GALA-Kolumnist Hape Kerkeling über den revolutionären Graue-Haare-Trend im TV
Star-Moderatorin Birgit Schrowange verblüffte die Fernsehnation in der vergangenen Woche mit einem Knaller. Sie präsentierte sich in ihrer RTL Sendung "Extra" mit einer frechen Kurzhaarfrisur in erfrischendem Platingrau! Nach eigenem Bekunden fühlt sie sich so authentischer.
Ganz nebenbei hat das Fernseh-Urgestein damit für eine mittlere Revolution im deutschen TV gesorgt. Denn sie ist nun – Frau Krone-Schmalz in allen Ehren – die erste Moderatorin mit Natur-Grau. Das durften bisher nur "Tagesthemen"- Jungspund Ingo Zamperoni oder ZDF-Haudegen Claus Kleber. Stellen Sie sich die Zwei spaßeshalber mal mit schwarz oder blond gefärbtem Haar vor! Brüller, oder?
Grau lässt den Herrn angeblich seriös und sogar sexy wirken. Und was ist mit der Damenwelt? Entertainerin Ina Müller traute sich schon mal mit ungefärbtem Zobel-Charme vor die Kamera. Gut – die ist lustig, die darf das! Und Super-Model Heidi Klum ging als graue Tattergreisin auf ihre eigene Party. Allerdings zu Halloween, nachdem zwei Make-up-Künstler sie stundenlang faltig modelliert hatten. Überhaupt scheint sie diesen schrägen amerikanischen Brauch zu nutzen, um sich regelmäßig dem Beauty-Diktat ihrer Branche zu widersetzen. Mal als Gorilla, mal als plastinierte Leiche. Jetzt heckt sie schon wieder was Ekliges aus und ließ vorige Woche einen Gebissabdruck nehmen. Ihre schrillbizarren Halloween-Kostüme lassen einem die Haare zu Berge stehen.
Womit wir wieder bei Frau Schrowange wären. Warum traut sich eine Fernsehfrau erst jetzt, diesen Schritt zu machen? Und ist das überhaupt nötig? Dank des medizinischen Fortschritts leben wir doch immer länger. Bleiben wir damit nicht automatisch auch länger jung?
Genau diese Frage stellte ich letztens meiner zweitbesten Freundin Gudrun bei einem Glas ihres selbst gebrauten und verjüngenden Zimtlikörs. Sie antwortet empört: "Mitnichten. Das Leben wird ja nicht vorne verlängert, sondern hinten. Das kapieren die ganzen Berufsjugendlichen nicht!" Tja, aber wer will schon gern alt aussehen?
Alle großen Zivilisationen waren besessen von der fixen Idee ewiger Jugend. Hebe, so hieß die griechische Göttin der ewigen Jugend, und Iuventas, ihre römische Entsprechung, besaßen die Fähigkeit, Menschen eine neue Jugend zu schenken. Sie wurden abgeschafft. Vermutlich war das mit der dauerhaften Pubertät zu anstrengend. Und die spanischen Konquistadoren scheiterten um 1500 auf einer Karibik-Expedition an der Suche nach dem verheißenen Jungbrunnen. Sie konnten einfach die Bahamas nicht finden.
Fazit: Wenn's gut läuft, sind wir in Zukunft die längste Zeit unseres Lebens alt. Darauf sollte man sich besser beizeiten einstellen. Der älteste lebende Mensch, so las ich bei "FAZ-Net", ist – mit angeblich 120 Jahren – der Inder Swami Sivananda. Sein Rezept für Fitness bis ins hohe Alter? Yoga, Disziplin und sexuelle Enthaltsamkeit. Gudrun sagt: Da ist sie raus. Und ich? Werde das mit dem Yoga vielleicht mal probieren. Man muss nicht um jeden Preis jung sein. Gesund reicht doch. Deshalb gefällt mir ja auch der Graue-Haare-Trend so gut.
Und jetzt drücken Sie mir mal die Daumen, dass der nächste Trend "Übergewicht" heißt.
Ich drücke Sie! Ihr Hape Kerkeling