Sie lassen es richtig krachen:
gehen wie David Arquette auf Sauftour, feiern wie Charlie Sheen Partys mit Koks und Prostituierten, haben wie Tiger Woods Sex mit Groupies. Und dann, wenn ihnen nach einer erholsamen Auszeit ist, haben die Stars die Qual der Wahl: Soll es das "Passages" sein, ein rosa Prunkbau in Malibu? Oder soll es lieber richtig raus aus der Stadt gehen, nach Arizona vielleicht, wo "The Meadows" ein herrliches Bergpanorama bietet? Das sind nur zwei von unzähligen Einrichtungen, die sich auf den Entzug von Alkohol und Drogen sowie Hilfe bei Essstörungen, Depressionen, Sex- oder Spielsucht spezialisiert haben und in denen die Stars mittlerweile Stammgäste sind. Ob "Promises", "Wonderland" oder "Cirque Lodge", die Kliniken mit den blumigen Namen sind für Sheen & Co ein zweites Zuhause geworden.
Sie begeben sich in "Rehab", was so viel harmloser klingt als "Entzug" oder "Therapie". Rehab - ein Wort, das inzwischen zu Stars gehört wie Oscar-Verleihung, Walk of Fame oder Size Zero. Drei Jahre nach Britney Spears' Totalausfall hat Hollywood es tatsächlich geschafft, dass "Rehab" gesellschaftsfähig geworden ist: "Früher war es ein Stigma, zu uns zu kommen, heute ist es, als würde man ein Shirt von Ralph Lauren tragen", sagt Chris Prentiss, Direktor der "Passages"-Klinik. Der Psychologe und Buchautor Richard DeGrandpre ("Die Ritalin Gesellschaft") pflichtet ihm bei: "Rehab ist in. So absurd es auch ist, sie ist zum festen Bestandteil der Celebrity-Kultur geworden."
image
Wurde es früher mit allen Mitteln verheimlicht, wenn etwa Liz Taylor oder Eric Clapton sich von ihren Süchten kurieren ließen, gehen PR-Manager heute offensiv mit dem Thema um. "Rehab ist nicht nur Mainstream, sie scheint in der Populärkultur unvermeidbar", analysiert Martin Kaplan, Professor für Kommunikation an der Universität von Südkalifornien. Die Idealisierung des Entzugs sei tief verwurzelt in der menschlichen Psyche: "Wir sind fest davon überzeugt, dass das Leben voller Höhen und Tiefen, schwarzer Momente und Zufälle ist, bei deren Bewältigung wir Hilfe brauchen." Die Abhängigkeit von Alkohol oder Heroin, Medikamenten oder Spielautomaten wird in Hollywood kaum mehr als Schwäche angesehen. Vielmehr werden Stars heute für ihren angeblichen Mut bewundert, wenn sie öffentlich zu ihren Problemen stehen und Besserung geloben. Das Karriere-Aus bedeuten Sucht und Rehab schon lange nicht mehr. Oft drängen die Filmfirmen ihre Schützlinge sogar in die Therapie und verschieben Filmprojekte monatelang. Kein Problem: Erstens sind sie gegen derartige Ausfälle versichert, zweitens könnte die mediale Aufmerksamkeit für den späteren Film oder die CD größer nicht sein. Robert Downey jr. etwa gehört nach diversen Entzügen wieder zu den Top-Stars in Hollywood, ebenso wie Sheen.
Gerade hier liegt auch die Gefahr. Eine schlimme und sogar lebensbedrohliche Krankheit wird verharmlost, aus Süchtigen werden gefallene Helden, das grausame Spiel mit Sucht und Rehabilitation wird schick. Ob Lindsay Lohan, Mischa Barton oder Tara Reid - für sie alle heißt es: Nach der Rehab ist vor der Rehab. Ebenso tragisch wie vorhersehbar. Denn viele Mitglieder des jungen Hollywood scheinen sich ihrer Lage nicht wirklich bewusst zu sein - die Beteuerungen, jetzt ein neues Leben anfangen zu wollen, bleiben meist Lippenbekenntnisse. Oft ist die Rehab für sie nur eine Chance, einer Gefängnisstrafe zu entgehen, etwa wenn sie zum wiederholten Mal dabei erwischt wurden, wie sie betrunken oder bekifft Auto gefahren sind. Dabei wäre die Einsicht, dass sie wirklich krank sind, Hilfe brauchen und sich bis an ihr Lebensende disziplinieren müssen, die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie.
Aber warum dieser unbequemen Wahrheit ins Auge blicken, wenn in den angesagten Clubs sogenannte "Rehab-Partys" mit Unmengen Alkohol gefeiert werden und Shirts mit der Aufschrift "Betty Ford Clinic" trendy sind? Allzu leicht wird es den Stammgästen der Rehabs häufig gemacht. Sheen etwa verlässt seine Klinik gern Freitagabends, feiert das Wochenende über und kehrt am Montag zurück.
Wie Luxushotels um Touristen werben diese Einrichtungen um ihre Patienten. Denn die sind überaus lukrativ: Bis zu 60.000 Euro kostet ein vierwöchiger Entzug. Laufend eröffnen neue Kliniken: In Malibu - 14.000 Einwohner - gibt es mittlerweile 25 Rehab-Center, die mit Pool und Park, Meerblick und Massagen locken. Ein Aufenthalt dort gilt geradezu als Statussymbol. Die Rehab schmückt den Prominenten wie eine Rolex oder ein Rolls-Royce - ein Trend, der in den USA begann und jetzt auch nach Europa schwappt. Mussten sich etwa die britischen Sorgenkinder Amy Winehouse und Pete Doherty bisher noch in regulären Krankenhäusern behandeln lassen, können sie künftig im Londoner "Recovery Centre" von Robert Batt einchecken. Zur "familiären Therapie", mit der die in Chelsea gelegene Einrichtung wirbt, kann auch mal eine Porschefahrt mit dem Inhaber gehören. Das dürfte auch Amy Winehouse gefallen, die in ihrem Hit "Rehab" noch jeden Gedanken an einen Entzug mit einem entschiedenen "No, No, No" abschmetterte.
Tatjana Detloff, Mitarbeit: Arndt Striegler, Frank Siering