Lange hat sich die Wissenschaft schwer damit getan, die Frage eindeutig zu beantworten, ob unsere Persönlichkeit schon von klein auf feststeht oder ob sie sich im Verlauf unseres Lebens noch signifikant ändern kann. "So bin ich eben", sagen viele Menschen gern. Aber ist das wirklich so? Die Forschung lieferte lange keine klare Antwort darauf.
Eine Studie deutet nun an, dass einige einschneidende Erlebnisse durchaus dafür sorgen können, dass sich unsere Charaktermerkmale auch später im Leben noch verändern. Für die Forschungsarbeit wurden Daten von 35.000 Australier:innen aus einer Zeitspanne von 16 Jahren analysiert. Die Forschenden haben dafür mit dem psychologischen Konzept der "Big Five" gearbeitet – also die fünf wesentlichen Aspekte unserer Persönlichkeit. Wir alle tragen Teile davon in uns, allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt. Diese Merkmale sind Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Die unterschiedlichen Ausprägungen dieser Aspekte bilden gemäß der Theorie so etwas wie die Basis unserer Persönlichkeit.
Bisher nahm die Wissenschaft größtenteils an, dass der Anteil an Verträglichkeit oder wie extro- oder introvertiert wir sind, schon recht früh in unserem Leben feststeht. Die Studie legt nun nahe, dass es einige Lebensereignisse gibt, die den Wert auf der Skala dieser Merkmale auch im Laufe unseres Lebens noch verändern können.
Diese 4 Erlebnisse können die Persönlichkeit im Laufe des Lebens verändern
1. Geldprobleme
Die ausgewerteten Daten suggerieren, dass große finanzielle Not unter anderem dafür sorgen kann, dass sich unsere Charaktereigenschaften verschieben. Die Forschenden fanden heraus, dass Menschen, die unter Geldsorgen leiden, dadurch meist extrovertierter und weniger gewissenhaft wurden. Bei Männern konnten sie außerdem feststellen, dass diese emotional instabiler wurden. Bei Frauen war dieser Effekt offenbar nicht erkennbar.
2. Krankheit und gesundheitliche Probleme
Die Teilnehmenden, die plötzlich schwer krank geworden sind oder sich verletzt haben, zeigten sich im Schnitt extrovertierter als vorher. Bei Frauen war diese Veränderung übrigens gleich dreimal so stark wie bei Männern sichtbar. Wenn Familienmitglieder unter gesundheitlichen Problemen litten, wurden Frauen dadurch offenbar ebenfalls extrovertierter, darüber hinaus offener – Männer nicht. Das mag damit zusammenhängen, wie die Pflegearbeit in unserer westlichen Gesellschaft verteilt ist und dass Frauen sich möglicherweise mehr um andere sorgen als Männer.
3. Heirat
Ein weiteres einschneidendes Erlebnis im Leben vieler Menschen ist eine Hochzeit. Und auch die kann sich auf unsere Persönlichkeit auswirken. Interessant war, dass sich hier deutliche Unterschiede bei den Geschlechtern zeigten: Frauen machte die Heirat laut der Studie oft emotional weniger stabil, außerdem weniger empathisch und rücksichtsvoll. Männer wiederum veränderten sich nicht sonderlich durch das Ja-Wort.
4. Rente
Genau andersherum scheint es beim Renteneintritt zu sein, denn hier konnten die Forschenden ihre sogenannte "Grumpy Old Man"-Hypothese bestätigen. Männer wurden demnach mit dem Ende des Arbeitslebens sozial weniger verträglich, weniger empathisch und rücksichtsvoll. Frauen dagegen schienen durch den Beginn der Rente keine großen Veränderungen durchzumachen. Immerhin kann das vielleicht den Effekt der Hochzeit ein wenig ausgleichen.
Solche Studien sind trotz der großen Datenmenge natürlich mit Vorsicht zu genießen und können nicht zwangsläufig etwas darüber sagen, wie sich einzelne Personen im Laufe ihres Lebens entwickeln. Aber die Ergebnisse geben dennoch einen spannenden Einblick in die menschliche Psyche und die Einflüsse, die bestimmte Ereignisse darauf haben können.
Verwendete Quellen: psychologytoday.com, businessinsider.de