Wir sind mit dem Anti-Fett-Dogma aufgewachsen. Wir haben gelernt: Alle Fette sind böse, machen dick und krank.
Vielseitige Gesundmacher: Fette
Obwohl die Wissenschaft diese These inzwischen widerlegt hat, hält sie sich hartnäckig. GALA sprach über die Kraft der Fette mit Dr. med. Anne Fleck, Expertin für innovative Präventiv-und Ernährungsmedizin.
GALA: Was verblüfft Sie im Reich der Fette am meisten?
Dr. med. Anne Fleck: Ich habe festgestellt, dass man alle Krankheiten mit Fetten behandeln kann – wenn man die Zelle als kleinsten Mikrokosmos im Körper begreift, sie regeneriert, renoviert und stärkt. Schließlich bestehen Zellen inklusive ihrer Membran zu einem Großteil aus Fett. Bei Gehirnzellen sind es sogar 70 Prozent. Man kann sagen: Alles, was wir in den Mund stecken, wird auch Baustein unseres Körpers. Deshalb zahlt sich Qualität aus.
GALA: Wo genau liegt das Dilemma in Sachen Fett?
Dr. Fleck: In unserer gängigen, kohlenhydratbasierten Ernährung erleben wir einen Overkill von Omega-6-Fettsäuren. Sie sind zwar lebensnotwendig, sollten aber die noch wichtigeren Omega-3- Fettsäuren nicht zu stark dominieren. Anzustreben ist das Verhältnis 3:1.
GALA: Warum sind Omega-3-Fettsäuren so wichtig?
Dr. Fleck: Weil die Omega-6-Fettsäurespeicher sowohl durch stark getreidelastiges Essen als auch durch die Masttierhaltung getriggert werden. Das Futter der Tiere besteht ja auch aus Getreide. Die Wissenschaft geht davon aus, dass selbst Krebs und Demenz einen Zusammenhang mit dem Zellstoffwechsel und Kohlenhydratstoffwechsel im Körper haben.
GALA: Laut Studien soll ein Übermaß an Omega-6-Fetten in Lebensmitteln das Aggressionspotenzial fördern.
Dr. Fleck: Das ist richtig. Es wäre spannend, mal eine Datenerhebung im Gefängnis zu machen: Wie haben sich die jetzigen Insassen in den vergangenen zehn Jahren ernährt? Unter meinen Patienten habe ich viele chronisch Kranke mit Rheuma, Erschöpfungssyndrom, ADHS oder Depressionen. Ich merke, wie sich die Zufriedenheit und die seelische und körperliche Belastbarkeit manchmal schon nach wenigen Wochen verbessern, sobald die Kost um einen erhöhten gesunden Fett- und Ballaststoffanteil angereichert wurde. Wenn also auch mehr Gemüse und Faserstoffe auf den Teller kommen.
GALA: Was kann man im Alltag tun?
Dr. Fleck: Zum Beispiel beim Kauf von Ölen auf die Begriffe DHA und EPA achten. Das sind die VIPs der Omega-3-Fettsäuren. Sie werten mit biologisch gezüchteten Algen etwa Leinöl auf. Wichtig ist dabei, dass auf dem Etikett der Vermerk "Omega-Safe-Verfahren" steht. Diese Fettsäuren finden sich auch in fettem Fisch, in Wild oder im Fleisch von Rindern, die mit Gras gefüttert wurden.
GALA: Welche sind Ihre persönlichen Fettfavoriten?
Dr. Fleck: Alle Fette haben ihre Berechtigung! Selbst gesättigte wie in Butter, Schmalz oder Kokosfett sind rehabilitiert: Sie verursachen weder Herzinfarkt noch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Als Universalöl ist natives Olivenöl mit der Bezeichnung "extra vergine" perfekt, weil es nach neuer Erkenntnis bis zu 180 Grad erhitzt werden kann. Alternativ eignet sich Sesam- und Avocadoöl. Für die Haut schwöre ich auf Weizenkeimöl, das übrigens glutenfrei ist und sehr viel antioxidatives Vitamin E enthält.
GALA: Um welche Fette sollte man lieber einen Bogen machen?
Dr. Fleck: Alle Transfettsäuren – kurz: TFA – aus industrieller Herstellung unbedingt meiden! Sie bestehen aus Pflanzenfetten, die gehärtet wurden, um beispielsweise Margarine streichfester und haltbarer zu machen. Auch in Chips, Keksen, Fertigbackwaren oder Pizzen stecken sie. Verzwickt ist, dass der Körper sie nicht als "böse" erkennen kann, sodass sie sich wie Trojaner in die Zellmembranen schmuggeln. Und von da aus wirken sie dann nachweislich funktionsstörend auf Körper und Gemüt.