Am 11. November ist Singles' Day, ein Tag, der lange als "Anti-Valentinstag" gesehen wurde. 2009 haben chinesische Händler den Singles' Day erstmals zum Anlass genommen, um mit gezielten Rabattaktionen die in ihren Augen "frustrierten Alleinstehenden" zum Kauf anzuregen. Ein Plan, der (leider) aufgeht, denn sowohl Singles als auch Vergebene freuen sich über Schnäppchen. Traurig ist allerdings, dass dieser Verkaufsansatz die Stigmatisierung von Alleinlebenden bestärkt.
Erklärungspflicht für Singles über 30
Schauspielerin Emma Watson, 30, sagte zuletzt im "Vogue"-Interview: "Es hat lange gedauert, aber ich bin sehr glücklich. Ich sage dazu, dass ich in einer Partnerschaft mit mir selbst bin." Auf Englisch nennt sie es "self-partnered“, wofür sie sich aber häufig rechtfertigen müsse. Mit 30 habe sie in den Augen vieler eine magische Grenze überschritten: "Warum machen alle so einen Stress darum, wenn man 30 wird? Das ist doch keine große Sache". Sie realisierte, dass sie gestresst und angespannt war, weil "plötzlich überall dieser verdammte Einfluss von unterschwelligen Botschaften um mich herum ist." Ständig werde sie nach einem Partner gefragt und wann sie denn endlich eine Familie gründen wolle. Der Höhepunkt ist dann erreicht, wenn andere versuchen das "Problem" zu analysieren und damit eine unterschwellige Erwartungshaltung mitschwingen lassen.
Single? Woran liegt es denn?
"Wenn man keinen Ehemann hat, kein Baby und 30 wird und nicht an einem unglaublich sicheren, stabilen Punkt in seiner Karriere ist oder man noch dabei ist, die Dinge zu ordnen... Da ist einfach diese unglaublich große Angst", versucht die Schauspielerin den Druck in Worte zu fassen. Dabei ist Singlesein eine bewusste und weitverbreitete Entscheidung: Laut dem statistischen Bundesamt lebte 2018 jeder Fünfte in Deutschland in einem Einpersonenhaushalt. Seit 1991 stieg die Zahl der Einpersonenhaushalte um 46 Prozent. Singlesein liegt also gewisser Maßen im Trend.
Alleine bedeutet nicht einsam
Aber Alleinstehende haben nicht nur mit Vorurteilen und Erwartungsdruck zu kämpfen, sondern auch mit ernstzunehmender Diskrimierung. Die Wissenschaftlerin Bella DePaulo erforscht die Thematik seit über zwei Jahrzehnten. So hat sie zum Beispiel belegt, dass dem Privatleben von arbeitenden Singles oft weniger Wert beigemessen wird. Wenn keine Partner oder Kinder im Spiel sind, wird eher mal eine Überstunde erwartet. Vom Wesen her werden Singles als egozentrisch, schwer vermittelbar und eben frustriert abgestempelt. Dabei gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein.
11. November: Singles' Day überholt den Black Friday
Dass Unternehmen in dem gesellschaftlichen Klischee nun sogar eine große Verkaufschance wittern, ist verärgernd, denn es verstärkt die Stigmatisierung und erhöht den Druck auf Alleinlebende.
Der Singles' Day kommt ursprünglich aus China. Mit Sonderangeboten sollen die vielen Unverheirateten des Landes über ihre Einsamkeit hinweggetröstet werden, heißt es. Der Tag im November ist im asiatischen Raum mittlerweile der umsatzstärkste im Onlinehandel im ganzen Jahr und sticht damit sogar den Black Friday aus. "Der Tag liegt gut", sagt auch Anna Werth, Leiterin der Marktplatz-KIX-Erhebung, gegenüber der "FAZ". Etwa sechs Wochen vor Weihnachten seien die Konsumenten ausgabefreudiger und die Umsätze im Handel sowieso sehr hoch. Es sei davon auszugehen, dass die Bekanntheit vom Singles' Day auch im europäischen Raum in den nächsten Jahren zunehmen werde. Natürlich werden die Rabattaktionen weder von Junggesellen noch von Paaren abgelehnt, denn zu Schnäppchen sagt niemand Nein –auch nicht, wenn einem damit unterschwellig Frustration vorgeworfen wird.
Quelle: Vogue, belladepaulo.com, Statistisches Bundesamt, FAZ, ifh Köln