieg der Sussexes aus den royalen Verpflichtungen. Er nimmt an, dass Harry und Meghan "ähnlichen Umständen ausgesetzt sein könnte wie Edward VIII. und Wallis Simpson".
Beide Paare fanden eine neue Heimat im Ausland: Die Sussexes in den USA und die Windsors in Frankreich. Wie Wallis ist Meghan Amerikanerin und hat bereits eine Scheidung hinter sich. Edward glaubte noch bis ins hohe Alter, dass er in seiner Heimat Großbritannien "immer noch eine wichtige Figur sein würde." Russell sieht eine ähnliche Falle für Harry: Noch würden er und seine Frau aufgrund des hohen öffentlichen Interesses als "bedeutend" gelten, doch dieser Status werde nicht aufrechtzuerhalten sein. "Sie werden unbedeutend werden, so wie Edward VIII. unbedeutend und sehr unglücklich wurde."
Man darf jedoch davon ausgehen, dass König Charles um eine Verständigung mit seinem Jüngsten ringen wird. Um der Bindung zu seinem Sohn und zu seinen Enkelkindern Prinz Archie, 3, und Prinzessin Lilibet, 1, Willen, und nicht zuletzt zur Rettung des Ansehens der Monarchie.
Verwendete Quelle: usmagazine.com