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Milena Glimbovski "Unsere Mission ist es, den Status quo zu hinterfragen"

Milena Glimbovski
Milena Glimbovski
© Christian Kielmann
Die Welt plastikfreier zu machen - das ist die Mission von Milena Glimbovski und ihrem "Original Unverpackt"-Team. Im GALA-Interview spricht die Gründerin des Supermarkts über ihr Konzept, ihre Erfolge und darüber, was sie sich von der Politik wünscht. 

Haben Sie mal beobachtet, wie viel Müll Sie im Haushalt produzieren? Oder darauf, wie viel Plastik bei Ihnen im Einkaufswagen landet? Halten Sie mal die Augen offen: Es ist erschreckend, wie viel Verpackung sich im Alltag ansammelt.

Dass dem aber nicht so sein muss, beweist Milena Glimbovski. Seit 2014 kann man in ihrem "Original Unverpackt"-Laden (kurz: OU) in Berlin Kreuzberg plastikfrei einkaufen. Der Laden avancierte zu einer ganzen Bewegung und beinhaltet mittlerweile auch einen Onlineshop, ein Magazin und einen eigenen Instagram-Account. Im Interview mit GALA verrät Milena Glimbovski, was alles hinter ihrem Konzept steckt, was sie sich von der Politik wünscht und ob ein Einkauf im Unverpackt-Laden - wie von vielen befürchtet - tatsächlich teurer als in gängigen Supermärkten ist. 

GALA: Frau Glimbovski, was genau ist "Original Unverpackt"?
Milena Glimbovski: "Original Unverpackt" ist mehr als nur ein Laden. Es ist eine Marke und eine Bewegung, die versucht, das verpackungsarme und nachhaltige Leben zu ermöglichen. Wir haben zwar einen Laden und einen Onlineshop, wir bieten aber auch Onlinekurse an, in denen wir zeigen, wie man einen eigenen Unverpackt-Laden eröffnen kann. Zusätzlich informieren wir auf unseren Social-Media-Kanälen über ein ökologisches und nachhaltiges Leben. Wir versuchen also nicht nur, Lebensmittel in einem kleinen Laden in Kreuzberg zu verkaufen, sondern auch wirklich so viel zu bewegen, wie wir können. 

Welche Mission steckt hinter Ihrer Arbeit?
Die Mission - leicht runtergebrochen - ist, die Welt besser zu verlassen, als wir sie vorgefunden haben. Ich habe ja nicht gegründet, weil ich unbedingt gründen wollte, sondern weil ich ein Problem gesehen habe und eine Lösung finden wollte, die mir so noch niemand angeboten hat. Unsere Mission ist es, den Status quo zu hinterfragen und zu verbessern. 

Was kann man bei Ihnen einkaufen?
Bei uns kann man "trockene" Artikel sowie Flüssigkeiten einkaufen. Also gibt es bei uns Öle und Essige, aber auch Müsli, Süßigkeiten, Gewürze und Tee. Dazu kommen dann auch Non-Food-Artikel und Naturkosmetik – und das alles natürlich plastikarm. Viele Unverpackt-Läden haben auch noch andere Bereiche, wie zum Beispiel Obst und Gemüse oder Backwaren. Wir bieten bei uns Obst und Gemüse mittlerweile nicht mehr an, weil wir festgestellt haben, dass ganz viele Bioläden inzwischen auch auf Plastik verzichten. Das heißt, wir müssen immer weniger machen und haben jetzt mehr Platz für Sachen, die schwer unverpackt zu bekommen sind. 

Gibt es etwas, das Sie gern verkaufen würden und es aktuell aber noch nicht dürfen?
Wir würden gern Olivenöl lose verkaufen, was aber gesetzlich sehr schwierig ist. Wir haben schon viele Öle, aber bezüglich Olivenöl ist die Gesetzgebung sehr streng. Niemand in der EU darf Olivenöl lose verkaufen. Außerdem gibt es zu wenig Milchalternativen im Mehrwegglas. Joghurt aus Soja oder Mandel oder Kokosdrink - das ist immer mit Plastikmüll verbunden; was doof ist, weil wir viele vegane Kunden haben. Wir können jetzt zumindest bald Cashewmilch verkaufen, aber was die Joghurts angeht, da sind wir noch hinterher. Da ist sogar Tschechien weiter als wir.

Auf was für Schwierigkeiten stoßen Sie in Ihrem Laden?
Das Gesundheitsamt war am Anfang oft da und war auch sehr streng. Ich glaube auch strenger als anderswo. Aber da kann man auch Glück oder Pech haben, je nachdem, wer für einen zuständig ist. Wir wurden aber gut beraten und haben mit denen immer Lösungen gefunden. Ich glaube, bei uns ist es hygienischer und sauberer als in jedem normalen Supermarkt. Nicht nur, weil wir kleiner sind und es besser kontrollieren können, sondern auch, weil das Gesundheitsamt sehr darauf achtet. Und nicht zuletzt kaufen auch meine Mitarbeiter und ich im Laden ein und wollen, dass es ordentlich bei uns zugeht. 

Ist ein Einkauf bei Ihnen teurer als im herkömmlichen Supermarkt?
Ja und nein. Man kann uns nicht mit einem herkömmlichen Supermarkt vergleichen, weil wir fast nur Bio-Lebensmittel führen. Wenn man uns aber mit einem Biosupermarkt vergleicht, sind wir nicht teurer. Im Gegenteil: Wir sind in ganz vielen Bereichen sogar oft billiger; zum Beispiel bei Gewürzen, Tee, Müslis oder Nüssen. 

Die Produkte werden an die Unverpackt-Läden zumeist in großen Säcken geliefert. Können Sie diese mehrfach verwenden?
Die meisten Sachen kommen in 25-Kilo-Säcken, sogenannten Großgebinden, aus Papier oder Reis. Die Säcke aus Plastik können wir ganz gut aufheben und an Leute weitergeben, die sie upcyclen. Daraus kann man zum Beispiel kleine Kartoffelbeete machen oder Taschen nähen. Wir haben aber auch Produkte, die eine Zero-Waste-Lieferkette haben. Die Kaffeebohnen kommen zum Beispiel in Behältern, die wir wieder zurückgeben und die dann wiederverwendet werden. Öle und andere Flüssigkeiten kommen zwar in Plastikbehältern, aber die können wir an den Hersteller zurückgeben. Der reinigt diese dann und befüllt sie wieder, da haben wir ein Pfandsystem. Wir arbeiten mit einem Großhändler zusammen, von dem wir mittlerweile auch Passata im Pfandglas beziehen. Auch der Unverpackt-Verband, den es inzwischen gibt, arbeitet mit dem Großhandel zusammen und hilft ihm, gemeinsam weitere Produkte zu entwickeln. 

Worauf sind Sie im Zuge Ihrer Arbeit besonders stolz?
Ich bin stolz auf das Team. Es ist so schön, dass im Laden oder Büro Menschen sind, die ähnliche Werte haben. Das macht wirklich viel Freude, sich über Dinge auszutauschen. Man geht gern zur Arbeit, denn auch die Kunden sind ähnlich. Auf die bin ich tatsächlich auch stolz. Die Leute, die sich die Mühe machen bei uns einzukaufen, halten uns nicht nur am Leben, sondern sind von dem Konzept absolut überzeugt. Wir haben zum Beispiel eine superniedrige Krankheitsrate. Eine Mitarbeiterin sagte vor Kurzem zu mir, dass sie sich eigentlich nie krankmelden muss, da man bei uns immer im Homeoffice arbeiten kann, wenn es zu stressig wird. Dadurch konnte sie sich immer gut auskurieren und ist nie wirklich krank geworden. Es ist wirklich toll zu sehen, was eine gute Arbeitsatmosphäre erreicht und schafft. Wir haben zum Beispiel auch beschlossen, dass Mitarbeiterinnen, die ihre Tage haben, sich nicht krankmelden müssen. So muss man sich nicht jeden Monat mit einer vorgeschobenen Erkältung entschuldigen, sondern kann das auch so benennen. 

Und im Bezug auf die Zero-Waste-Bewegung? Was erfüllt Sie da mit Stolz?
Dass sich die Bewegung vergrößert hat. Ich bin stolz, dass die Menschen in Deutschland dafür offen sind und ihr Verhalten geändert haben. Dass das Bewusstsein so weit ist, ist echt schön. Auch dass wir jetzt Gesetze auf EU-Ebene haben, die bestimmte Einwegprodukte verbieten, ist ein Fortschritt. 

Welche konkreten Tipps können Sie uns geben, um Plastik einzusparen?
Der erste Schritt ist, sich seinen eigenen Müll anzuschauen und zu prüfen, wo man den meisten Müll produziert. Die Frage ist aber auch, warum man Plastik vermeiden möchte. Sollte man das aus gesundheitlichen Gründen tun wollen, dann sollte man Plastik auf jeden Fall bei Obst und Gemüse reduzieren. Dann kann man versuchen, auf dem Markt, an den Frischetheken oder im Unverpackt-Laden einzukaufen.  Macht man das aus dem Grund, weil man die Umwelt retten und etwas für die eigene CO2-Bilanz tun will, dann sollte man sich noch andere Fragen stellen. Zum Beispiel, wie man verreist oder wie man sich ernährt und zum Beispiel auch seinen Stromanbieter überdenken.

Florian David Fitz

Sie sind schon so weit gekommen, gibt es trotzdem etwas, was Sie sich für die Zukunft wünschen?
Ich wünschte, die Politik würde Gesetze erlassen, die umweltfreundliches Verhalten belohnen bzw. umweltunfreundliches Verhalten teurer machen. Das ist tatsächlich mein größter Wunsch, denn das würde Menschen, die umweltfreundlich leben wollen, alles erleichtern. Viele Leute können es sich zum Beispiel nicht leisten, die Bahn zu nehmen, anstatt zu fliegen, weil es einfach zu teuer ist. Da werden die Leute, die umweltfreundlich reisen und konsumieren wollen, bestraft. Das ist nicht fair. Das Gleiche gilt natürlich für Mehrweg- oder regionale Produkte, die preiswerter sein sollten.

Verwendete Quellen:Eigenes Interview

Gala

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