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Stars in der Politik Nur mal kurz die Welt retten

Ob aus Nächstenliebe oder zu PR-Zwecken - noch nie haben Stars sich so sehr in die Politik eingemischt

George Clooney lächelt säuerlich.

Er war zwei Wochen im Südsudan, traf Flüchtlinge, geriet in einen Bombenangriff. Nun will er mit einem Dokumentarfilm auf die Lage in der Krisenregion aufmerksam machen - doch die Reporter fragen ständig nach "Kony 2012", der Youtube-Kampagne zur Ergreifung des ugandischen Warlords. Sichtlich konsterniert sagt Clooney: "Wir waren zwei Wochen im Sudan, jetzt kommen wir wieder, und jeder will etwas zu Joseph Kony wissen."

Kony 2012, Malala, Pussy Riot, Occupy - an Möglichkeiten, gegen Ungerechtigkeit anzukämpfen, mangelte es in diesem Jahr nicht. Über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter teilen Menschen auf der ganzen Welt zunächst den Link - und dann Empörung, Wut und das Bedürfnis zu helfen. Celebritys sind dabei wichtige Multiplikatoren. Sie sind Sympathieträger, ihre Stimme hat Gewicht: Sie können Massen mobilisieren. 100 Millionen Internetnutzer klickten binnen drei Wochen den Film "Kony 2012" an.

Dekorativer Solidaritätsbeweis: Madonna stärkte bei einem Konzert die inhaftierten russischen Musikerinnen "Pussy Riot" - und ih
Dekorativer Solidaritätsbeweis: Madonna stärkte bei einem Konzert die inhaftierten russischen Musikerinnen "Pussy Riot" - und ihr eigenes Image als kämpferische Frau.
© Picture Alliance

Ein zwiespältiger Erfolg: "Der weiße Retter duldet morgens brutale Politik, gründet nachmittags eine Hilfsorganisation und bekommt abends dafür eine Auszeichnung", kritisiert beispielsweise der nigerianische Schriftsteller Teju Cole. Damit wehrt er sich gegen emotionale Kampagnen und Schwarz-Weiß-Malerei; die Wirklichkeit sei vielschichtiger und die Unterteilung in Gut und Böse nicht so leicht. Tatsächlich ist es ein schmaler Grat zwischen notwendigem Aufbegehren und blindem Aktionismus. Und die Halbwertzeit des Engagements, auch das zeigt das Jahr 2012, ist kurz. Der Aktionstag zu "Kony 2012" am 20. April geriet zum Flop - das Interesse war nur einen Monat nach der gigantischen Youtube-Welle deutlich abgeklungen. Aufmerksamkeit und Aufbegehren wanderten zu den inhaftierten russischen Punk-Sängerinnen Pussy Riot weiter, später im Jahr zum Schicksal der 15-jährigen Malala Yousafzai aus Pakistan (Angelina Jolie rief zu Spenden für die "Women In The World Foundation" auf) und immer wieder zu Wikileaks-Gründer Julian Assange in seinem Exil in der ecuadorianischen Botschaft in London. Lady GaGa besuchte ihn dort, und Designerin Vivienne Westwood kreierte T-Shirts à 45 Dollar, deren Erlös der Enthüllungsplattform zugutekam.

Für Julian Assange: Vivienne Westwood designte ein T-Shirt, dessen Erlös an Wikileaks geht.
Für Julian Assange: Vivienne Westwood designte ein T-Shirt, dessen Erlös an Wikileaks geht.
© Picture Alliance

Empörungsindustrie oder echtes Engagement? In den Vereinigten Staaten schneidern Agenturen wie "United Talent Agency" oder "Creative Artists Agency" Prominenten soziales Engagement auf den Leib: Für Johnny Depp ein Portfolio aus Kinder- und Tierschutz, Unterstützung für Parkinson-Kranke und Obdachlose; auf der Agenda von Scarlett Johansson stehen unter anderem diabeteskranke Kinder, "Oxfam" und die "Michael J. Fox Foundation". Charity-Arbeit gerät hier zur klassischen Lobbyarbeit, denn natürlich konkurrieren die wohltätigen Einrichtungen untereinander um Aufmerksamkeit und Testimonials. Und immer wird die Frage gestellt, wie viel von den Spenden am Ende tatsächlich bei den Betroffenen ankommt - oder eher in Kampagnen, Eigenwerbung und den Ausbau der Organisation fließt.

Die gute Sache gerät hier schnell in ein heikles Spannungsfeld. So ehrenwert das Bedürfnis zu helfen ist - natürlich wissen Celebritys, dass ihr karitativer Einsatz sie schmückt. Und unter der Inflation von Charity-Aufgaben leidet inzwischen die Glaubwürdigkeit. Immer wieder fragt sich die Öffentlichkeit: alles nur Eigen-PR? George Clooney will unbedingt den Eindruck vermeiden, sein Interesse am bürgerkriegsgebeutelten Sudan sei ein reines Lippenbekenntnis. Kurz nach seiner Rückkehr aus Afrika ging er ins Zentrum der Polit-Entscheider und trug sein Anliegen dem außenpolitischen Ausschuss des US-Senats vor. Abends traf er Barack und Michelle Obama. Einige Tage später ließ er sich nach einer Demonstration vor der sudanesischen Botschaft in Washington verhaften. Auf die Frage, ob er glaube, mit seinem Engagement tatsächlich etwas erreichen zu können, sagte Clooney: "Wahrscheinlich nicht, aber die Leute sollen nicht sagen können, sie hätten nichts gewusst." Bettina Klee

gala.de

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