Die Lieblingsherberge Hollywoods liegt genau hier.
687 gigantische Pinien säumen die Promenade des Hotel "Du Cap - Eden-Roc" am Cap d'Antibes, nur 15 Minuten Bootsfahrt von Cannes entfernt. Hierher ziehen sich die Superstars zurück. Nach dem Schaulaufen an der Croisette kehrt man heim ins "Eden-Roc" und trifft, ganz entspannt, Gleichgesinnte. Ich kann nun den würzigen Duft der Pinien genießen, blinzel hinaus aufs Mittelmeer und darf auf Tuchfühlung gehen mit diesem erlesenen Ort, an dem der Geldadel die Badehosen anhat und Brad Pitt wie ein ganz normaler Gast behandelt wird. Immerhin einer, der 1200 Euro für eine Übernachtung in einem der 118 Zimmer zahlt.

Sharon Stone etwa logiert hier regelmäßig in Suite 67, Hoteldirektor Philippe Perd erzählt mir über den jüngsten Besuch seines Stammgasts, den er immer höchstpersönlich an der Anlegestelle des Hauses abholt. "Es fühlt sich so gut an, wieder zu Hause zu sein", säuselte die Stone bei ihrer Ankunft. Butterweich und schwärmerisch werden hier selbst die verwöhntesten Menschen, niemand möchte im Paradies durch schlechtes Benehmen auffallen. Extravagante Wünsche werden jedoch trotzdem diskret und "tout de suite" erfüllt.
Zahlreiche Mythen umranken das zauberhafte Anwesen und pflegen so fast beiläufig das Image des Hotels, das 1870 ursprünglich als Rückzugsort für ausgebrannte Schriftsteller erbaut wurde. F. Scott Fitzgerald schrieb hier seinen Roman "Zärtlich ist die Nacht". Pablo Picasso half bei der Gestaltung der Menükarten. Elizabeth Taylor ließ jedes Jahr ihr Gepäck mit dem Lkw vorfahren. Der Geist des alten Hollywoods und der glamourösen Tage des Geldadels an der Côte weht noch immer durch die Flure. Wer hier residiert, wird automatisch eine Person der Zeitgeschichte. In den kommenden zehn Tagen entspannen und feiern Brad Pitt, Sean Penn und Nicole Kidman auf dem neun Hektar großen Refugium. Es herrscht Hochsaison während der Filmfestspiele von Cannes. Der Poolbereich des "Eden Roc", in der Nacht kann das Wasser die Farbe wechseln, ist das eigentliche Separee der VIPs.

Hoteldirektor Philippe Perd führte das Haus in die Moderne und ordnete eine 64 Millionen Euro teure Renovierung an. Wenn heute Stammgäste sagen: "Aber Monsieur Perd, was haben sie denn genau verändert?", freut ihn das ungemein, denn die Seele des Hauses ist erhalten geblieben. Winzige Veränderungen erhöhen den Service. Noch bis vor wenigen Jahren galt hier das Motto "Cash Only", erst seit 2005 kann der Gast mit Kreditkarte zahlen. "Wenn jemand eine Flasche ‚Château Pétrus' bestellen will, sollte er nicht darüber nachdenken, ob er genug Bargeld in der Tasche hat", sagt Philippe Perd. Ansonsten aber bleibt das Hotel bei seinen Regeln, für die der Vorgänger des Direktors, Jean Claude Irondelle, berühmt und berüchtigt war: 35 Jahre lang tanzten Hollywood-Stars, Adelige und Millionäre nach der Pfeife des Herbergsvaters. Während des Essens etwa herrscht noch heute Handyverbot, außerdem gibt es eine strikte Kleiderordnung. So wurde Kate Moss gebeten, doch, bitteschön, diskretere Kleidung zu tragen. Irondelle hatte das Model, nur mit einem Bikini bekleidet, in der Lobby erwischt.

Ich treffe Chef-Portier und Wagenmeister Michel Babin de Lignac, der seit 37 Jahren für die Oetker-Familie arbeitet, in deren Besitz das Hotel seit 1969 ist. Würde der Portier seine Memoiren schreiben, sie würden ein Bestseller. Doch Michel Babin de Lignac hält sich vornehm zurück, er weiß, warum er den Job schon so lange hat. "Die Stars spüren die Magie des Hauses, keiner hat sich bisher wirklich daneben benommen", sagt er. Und erinnert sich nun doch an einen besonderen Moment mit Bruce Willis, der einen Tisch für 30 Personen reserviert hatte, dann aber mit 300 auftauchte. Die Party endete in den frühen Morgenstunden am Pool, Willis selbst spielte Saxofon.

30 000 Rosen zum Hochzeitsantrag, Kaviar zum Geburtstag des Hundes - es sind auch die weniger prominenten Gäste, die hier mit Extravaganzen auffallen. Und dann sind da natürlich noch die Cabanas auf den Felsklippen, der schönste Luxus des Hauses. Die 31 schlichten Holzhütten thronen direkt über dem Meer. Für einen Aufpreis von 550 Euro pro Tag können Hotelgäste hier ungestörte Stunden am Meer verbringen - inklusive privatem Strandzugang. Alles ist tatsächlich noch genauso wie vor 50 Jahren: Zwei Liegen im Inneren der Hütte, zwei Sonnenliegen außen - keine Elektrizität, kein fließendes Wasser. Hier sonnte sich Marlene Dietrich, hier luden sich John F. Kennedy und Frank Sinatra Damen zum Rendezvous ein. Herrscher der Hütten ist Giovanni Rizzi, der Italiener ist seit 32 Jahren für das Hotel tätig. Während er uns Entrecôte und Zitronentartes in Cabana Nr. 506 serviert, erklärt er, dass die Hütten nur am Tag genutzt werden dürfen. Selbst bei Monica Bellucci, die hier eine romantische Nacht verbringen wollte, habe man keine Ausnahme gemacht.
Der Blick aufs Meer verheißt hier Ewigkeit. Und vielleicht ist gerade das die Magie dieses Ortes - stilvoll, leise, erlesen wird hier das Savoir-vivre gefeiert. Cary Grant oder George Cloney? Hier ist das Hotel der Star und wird es an dieser traumhaften Küste immer bleiben. Erst in wenigen Tagen wird hier der Jetset ankern, die großen Cannes-Partys von "Vanity Fair", dem Schmuckriesen "de Grisogono" und die Amfar-Gala stehen an. Auf dem Plateau des Pools werden Hollywood-Stars, Produzenten, Regisseure und einige auserwählte Zaungäste Champagner trinken. Die großen Jachten werden träge in 100 Meter Entfernung dümpeln, der Wind wird etwas Partygelächter über die Bucht treiben. Das Geräusch spontaner Kopfsprünge von einer Reling wird die Gesellschaft dazu animieren, eventuell über die Stränge zu schlagen. "Eine Cannes-Party, die nicht hier stattfindet, ist wie Champagner, der nicht perlt", sagt Hoteldirektor Philippe Perd schmunzelnd. Und wenn die Stars Ende Mai das Hotel verlassen, wird es wieder ruhiger am Cap. Stammgäste wie die britische Familie Kleeman ziehen ein. Sie kommen seit 50 Jahren jedes Jahr, inzwischen mit Kindern und Enkelkindern, mieten sich im Juli und August mindestens für neun Wochen ein. Nirgendwo sonst ist man dem Paradies näher. Wenn man zu den "Happy Few" gehört, denen der Eintritt gewährt wird.
Hili Ingenhoven