Verletzend ist beides, aber was schmerzt mehr? Wenn der Vater, vorgeblich in Sorge, zur besten Sendezeit die Lebenskrise seiner Tochter diskutiert, weil er sich selbst so gern im Fernsehen sieht? Oder wenn das Escort-Girlen detail über "stundenlangen heißen Sex" mit dem sehr berühmten, natürlich verheirateten Kunden berichtet, weil es für solche pikanten Infos ein kleines Vermögen gibt?
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Nicht nur Lindsay Lohan und David Beckham haben darunter zu leiden, dassin der Öffentlichkeit ausgebreitet wird, was man eigentlich für sich behalten will. Jeder Star muss inzwischen befürchten, dass Vertrauliches nach außen dringt. Enthüllungsgeschichten haben Hochkonjunktur in Hollywood - angefeuert durch den Skandal um den fehlbaren Golfer Tiger Woods und seine mittlerweile 15 auskunftsfreudigen Ex-Geliebten. Ein Leben in der Öffentlichkeit bedeutet auch ein Leben voller Misstrauen. Wer wie Madonna oder Brad Pitt und Angelina Jolie viele Angestellte in seinem engsten Umfeld beschäftigt, läuft automatisch Gefahr, bespitzelt zu werden. Wer sich wie Jesse James eine Geliebte zulegt, der kann fast sicher sein, dass die Dame früher oder später in einer saftigen "So war es wirklich"-Story auspackt. Und wer sich wie Lindsay Lohan mit einem Elternteil zerstreitet, sieht sich schnell mit einem Enthüllungsbuch konfrontiert.
Wahr, übertrieben, frei erfunden? Das scheint keine Rolle zu spielen. Je bizarrer die Geschichte ist, desto lohnenswerter für den, der sie verbreitet. Die Journalistin Elizabeth Jones erklärt: "Bei uns in Großbritannien hat die Boulevardpresse einen unersättlichen Appetit auf Enthüllungsgeschichten. Je prominenter das Opfer, desto höher die Auflage."
Rachel Uchitel zum Beispiel, die als erste Tiger-Woods-Gespielin an die Öffentlichkeit ging, soll inzwischen acht Millionen Euro durch ihr Sex-Abenteuer verdient haben. Zunächst soll sie um die zwei Millionen Euro Schweigegeld von Tiger eingestrichen haben. Trotzdem ließ sie es sich nicht nehmen, erotische Mails zu veröffentlichen und durch Talkshows zu tingeln. Derzeit bastelt sie an der Entwicklung ihrer eigenen Reality-Soap "Romancing Rachel" - und begibt sich damit in die einträgliche Luder-Verwertungsmaschinerie. Auch Brittney Jones, Nicole Forrester und Michelle McGee, die sich tatsächlich oder angeblich mit Ashton Kutcher, Josh Duhamel und Jesse James eingelassen hatten, kennen diese Masche: sich erst auf Kosten eines Stars profilieren, dann selbst so etwas wie eine Showbiz-Karriere starten.
Die Amerikaner seien "fasziniert von Ludern", erklärt Celebrity-Autorin Cooper Lawrence gegenüber Gala. "Denn diese Frauen sind gewöhnliche Menschen, die in die Welt voll Ruhm und Reichtum hineingeschnuppert haben. Dafür mussten sie nichts tun, außer einen Star zu treffen, sich mit ihm einzulassen - und darüber zu reden. Dass wir sie nicht als Persönlichkeiten wahrnehmen, sondern nur wegen ihrer schmutzigen Geschichten, ist für sie kein Problem."
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Verraten und verkauft werden Stars nicht nur durch Luder, schräge Verwandte oder illoyale Angestellte, sondern gelegentlich auch auf Augenhöhe - also durch andere Stars. Kate Moss konnte mit dem Rest der Welt in Russell Brands Autobiografie "Booky Wook 2" nachlesen, wie sie ihn 2006 per SMS zu einer Affäre überredet hatte. Mick Jagger zitterte vor dem gerade erschienenen Fotobuch seiner Ex Jerry Hall - weil sie in "My Life In Pictures" seine zahllosen Seitensprünge beschreibt. Und Julia Roberts musste in Rupert Everetts Buch "Rote Teppiche und andere Bananenschalen" lesen, dass sie am Set von "Die Hochzeit meines besten Freundes" irgendwie "ein bisschen nach Schweiß" gerochen habe ... Doch was sind solche Seitenhiebe gegen die Breitseiten des Personals! Bodyguard Mickey Brett etwa wich jahrelang nicht von Angelina Jolies Seite, spielte Babysitter und legte sich mitunter so beherzt mit den Paparazzi an, dass er sogar verklagt wurde. Das Gesetz war ihm im Zweifelsfall weniger wichtig als Angelinas Wohlergehen. Umso größer ihre Enttäuschung, als er nach seiner Kündigung in Interviews durchsickern ließ, seine Ex-Chefin sei ein "totaler Psycho" und privat das komplette Gegenteil von dem, was sie öffentlich darstelle. Nächstenliebe? Die Welt verbessern? Nichts davon! Sie bestrafe Brad Pitt und die Kinder mit emotionalem Rückzug, und "wenn die Kinder weinen, dann kichert sie". Mickey Bretts angedrohtes Buch ließen Brangelina per Gerichtsbeschluss stoppen.
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Auch Madonna konnte nur mit juristischen Mitteln verhindern, dass ihre ehemalige Mitarbeiterin Melissa Dumas Schwarz auf Weiß über sie lästert. Als "Kontrollfreak" wurde Madonna von der Nanny geschmäht. Die Chefin habe ihr eine Diät verordnet und ihr verboten, Zeitungen zu lesen oder fernzusehen. Wie Angelina Jolie, deren Vater John Voight jahrelang öffentlich über das gestörte Verhältnis zur Tochter plauderte, hatte Madonna zusätzlich mit Verrat aus der eigenen Familie zu kämpfen: Ihr Bruder und Ex-Assistent Christopher Ciccone schrieb sich seinen offenbar jahrelang aufgestauten Frust von der Seele, erzählte in seinem - veröffentlichten - Buch, wie es ist, im Schatten einer Despotin zu leben.
Immer mehr Stars versuchen sich mittlerweile nach dem Motto "Wehret den Anfängen!" zu schützen. Schauspieler Bill Murray soll aus Misstrauen kein Handy besitzen. Wer ihn erreichen will, muss eine Servicenummer wählen und eine Nachricht hinterlassen. Manchmal ruft Murray tatsächlich zurück. Popdiva Cher stellte angeblich eigens zur Überwachung ihres Personals einen Aufpasser ein. Und fast alle Stars lassen ihre Hausangestellten heute ein "Confidentiality Agreement" mit oft 20 und mehr Seiten unterschreiben. Darin ist "haarklein all das enthalten, was nicht nach außen getragen werden darf", wie ein Anwalt Gala verriet. "Dazu gehören persönliche Beobachtungen im Haus des Arbeitgebers - Essgewohnheiten, Telefonate, Gäste. Manche führen sogar Sexpraktiken und Arztbesuche extra als Tabu auf." Es drohen Konventionalstrafen von bis zu einer Million Dollar.
Nutznießer in dieser Atmosphäre des Misstrauens: loyale Mitarbeiter, die nun kräftig punkten können. Die Nanny Marva Soogrimetwa. Seit bald 30 Jahren kümmert sie sich um Promi-Nachwuchs, war bei Reese Witherspoon und Courteney Cox angestellt. Julia Roberts soll ihr nach der Geburt von Söhnchen Henry Daniel ein Jahresgehalt von einer Million Dollar geboten haben. Dabei ist Soogrim längst Millionärin. Weil sie mit Kindern umgehen kann - und noch nie ein Wort über ihre Arbeitgeber verloren hat.
Roland Rödermund
Mitarbeit: Frank Siering, Julide Tanriverdi, Ulrike Schröder