Sein Leben liefert den perfekten Filmstoff: Mit gerade mal 21 Jahren betritt der in Algerien geborene Yves Saint Laurent 1957 die Modebühne - und prägt fortan mit seinen exzentrischen Entwürfen und genialen Ideen die Haute Couture. In Frankreich wird er als Ikone gefeiert, doch es sind auch seine Abgründe, Drogenexzesse und seine manisch- depressiven Züge, die immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Pierre Bergé, langjähriger Förderer und Lebensgefährte des 2008 verstorbenen Modedesigners wollte seiner großen Liebe nun auf der Leinwand ein Denkmal setzen. Schwierigste Aufgabe: jemanden zu finden, der Yves Saint Laurent spielen kann. Als Pierre Niney, 25, zum Casting kam, war allen Beteiligten klar: Wir haben ihn gefunden, unseren Yves! "Gala" traf den smarten Franzosen in Berlin.
Wann sind Sie zum ersten Mal mit Yves Saint Laurent in Berührung gekommen?
Ich war 16 und bekam eine Einladung für die César-Gala. Ich wusste überhaupt nicht, was ich anziehen sollte und hatte keine blasse Ahnung von Mode. Ich wusste noch nicht mal, dass die Buchstaben YSL für Yves Saint Laurent standen. Ich dachte, das Logo wäre eine Kleidergröße ... (lacht)
Wie war Ihre Reaktion, als Sie das Angebot bekamen, Yves Saint Laurent zu spielen?
Natürlich habe ich mich sehr geehrt gefühlt, aber gleichzeitig hatte ich plötzlich auch Zweifel: Kann ich wirklich so eine Ikone spielen? Schließlich hat das Glücksgefühl überwogen. Es ist ziemlich selten, dass man als 24-Jähriger so eine schöne Chance bekommt.
Wie viel Zeit hatten Sie, um sich auf diese anspruchsvolle Rolle vorzubereiten?
Bis zum Drehbeginn waren es insgesamt fünf Monate. Ich habe mir viele Dokumentationen über Yves Saint Laurent angesehen und alle Bücher verschlungen, die mir Einblicke in sein Leben gaben. Und ich durfte enge Freunde und langjährige Mitarbeiter von ihm treffen, die mir erzählt haben, wie Yves Saint Laurent hinter verschlossenen Türen war.
Und wie war er?
Natürlich ein genialer Künstler, aber er hatte auch Abgründe und konnte sehr hart sein.
Wie wurden Sie dann zu seinem Doppelgänger?
Ich hatte drei verschiedene Coaches. Einen Zeichenlehrer, weil der Regisseur unbedingt wollte, dass ich selber zeichne. Einen Stylisten, der mich in die Modewelt eingeführt und mir das ganze Fashion-Vokabular beigebracht hat, sodass ich mich wirklich sicher fühlen konnte. Und ich hatte einen Personal Trainer für die physische Verwandlung. Ich musste mir ja diese typische Yves-Saint-Laurent-Silhouette antrainieren: breitere Schultern bekommen, massiver und stärker werden. Besonders in den Siebzigerjahren war Yves Saint Laurent sehr maskulin und körperlich extrem fit.
Wie haben Sie sich seine Stimme angeeignet? Die war ja sehr markant.
Die Stimme war für mich der Zugang zu seinem Charakter. Ich war sehr bewegt von der Tonalität und der Art, wie er Wörter Kontrast seiner Person rauszuarbeiten: auf der einen Seite seine Fragilität und Schüchternheit, auf der anderen diese Kraft und das Expressive. Das alles hat sich in seiner Stimme niedergeschlagen.
Wenn man so sehr eins wird mit einer Person - gibt es einen Punkt, an dem man nicht mehr man selbst ist, weil man komplett mit der Rolle verschmilzt?
Absolut. Es gab Situationen, wo ich seine Gewohnheiten und Ticks annahm und nur noch mit seiner Stimme gesprochen habe. Während des Drehs hatte ich auch bewusst keinen Kontakt mit meiner Familie und meinen Freunden. Einmal musste ich aber doch einen Bekannten anrufen und habe ihm auf die Mailbox gesprochen. Er rief ganz besorgt zurück und fragte: "Oh Mann, was ist mit deiner Stimme? Geht es dir gut?" Ich habe zwei Monate gebraucht, um nach dem Dreh wieder ich selber zu werden.
Was dachten Sie, als Sie den Film das erste Mal sahen?
Ich hatte große Angst vorher. Man kann sich leicht verlieren, wenn man so eine Person spielt, und muss volles Vertrauen in den Regisseur haben. Danach war ich aber sehr glücklich, weil es so eine schöne Liebes- und Lebensgeschichte geworden ist.
Wie würden Sie Ihren eigenen Modestil beschreiben?
Ich liebe es, Sachen zu mixen und bin sehr easy going. Ich mag die Sachen von Hedi Slimane, aber einen expliziten Lieblingsdesigner habe ich nicht.
Sie haben auch im Privathaus von Yves Saint Laurent in Marrakesch gedreht. Was war das für ein Gefühl?
Ein sehr magisches. Es gibt einen Teil seines Anwesens, der für die Öffentlichkeit zugänglich ist: der Jardin Majorelle, ein wunderschöner Garten mit unfassbaren Pflanzen. Und dann ist da die Privatvilla, die uneinsehbar ist und zu der eigentlich keiner außer Pierre Bergé Zutritt hat. Dass wir hier drehen durften, half sehr, weil man wusste, Yves Saint Laurent war hier, genau an diesem Ort. Es gab Menschen, die sich um das Haus kümmerten. Sie haben auch kleine Anekdoten über seine Gewohnheiten erzählt, die unbezahlbar waren.
Pierre Bergé, der langjährige Lebensgefährte von Yves Saint Laurent, hatte großen Einfluss auf den Film. Durfte er auch mitbestimmen, wer Yves Saint Laurent spielt?
Nein, er war künstlerisch nie involviert und hat dem Regisseur voll vertraut. Sein größtes Anliegen war die Authentizität: Er wollte, dass alle Kleider und alle Locations echt waren. Hier hat er sehr geholfen.
Wie hat Bergé reagiert, als er Sie das erste Mal als Yves Saint Laurent gesehen hat?
Er war sehr bewegt. Wir haben die finale Modenschau am Laufsteg gedreht. Alle Spots waren auf mich gerichtet. Als die Szene abgedreht war und ich von der Bühne ging, sah ich, dass er Tränen in den Augen hatte. Plötzlich sah er eine lebende Version von dem Mann, den er so lange geliebt hat. Das muss ein sehr starkes und intensives Gefühl für ihn gewesen sein.
Sie haben sich für die Film- und Theaterlaufbahn entschieden. Was hätten Sie stattdessen gerne gemacht?
Ich wäre gerne Basketballspieler geworden, nur bin ich dafür leider etwas zu klein. (lacht) Aber ich bin ein riesiger Fan und spiele nach wie vor jede Woche in Paris mit Freunden.
Im Moment drehen Sie einen Film nach dem anderen. Wie und wo können Sie am besten entspannen?
Das mache ich am liebsten in Australien. Meine Freundin (Schauspielerin Natasha Andrews; Anm. d. Red.) ist Australierin und ihre Eltern haben dort ein Haus, wo wir jedes Jahr für einen Monat hinfahren. Surfen und abhängen, das kann man da perfekt.
Sie werden in Frankreich als einer der größten Nachwuchsstars gehandelt. Können Sie in Ihrer Heimatstadt überhaupt noch unbehelligt auf die Straße gehen?
Es wird immer schwieriger. Vor dem Yves-Saint-Laurent-Film habe ich zwei romantische Komödien gedreht, die in Frankreich sehr erfolgreich waren: "LOL" mit Sophie Marceau und "It Boy" mit Virginie Efira. In letzter Zeit werde ich immer häufiger erkannt und angesprochen.
Können Sie sich noch daran erinnern, was Sie sich von Ihrer ersten Gage gekauft haben?
Puh ... ich war 16 und hatte gerade meinen ersten TV-Film gedreht. Es war eine Kamera! Eine wirklich gute Kamera, die richtig teuer war.
Der Yves-Saint-Laurent-Film beschäftigt sich mit Luxus. Wie definieren Sie Luxus für sich selber?
Luxus bedeutet für mich, dass man sich etwas leistet, was man nicht selber machen kann. Es braucht Zeit, Erfahrung und das nötige Know-how, um etwas wirklich Schönes zu kreieren.
Wie geht es bei Ihnen weiter?
Ich spiele Theater an der Comédie-Française und muss zum ersten Mal singen und tanzen. Außerdem werde ich in einem französischen Thriller mitspielen. Und ich habe gerade bei einem Agenten in Los Angeles unterschreiben. Wer weiß, was noch kommt ...