André Dietz ist vierfacher Vater, "Alles was zählt"-Schauspieler und Autor. Für uns beleuchtet das Ehepaar unabhängig voneinander das Leben mit Tochter Mari, die am seltenen Angelman-Sydrom leidet. Heute schreibt der Publikumsliebling über seinen herrlich-chaotischen Familienalltag.
Durch viele positive Umstände, ein bisschen Mut, Mathematik (die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Behinderung war extrem gering) und einer enormen Anziehungskraft zwischen meiner Frau und mir haben wir insgesamt vier Kinder. Drei davon entwickeln sich „normal“, eins wird ein Leben lang auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes bleiben und unserer Pflege bedürfen.
Maris Behinderung nehmen wir wahr als etwas Besonderes, als „Special Effect“ und - klar - manchmal auch als ein Problem, das es zu lösen gilt und für das es immer eine Lösung gibt. Denn wir leben unser Leben wie wir, als Familie, Leben wollen und lassen uns durch Maris Gendefekt nicht einschränken. Wir integrieren sie in alles was wir tun und tun wollen, auch wenn ich ein 20 kg schweres Kind dafür in einer etwas zu kleinen Trage einen Berg hinaufschleppen muss, weil sie sich nicht so gut bewegen kann wie die anderen. Mari dankt es uns mit einer Entwicklung, die alle Erwartungen übersteigt.
Unser Leben mit einem "Special Effect"
Die Diagnose Angelman-Syndrom, die wir erst bekommen haben als Mari fast zwei Jahre alt war, hat uns erst einmal den Boden unter den Füßen weggezogen. Unsere älteste Tochter sollte niemals laufen und sprechen lernen, niemals alleine zur Schule gehen, niemals einen Freund haben.
Wir mussten alles einmal betrauern. Alles was nie sein würde, eine Zukunft die wir uns für sie und unsere Familie vorgestellt haben. Diese „Neuausrichtung“, unsere Liebe, unsere Resilienz und unsere Familie und Freunde haben uns dann sehr schnell wieder auf die Füße kommen lassen.
Und dann hat uns die Zeit gezeigt, dass auch wenn Maris Genkonstellation an einer Stelle einen „Knacks“ abbekommen hat, sie ansonsten ein „Best of“, ein „Greatest Hits Album“ der Gene meiner geistreichen und wunderschönen Frau und mir ist. Genau wie der Rest der Bande. Denn heute, vier Jahre nach dieser Diagnose, läuft sie und kommuniziert auf Ihre eigene Art mit uns. Die Sache mit der Schule ist kein Ding und das mit dem Freund beruhigt mich fürs Erste, da ich ja noch zwei weitere Brandherde (zwei & vier Jahre alt) auf Tasche habe und nur einen Sohn (7) mit dem ich mir in ein paar Jahren schon genug Anwärterinnen genau anschauen muss.
Offen mit der Behinderung umgehen
Wir haben einen sehr offensiven Umgang mit der Behinderung unserer Tochter und ich beschütze sie, wie ein Papa das eben macht: vor stänkernden Kindern („Hast Du gerade meine Tochter nachgeäfft?“), unangenehmen Blicken („Das ist Mari, sie kann nicht sprechen …warten Sie, ich putze Ihnen schnell ihren Sabber vom Ärmel“) , selbst ernannten Parkplatzwächtern, wenn ich auf einem behinderten Parkplatz stehe („Nein, ich bin nicht behindert, aber darf ich Ihnen meine Tochter vorstellen?“).
Und wir bringen unseren anderen Kindern bei, dass sie nach ihren Möglichkeiten auf ihre Schwester aufpassen und sie auch außerhalb unseres geschützten Raumes in die Gesellschaft integrieren. Das macht sie wahrscheinlich zu noch tolleren Persönlichkeiten, als sie sowieso schon werden und Mari zu einem Mitglied unserer Gesellschaft und einem Menschen, der sich überall frei bewegen kann und in seiner eigenen Welt, dank dieser Freiheit, noch zu viel mehr fähig ist, als wir es jemals erwartet haben.
Vielleicht ist es auch ein kleiner Schritt für uns alle, Inklusion zu mehr als einer Illusion oder einem bloßen Wort zu machen. Wir leben Inklusion, lebt mit uns mit!