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Erfolgsautor Thomas Brezina "Begeisterung ist wichtiger als Erziehung"

Thomas Brezina
Thomas Brezina
© Tom Storyteller GmbH
In unserem Projekt "GALA - We Are Family" beleuchten wir das Familienleben mit all seinen Höhen und Tiefen. Heute erläutert Erfolgsautor Thomas Brezina im Interview, was man als Erwachsener für eine glückliche Kindheit der Kleinen tun kann.

Über 500 Bücher hat der Österreicher Thomas Brezina bereits geschrieben, zahlreiche TV-Produktionen für Groß und Klein produziert und Lieblinge wie die "Knickerbocker-Bande" oder den "Forscherexpress" erfunden. Wir sprachen mit ihm über die Fähigkeit, Begeisterung zu stiften, und warum man nur ein guter Erwachsener ist, wenn man selbst auch ein bisschen Kind bleibt.

Lernen Kinder heute anders als früher?

Ich glaube, es ist sehr wichtig, einzusehen, dass Kinder unterschiedlicher sind als wir angenommen haben. Die Unterschiedlichkeit, wie ein Kind am leichtesten lernt, wird heute viel mehr erkannt als früher. Gleichzeitig muss man natürlich sagen, dass die Herausforderungen an ein Kind durch Ablenkungen, durch alles was da einprasselt jeden Tag, definitiv größer geworden sind. Und die Herausforderung heute lautet ganz einfach: Wie muss in der Schule auf ein Kind zugegangen werden, dass es am besten, dass es am schnellsten lernt.

Was glauben Sie ist die größte Bedrohung für eine glückliche Kindheit und ein erfolgreiches und kindgerechtes Lernen?

Das sind zwei verschiedene Themen. Die größte Bedrohung für eine freudige Kindheit sind selbstverständlich sämtliche Spannungen und Unruhen im Elternhaus, aber auch zu hohe oder falsche Erwartungen der Eltern. Denn erstens einmal, Spannungen sind für Kinder wirklich schrecklich. Das muss uns allen klar sein. Viele Kinder geben sich ja auch die Schuld, wenn sich die Eltern trennen, obwohl sie überhaupt keine Schuld daran haben. Aber das liegt eben in der Natur der Kinder. Kinder haben ein sehr feines Sensorium, für alles was um sie herum geht. Ich glaube auch, wir müssen natürlich auch gesellschaftlich etwas sehen: Armut ist etwas, was eine Kindheit unglaublich gefährdet. Aber wenn Kinder Vertrauen und Sicherheit haben, wenn sie spüren, dass sie geachtet werden als der Mensch, der sie sind, dann sind sie glücklich. Das sind Kinder, die durch ihre Kindheit gestärkt werden.

Beim Lernen in der Schule geht es wieder um völlig andere Sachen. Man will natürlich, dass auch das Interesse der Kinder geweckt wird und besondere Interessen gefördert werden. Bei uns ist es immer so, dass dort, wo ein Kind gut ist, alles in Ordnung ist. Aber dort, wo es schwach ist, da muss es jetzt sehr viel an Unterstützung, Nachhilfe, Förderung bekommen. Man gleicht immerzu aus, aber betrachtet gar nicht so sehr die individuellen Neigungen. Immer dann, wenn man etwas gerne und mit Begeisterung macht, ich man viel gewillter, Engagement zu zeigen und sich reinzuhängen.

Viele Eltern glaube, ihre Kinder zu Generalisten erziehen zu müssen, die stets in jedem Fach gute Noten haben. Nachmittags geht es dann zum Sprach- oder Musikunterricht, damit der berufliche Erfolg später gesichert ist. Wie geht man mit diesem Erwartungsdruck um?

Wissen sie, ich denke nicht, dass man Leute bekehren kann. Ich glaube, dass man mit gutem Beispiel vorweg gehen kann. Jeder von uns hat als Kind gewisse Interessen und Neigungen, die ihm besonders wichtig waren und wenn wir uns zurück erinnern, dann werden wir auch sehen, dass dort, wo wir unterstützt und gefördert worden sind oder wo man uns zumindest die Freiheit gelassen hat,  sich sehr, sehr viel entwickelt.

Man muss Respekt haben vor seinem Kind, sich fragen: Wer ist mein Kind? Wofür interessiert es sich? Da muss ich natürlich verschiedenes auch anbieten und schauen, wie unterstütze ich jetzt da. 

In ihrem Buch "Blödsinn gibts nicht" fordern Sie den Leser dazu auf, sich selbst und seinem Kind Briefe zu schreiben. Hilft diese Selbstreflexion bei der Erziehung? 

Ja, der beste Erziehungsratgeber den jeder hat, ist die eigene Kindheit. Nur braucht es sehr viel Mut, sehr genau hinzuschauen. Der Blick auf die eigene Kindheit kann ziemlich weh tun, aber es lohnt sich zu fragen: Was hat mich damals wirklich gefördert? Was hat mich unterstützt, was hat mir gutgetan, aber gleichzeitig auch, was hat mich verletzt? Was war für mich schrecklich?

All die Sachen, die in der eigenen Kindheit und in der eigenen Erziehung gut gelaufen sind, werde ich fortsetzen und noch verbessern. Die Sachen, die mir weh getan haben, die zu nichts geführt haben, die werde ich doch am eigenen Kind nicht wiederholen.  Den zweiten wichtigen Blick gewähren die Briefe an den Erwachsenen, der mein Kind einmal sein wird. Man muss sich Zeit nehmen und hinschauen, erkennen, nicht sofort werten, sondern einfach einmal beschreiben. Aus meiner Erfahrung führt das bei Eltern zu einer Beruhigung und gleichzeitig öffnet es neue Türen, was genau jetzt der Eltern-Kind-Beziehung gut täte.

Erich Kästner hat einmal gesagt: „Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“ Stimmen Sie dem zu? 

Ja, dem stimme ich zu 100 Prozent zu. Ich habe in meinem Leben mehr als 500 Bücher für Kinder geschrieben, die weltweit gelesen werden. Und meine Arbeit beruht darauf, dass bei mir mit 18 Jahren eben nicht ein Balken runterging und die Kindheit endete. Ich kann mich an meine eigene Kindheit sehr gut erinnern, ich kann mich an die Freuden erinnern und ich kann mich an die Schmerzen erinnern, an beides. 

Wenn mehr Leute danach leben würden, wäre es unmöglich, dass zum Beispiel Erwachsene, die als Kinder geschlagen wurden, ihre Kinder wieder schlagen. Oder Erwachsene, die darunter gelitten haben, dass sie als Kind nicht ernst genommen wurden, ihre Kinder wieder nicht ernst nehmen. Wer seine Kindheit in Erinnerung hält, bewahrt sich selbst davor, die gleichen Fehler wie die eigenen Eltern zu machen.

Wie schenkt man Kindern das von Ihnen erwähnte "Geschenk der Langsamkeit"?

Schauen sie, die Welt ist wie sie ist, für uns alle. Unsere Aufgabe ist, damit umzugehen und es zu akzeptieren. Aufzuhören ständig Beschuldigungen zu finden, wer alles böse ist und das böse Internet und sowieso. Wir müssen damit umgehen. Das Geschenk der Langsamkeit heißt nicht, dass wir einen Schutzraum für Kinder bauen müssen. Was wir Kindern geben sollen, meines Erachtens nach, ist Zeit und die ist kostbar. "Quality time" ist der richtige Ausdruck dafür.

Obwohl meine beiden Eltern berufstätig waren, haben sie herausragende Rollen in meinem Leben eingenommen und waren immer für mich da. Es gab ein Sonntagsfrühstück, bei dem wir alle am Tisch saßen und wirklich miteinander geredet haben. Und wir wurden ernst genommen. Die gemeinsame Zeit war wenig, aber qualitätsvolle Zeit.

Das Geschenk der Langsamkeit heißt aber noch etwas anderes. Gerade jüngere Kinder sind oft viel langsamer als Erwachsene, zum Beispiel wenn man Wege zurücklegen muss oder es etwas Dringendes zu erledigen gilt. Sie haben es aber auch verdient, dass ihre Eltern sich auf ihr Kindertempo drosseln, Dinge betrachten und nicht immer nur durch die Gegend hetzen. Die Entschleunigung tut allen gut.

Also eigentlich hat man die schönsten Erfahrungen, wenn man auch als Erwachsener zugesteht, dass man von den Kindern sehr viel lernt. 

Schauen sie, Kinder spielen. Kennen sie ein Kind mit Burn-Out? Ich nicht. Und das ist nicht, weil Kinder zu wenig zu tun haben. Ein Kind hat wahnsinnig viel zu tun. Mit der gesamten Welt fertig zu werden, mit allem was sich da tut, mit seinen Ängsten, mit Gleichaltrigen, mit Auseinandersetzungen, Anforderungen etc. Ein Kind hat wahnsinnig viel zu bewältigen, ich würde das nie unterschätzen.

Aber ein Kind spielt und das heißt, dass es einen Zugang zu den Dingen hat, die prinzipiell freudiger sind. Und deswegen ist es irgendwann sehr, sehr müde und dann schläft es – meistens jedenfalls. Und wir Erwachsenen, wir tun Dinge, die wir überhaupt nicht tun wollen und wir zwingen uns dazu. Und wir haben immer die Ausrede: Das muss so sein, dass muss so sein. Und dann wundern wir uns, wenn wir erschöpft sind.

Ich glaube das, was wir von Kindern lernen können, sind Neugier, die natürliche angeborene Begeisterung, die Kindern leider so oft abgewöhnt wird und gleichzeitig eben auch dieser Spieltrieb. Und ich wage wirklich zu behaupten, dass wir als Erwachsene an das, was wir tun, wenn wir es wirklich tun wollen, auch mit einem größeren Spieltrieb herangehen können. 

Es wird ja oft gesagt, wer selber keine Kinder hat, der kann das ja immer alles gar nicht nachvollziehen und der hätte ja keine Ahnung. Mussten Sie sich dieser Kritik auch manchmal aussetzen? 

Nein, dadurch dass meine Arbeit nachweislich so vielen Kindern Freude bereitet hat, muss ich ganz ehrlich sagen, dass diese Kritik praktisch nie gekommen ist. Bei meinem aktuellen Buch kam natürlich schon bei manchen die Frage auf. Aber genau das ist ja mein großer Vorteil. Ich biete einen Blick an, der nicht verfälscht ist vom Alltag der Eltern und vom Alltag der Lehrerinnen und Lehrer. Dieser Alltag ist anstrengend und eine Herausforderung. Ich bewundere Eltern und Pädagogen für ihren unermüdlichen, wertvollen Einsatz.

Mein Leben lang war es meine Aufgabe, Kinder für etwas zu begeistern. Für das Leben. Für Naturwissenschaften. Für viele verschiedene Sachen. Und dadurch musste ich ja einen ganz anderen Zugang finden zu Kindern, eben weil ich selbst keine habe.

Welche Erkenntnis hat Sie in den letzten Jahrzehnten am glücklichsten gemacht hat? 

Seit 30 Jahren schreibe ich Bücher, für Kinder und für Erwachsene. Ein Satz, der kam im deutschsprachigen Raum, der kam in China, der kam in anderen Ländern und der lautete immer: "Danke für eine schöne Kindheit". Das ist für mich die höchste Auszeichnung, darüber freue ich mich unendlich. Ich habe persönlich einfach immer nur das getan, was mir selber Freude gemacht hat mit dem Hinblick, dass ich Kinder damit begeistern möchte. Das das so getroffen hat, das ist für mich schön.

Und es gibt eine zweite Sache. Ich habe viele Jahre eine Wissenssendung gemacht, den "Forscherexpress". Heute kommen Leute mit 23, 24 Jahren auf mich zu und erzählen, dass sie Physik oder Chemie studieren, weil sie das damals im "Forscherexpress" so fasziniert hat. Damit ist doch wirklich bewiesen, dass wenn wir Kindern etwas anbieten, das ihre Begeisterung und Neugier fördert, sich im späteren Leben etwas Großartiges daraus entwickeln kann.

Zum Abschluss möchte ich noch eine Anekdote erzählen. Mein Vater hat sich für mich immer eine akademische Karriere gewünscht und ich bin einen völlig anderen Weg gegangen. Ich habe zu schreiben begonnen, ich habe beim Fernsehen gearbeitet und beim Radio. Und da hat mein Vater dann einmal zu mir gesagt: "Weißt du, es war für mich der schlimmste Schock, dass du alles, was ich dir angeboten und ermöglicht habe, nicht genutzt hast und völlig in eine andere Richtung gegangen bist. Aber dann habe ich gesehen, wie glücklich dich das macht. Und deswegen ist das für mich völlig in Ordnung und wir werden dich immer darin unterstützen." Und ich glaube das beschreibt es in einem Satz, worum es geht.

kst

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