Alles an ihr ist lässig. Die Haare hat sie unkompliziert zum Zopf gebunden, der Pullover umspielt den schlanken Körper, ihr Blick strahlt Ruhe aus. Anna von Bayern, 34, ist eine Frau wie du und ich. Fast. Der kleine Unterschied wird klar, wenn man sich die Gästeliste ihrer Hochzeit mit Manuel von Bayern ansieht. Die Halbschwedin, eine geborene Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, und der Sohn des Rennfahrers Leopold "Poldi" Prinz von Bayern feierten 2005 im schwedischen Nyköping. Unter anderem feierten mit: Königin Silvia von Schweden und ihre Töchter, die Prinzessinnen Victoria und Madeleine.
Für Anna von Bayern ist all das kein Grund, sich auf Tradition und großen Namen auszuruhen. Die Mutter von zwei Kindern arbeitet als politische Korrespondentin und veröffentlicht gerade ihr zweites Buch. Sie liebt ihren Beruf, will den Erwartungen standhalten. So wie auch den Erwartungen der Familie. Denn ihre Wurzeln empfindet sie als ein kostbares Gut.
Können Sie nachvollziehen, warum die Welt der Adligen viele Menschen so sehr fasziniert?
Es gibt keine "Welt der Adligen". Die Adelsprivilegien wurden in Deutschland vor fast hundert Jahren abgeschafft, und seitdem sind die ehemaligen Titel lediglich Bestandteil des Namens. In einer bestehenden Monarchie wie in Schweden kann ich das Interesse am Königshaus nachvollziehen, offenkundig weit über die Landesgrenzen hinaus. Selbst im so stolz republikanischen Österreich sagte mir neulich jemand, als er hörte, dass ich einen schwedischen Hintergrund habe: "Wir sind hier ja alle so begeistert von der Estelle!" Ich wusste erst gar nicht, wer gemeint war.
Was bedeutet es, den ehemaligen Titel im Namen zu tragen?
Der ehemalige Adel empfindet sicher eine generationenübergreifende Verantwortung gegenüber dem Namen und der damit verbundenen Geschichte. Aber so empfindet es wohl jede traditionsbewusste Familie. Ich fühle mich der Familie sehr verbunden. Der heutige Fürst Bismarck und seine Geschwister waren während des Zweiten Weltkriegs in Schweden untergebracht, auch bei meiner Familie. Jahre später luden sie meine Mutter zu sich nach Friedrichsruh ein, und dort lernte sie meinen Vater kennen.
Welche Traditionen pflegt Ihre Familie?
In Schweden tanzen wir jedes Jahr um den Weihnachtsbaum. Die ganze Großfamilie trifft sich da, vier Generationen. Selbst mein katholischer Mann hat sich langsam daran gewöhnt.
Welche Nachteile hat es, den Adelstitel im Namen zu tragen?
Der Name in meinem Pass ist so lang, dass die Schriftgröße verkleinert wurde. Manch ein Zollbeamter brauchte schon eine Lupe. Das kann man als Nachteil bezeichnen. (Ihr vollständiger Name lautet: Anna-Natascha Monique Marita Thérèse Prinzessin von Bayern; Anm. d. Red.)
Ihr Mann hat an der englischen Elite-Uni Oxford in der Forschung gearbeitet, später in Biologie promoviert. Sie haben an der Stanford University Ihren Abschluss gemacht. Wie wichtig ist Ihrer Generation eine gute Ausbildung?
Der Wettbewerb und Druck ist schon hoch, das hat stark zugenommen. Früher konnte man fast sicher sein, mit einem abgeschlossenen Studium einen Job mehr oder weniger auf Lebenszeit zu finden.
Finanziell müssen Sie sich aber vermutlich keine Sorgen machen, oder?
Das klingt so, als hätten Sie gute Nachrichten für mich … Aber im Ernst: Wer privilegiert aufwachsen darf, hat auch eine Verantwortung, daraus etwas zu machen. Ich bin so erzogen worden, dass man Leistung erbringen muss, gerade weil man das Glück hatte, eine gute Ausbildung genießen zu dürfen. Ich hoffe, dass ich die Freude daran auch unseren Kindern vermitteln kann.
Gerade erscheint Ihr zweites Buch. Wie kamen Sie gerade auf Wolfgang Bosbach?
Er ist einer der anerkanntesten Unionspolitiker, ein Kritiker der Euro-Rettungsschirme, der sich in dieser Frage trotz des enormen Drucks gegen die eigene Fraktion gestellt hat. Er steht zu seinen Überzeugungen und kämpft weiter für sie, trotz einer unheilbaren Krebskrankheit. Seine Lebensgeschichte - vom Realschulabsolventen und Supermarktleiter zum Volljuristen und Vorsitzenden des Innenausschusses - ist sehr spannend. Außerdem ist er sehr witzig!
Zurück zu Ihnen. Wie wichtig ist es heute, dass der Adel untereinander heiratet? Vollkommen unwichtig. Wie hätten Ihre Eltern auf einen bürgerlichen Partner reagiert?
Meine Eltern haben sich nie in meine Partnerwahl eingemischt. Wahrscheinlich weil sie wussten, dass das ohnehin nichts bringt.
Es soll immer noch Adelsbälle geben, auf denen verkuppelt wird.
Es gibt zum Beispiel einen Standesherrenball in München. Ich war nie dort, aber ich denke, es geht dort eher um die gemeinsame Traditionspflege.
Gibt es spezielle Internate oder Schulen?
Früher schickten viele adlige Familien ihre Kinder aufs Internat, weil es auf dem Land schlicht keine weiterführenden Schulen gab. Ich bin auf ein schwedisches Internat gegangen, weil ich diesen Teil meiner Herkunft und Familie kennenlernen wollte.
Wie hoch ist der Druck, wenn man aus einer bekannten Familie kommt - Stichwort Guttenberg?
Die Leute achten darauf, ob man sich etwas herausnimmt. Dem gilt es entgegenzuwirken - deshalb war ich in der Schule meist ein Streber.