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Psychologie Warum wir gerne tratschen – und welche wichtige soziale Funktion es erfüllt

Vier Frauen lachen: Warum wir gerne tratschen – und welche wichtige soziale Funktion es erfüllt
© bbernard / Shutterstock
Die meisten Menschen lästern hin und wieder. Wir erklären die Wissenschaft dahinter, warum das Tratschen so viel Spaß macht und wieso es uns sogar guttun kann.

Klatsch ist eine Art Klebstoff in vielen Freundschaften. Er schafft ein Gefühl der Verbindung – gleichzeitig verurteilen wir das Lästern aber auch. Die Motive dafür können ganz unterschiedlich sein, manchmal passiert es, damit wir uns selbst besser fühlen oder weil wir unsicher sind. Manchmal passiert es sogar aus Rache. Aber sind wir automatisch schlechte Menschen, wenn wir ab und zu lästern? Die Wissenschaft sagt: Nein. Denn Tratschen hat eine wichtige soziale Funktion.

In seinem Buch "Grooming, Gossip, and the Evolution of Language" macht der britische Anthropologe und Psychologe Robin Dunbar deutlich, wie wichtig das Tratschen für soziale Gruppen ist. Es sorgt für ein starkes Gefühl der Bindung und hat so schon unseren Vorfahren beim Überleben geholfen. Denn sie konnten darüber nützliche Informationen zu anderen Gruppen und ihr Umfeld bekommen. So war Klatsch schon in der Steinzeit ein Vorläufer des Networkings.

Klatsch als wichtiger Entwicklungsschritt für unsere Sprache

Die soziale Bindung hängt auch noch mit einem anderen wichtigen Aspekt zusammen: Laut Robin Dunbar hat das Tratschen nämlich unsere Sprachentwicklung stark vorangetrieben. Der Autor sieht im Klatsch sogar den Ursprung unserer Sprache. Damit sollen die frühzeitlichen Menschen nämlich die Fellpflege ersetzt haben, die für ihre Vorfahren, die Schimpansen, das wichtigste Werkzeug zur sozialen Bindung und Beziehungspflege war. Weil dieses "Grooming" für die ersten Menschen und ihren nomadischen Lebensstil in großen Gruppen keine Option war, haben sie laut Dunbar stattdessen mit dem Sprechen und auch mit Klatschen übereinander begonnen, um das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu stärken.

Das Thema Tratschen beschäftigt auch die Forschung schon lange. Die US-amerikanische University of California hat in einer Meta-Analyse fünf Studien zum Thema genauer untersucht – mit interessanten Ergebnissen: Gemeinhin wird vor allem Frauen vorgeworfen, besonders große Lästertanten zu sein. Dabei tratschen laut den Studien die Männer genauso viel. Extrovertierte Menschen lästern laut den Forschenden außerdem mehr als introvertierte, und ältere Personen tun es weniger als jüngere.

Sozialer Klebstoff: Deshalb lästern wir so gern

Die University of California hat unter der Leitung von Dr. Stacy Torres eine weitere Studie durchgeführt und dafür fünf Jahre lang ältere Menschen in New York begleitet. Die Psychologin konnte feststellen, dass das Tratschen offenbar auch ein wichtiges Mittel gegen Einsamkeit ist – vor allem unter den alleinlebenden Senioren. Denn sie bleiben lieber in privaten nachbarschaftlichen Gruppen, anstatt sich Organisationen wie einer Kirche anzuschließen.

Das Klatschen hilft ihnen so, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und eine Verbindung aufzubauen. Lästern ist häufig einfach der Versuch, mit einer anderen Person ins Gespräch zu kommen und Nähe aufzubauen. Auch wenn das vielleicht nicht die nobelste Art ist, ist es doch ein zutiefst menschlicher Zug.

Warum es in Ordnung ist, (manchmal) zu tratschen

Die wissenschaftlichen Studien zeigen deutlich: Tratschen ist es etwas, dass wir fast alle irgendwann im Leben tun – nicht zuletzt, weil es wichtige soziale Zwecke erfüllt. Warum also hat es so einen schlechten Ruf? Womöglich weil es mit einer gewissen Aggressivität in Verbindung gebracht wird. Denn beim Lästern geht es häufig darum, dass wir unserem Ärger über eine Person oder Situation Luft machen – das Ganze wird also schnell garstig.

Aber genau das können wir auch als Benefit des Tratschens sehen: Denn wir lassen diesen Ärger so nicht sofort mit voller Wucht an der betreffenden Person aus, sondern können ihn durch das Gespräch mit einem guten Freund oder einer Kollegin ein wenig verdampfen lassen. So sind wir vor dem Zusammentreffen mit der Person vielleicht schon etwas versöhnlicher gestimmt. Also lieber zunächst in einem Safe Space einmal so richtig ablästern, bevor wir das Thema abhaken können. Positiver Nebeneffekt: Das Ganze bringt uns dem Menschen näher, mit dem wir gemeinsam tratschen.

Trotz alledem kann es eine gute Idee sein, das eigene Gossip-Verhalten zu hinterfragen und sich anzuschauen, wie viel, wieso und auf welche Art und Weise man über andere spricht. Denn wie so oft im Leben ist auch das Tratschen eine Frage der gesunden Dosis – und der Motivation. Aber solange wir ein gewisses Maß nicht überschreiten, überwiegen psychologisch gesehen die Vorteile: Denn Lästern stärkt unsere sozialen Beziehungen und ist schließlich noch dazu evolutionsbedingt wichtig für die Sprachentwicklung!

Verwendete Quellen: Robin Dunbar "Grooming, Gossip and the Evolution of Language", psychologytoday.com, gedankenwelt.com

Gala

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