Um zwölf Uhr mittags hatte Belgien einen neuen König: Nach der Abdankung von Albert II., 79, legte sein Sohn Philippe, 52, am Sonntag, dem Nationalfeiertag, im Brüsseler Parlament seinen Amtseid ab. Auf Deutsch, neben Niederländisch und Französisch eine der Amtssprachen des Landes. Dem Eid folgte ein langer, herzlicher Applaus der Gäste – Royals aus aller Welt waren nicht unter ihnen. Ganz anders als im Nachbar- Königreich Holland Ende April. Beim dortigen Thronwechsel von Beatrix zu Willem- Alexander feierten Hunderttausende auf den Straßen, und Millionen TV-Zuschauer verfolgten die Live-Übertragung, auch in Deutschland. Die Belgier hatten ihr großes Ereignis ausdrücklich zu einer internen Angelegenheit erklärt. Trotzdem hat man den Eindruck: Die internationale Gemeinschaft nimmt von dieser Monarchie irgendwie kaum Notiz.
Was sicher auch daran liegt, dass Philippes Vater Albert seinen Geschäften 20 Jahre lang diskret und unaufgeregt nachging. Ohne Pomp sollte nun auch der Thronwechsel ablaufen, der finanzielle Rahmen von 400.000 Euro – so viel kostet jeder Nationalfeiertag – nicht überschritten werden. Schon deshalb verzichtete man darauf, ausländische Royals einzuladen, die vermutlich für mehr Glamour und ganz sicher für mehr Aufmerksamkeit hätten sorgen können.
Ein deutlich schärferes Profil als der neue König Philippe und sein Vater Albert, der in jungen Jahren als Jetsetter Schlagzeilen gemacht hatte, wies Alberts Vorgänger auf, sein Bruder Baudouin. Er starb 1993 unerwartet an Herzversagen. Seine Witwe Fabiola, 85, ist bis heute extrem beliebt im Volk. Bereits als Zwanzigjähriger musste Baudouin das Königsamt von seinem Vater übernehmen, weil dieser wegen seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg in der Kritik stand.
Umstritten ist auch Belgiens Kolonialgeschichte. Als Baudouin 1960 in den Kongo reiste, wo die Unabhängigkeit des Landes proklamiert werden sollte, schaute die ganze Welt hin. "Er war sehr gut gekleidet, in Galauniform", so der deutsche Fotograf Robert Lebeck, der das Ereignis damals festhielt, zu "Gala". Eher zufällig gelang ihm an diesem Tag ein inzwischen legendäres Foto. Es zeigt einen jungen Kongolesen, der dem König seinen Säbel entrissen hat – ein Symbol für die Entmachtung Belgiens auf dem schwarzen Kontinent. Lebeck: "Ich stand gut, ich wusste, die anderen Fotografen würden den König von vorne fotografieren, wie sich das gehört. Also kam ich von der anderen Seite."
Nicht nur solche historischen Meilensteine, auch das private Schicksal von Baudouin und Fabiola bewegte die Weltöffentlichkeit: Eigene Kinder blieben dem Paar verwehrt. So entschlossen sie sich, ihren Neffen Philippe als Thronfolger zu erziehen. Erst zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes sprach Fabiola öffentlich über ihre tragischen Fehlgeburten, und noch immer merkte man ihren Worten den Schmerz an: "Ich habe fünf Kinder verloren. Man lernt etwas aus dieser Erfahrung." Das neue Königspaar ist mit einem ganzen Quartett süßer Kinder gesegnet. Die Älteste, Elisabeth, ist nun Thronfolgerin. Für Charisma und Glamour sorgt Philippes Frau Mathilde: Sie könnte in den nächsten Jahren eine strahlende Königin für das belgische Volk werden. Nach Philippes Amtseinführung am Sonntag war sie es jedenfalls, die ihren Mann mit einem Küsschen zum Lächeln brachte – also doch noch ein bisschen was fürs Herz bei einer eher unaufgeregten Zeremonie.