Nein, eine bequeme Sache ist der Coaching-Job bei "The Voice of Germany" nicht
- auch wenn Xavier Naidoo, Rea Garvey, Nena und "The BossHoss" die meiste Zeit in den roten Polstern ihrer futuristischen Drehsessel sitzen. "Die Dinger sind ziemlich hart. Komfort war eher nicht das Hauptaugenmerk bei der Konstruktion", erzählt "The BossHoss"-Sänger Alec Völkel "Gala". "Da weißt du abends nach der Show, wo du gesessen hast." Alle fünf haben ja einige Jährchen Rock 'n' Roll auf dem Buckel. Da zwickt nach drei Stunden Dreh schon mal der Rücken.
Solche Probleme verfliegen aber schnell angesichts der guten Quoten, die auch die zweite Staffel erreicht - zwischen vier und fünf Millionen schalten ein. Momentan läuft die zweite Phase, die "Battle Round", in der die Coaches die Teilnehmer aus ihren Teams gegeneinander antreten lassen, um zu entscheiden, mit welchen acht Sängern sie jeweils in die Liveshows gehen werden.
Die Talente sind vielversprechend, doch der Reiz der Sendung liegt nicht zuletzt im Zusammenspiel der Coaches. Alle haben ihren Part. Rea Garvey, der Connaisseur, der zurückgelehnt im Sessel mit geschlossenen Augen der Musik lauscht (Lieblingsspruch: "I fucking love the song"). Nena, die überbordend Gefühlige, die nicht lange still sitzen kann. Xavier Naidoo, der pedantische Dr. Ton, der permanent mit der linken Hand sein Kinn knetet. "The BossHoss", die Underdog-Cowboys im Unterhemd, die 2011 mit Ivy Quainoo triumphierten.
Unterschiedliche Rollen, aber jeder der fünf hat in Sachen Bissigkeit zugelegt. "Mutti ist heute nett", heißt es, wenn Nena bei ihren Kommentaren wieder mal in "Oh, my god, ich kriege Gänsehaut"-Sätze abdriftet oder ihren Lieblingsspruch bringt, sobald das Publikum voll mitgeht: "Maxi kreisch!"
Für Rea Garvey und Xavier Naidoo sind "The BossHoss" nur die "Brüder Cartwright von der Bonanza-Ranch" oder die "Brokeback Mountain"-Boys. "Die haben ihre Karriere auch erst in dieser Show gestartet", kommentierte Naidoo in einer der ersten Sendungen trocken - ein Seitenhieb darauf, dass die beiden zu Beginn die am wenigsten bekannten im Coaching-Team waren. Und wenn alle Cowboy-Gags durch sind, kriegt halt Rea Garvey einen Spruch ab. Die Dialoge sind laut den Machern nicht inszeniert, alles passiere spontan. "Dadurch wirkt die Sendung dynamisch und erfrischend", sagt Inga Nandzik, Konsumforscherin von der Hamburger Agentur "Sturm und Drang". "Außerdem tragen die Coaches ihre Rivalität niemals auf dem Rücken der Kandidaten aus, sondern sticheln eher gegen die Kollegen. Das ist ein guter Spirit für eine Castingshow."
Ein Spirit, der sich auch für die gestandenen Stars auszahlt. Der Job hat ihre Karrieren gepusht, jeder von ihnen nutzt das Format als PR-Plattform. Im vergangenen Jahr veröffentlichten beispielsweise Rea Garvey und "The BossHoss" zum Sendestart neue Platten. Im Zuge des Hypes um die Show, in der die Coaches mit ihren aktuellen Songs auftreten, landeten beide Werke in den Top Five der deutschen Albumcharts. "The BossHoss" bescherte das mal eben die erfolgreichste Single ihrer Karriere und nun einen Werbedeal mit einer Jeansmarke, Rea Garvey einen gelungenen Start als Solokünstler. Überraschung: Pünktlich zur zweiten Staffel gibt es Re-Releases der Platten, aufgepeppte Neuversionen mit ein, zwei neuen Stücken ... Das sind allerdings Peanuts im Vergleich zu Xavier Naidoo: Der trommelte kürzlich die ausgeschiedenen Talente von 2011 für eine Platte und eine TV-Show zusammen, brachte Ende September mit dem Rapper Kool Savas eine LP raus, die auf Platz eins landete, genau wie seine Best-of-CD Anfang des Jahres. In diesen Tagen schoben Rea Garvey und er in die Drehpause von "The Voice of Germany" noch ein paar Konzerte mit ihrer Kombo Alive And Swingin' ein. Nur bei Nena forderte der stressige Drehplan seinen Tribut. Ihre Tour sagte sie wegen Erschöpfung Ende 2011 ab. Doch dafür ist sie jetzt dabei - mit einem neuen Studioalbum. Bei so viel PR-Power lag es nahe, dass die Verhandlungen zur zweiten Staffel problemlos über die Bühne gehen würden. Nur Xavier Naidoo soll am Anfang gezögert haben. Doch im Sommer, so hört man aus dem Umfeld der Produktionsgesellschaft, sei "die Sache eingetütet" gewesen. Schließlich hatte die Arbeit allen Spaß gemacht. "Ich liebe es, mit den Talenten die Songs auszusuchen und sie zu entwickeln. Ein großartiges Gefühl. Deswegen wollte ich es wieder tun", sagte Rea Garvey zu "Gala".
Berlin-Adlershof, Studio H: Im Erdgeschoss eines klotzigen Baus aus Glas und Beton wird "The Voice of Germany" aufgezeichnet. In diesen Tagen sind die Aufbauarbeiten für die Liveshows, die am 22. November starten, im vollen Gange. Inzwischen sind die Coaches mit ihrem Team wieder in der Stadt, Xavier Naidoo zum Beispiel hatte mit seinen Talenten ein paar Tage in Prag verbracht. Die Proben für die Auftritte laufen auf Hochtouren. "Wir haben keinen Druck, jeden Tag stundenlang zu üben. Aber wenn wir es brauchen, dann machen wir das", sagte Kandidatin Iveta Mukuchyan aus dem Xavier-Naidoo-Team gegenüber "Gala". Sie ist Fan des Mannheimers. "Mittlerweile sind wir in seiner Gegenwart auch nicht mehr so aufgeregt. Xavier ist sehr entspannt. Irgendwie mehr ein Freund als ein Coach." Welcher der Kandidaten hat gute Chancen, die zweite Staffel zu gewinnen? "Das kann man zu diesem Zeitpunkt nicht sagen", winkt "BossHoss"-Mann Alec Völkel ab. "Letztes Mal waren alle sicher, dass Rino Galiano gewinnt - und dann sind wir mit Ivy durchmarschiert."
Bis zum Finale am 14. Dezember ist es noch eine Weile. Das heißt: viele Stunden im roten Sessel. Aber die Schmerzen lohnen sich ja.