Der deutsche Hollywood-Filmproduzent Roland Emmerich, 63, bringt am 7. November seinen neuen Film "Midway" in die deutschen Kinos. Das Actiondrama spielt in der Zeit des zweiten Weltkrieges und thematisiert die "Midway"-Schlacht zwischen der USA und Japan. Luke Evans, 40, der bereits aus "Die drei Musketiere" bekannt ist, spielt die Hauptrolle in Emmerichs Film.
Homosexualität: immer noch ein Tabu-Thema in Hollywood
GALA: Einer der männlichen "Midway"-Hauptdarsteller ist Luke Evans, ein Brite, der seit Jahren offen schwul lebt und dessen Karriere dadurch nicht gelitten hat. Ist das nicht ein ermutigendes Signal an andere Stars, sich ebenfalls zu outen?
Roland Emmerich: Das könnte man im ersten Augenblick so denken. Es gibt ja kaum jemanden, der männlicher aussieht als Luke Evans und somit auch mit dem Klischeebild eines Schwulen bricht, das bis heute leider immer noch zu viele im Kopf haben. Andererseits hat es ihm eben doch ein bisschen geschadet. Am Anfang hat man nämlich nicht nur in Hollywood gedacht, dass er ein neuer Superstar wird. Diesen Sprung hat er dann aber doch nicht geschafft und er wird auch nicht als Leading Man besetzt, der Frauenträume bedient. Aber das kann natürlich auch andere Gründe haben…
Bis heute halten sich hartnäckig Gerüchte um die angebliche Homosexualität einiger männlicher Topstars in Hollywood. So zum Beispiel um George Clooney, John Travolta – aber auch jüngere Kollegen wie Zac Efron.
Ich werde jetzt sicher niemanden outen. Aber natürlich gibt es ein paar Hollywood-Stars, die auf Männer stehen. Innerhalb der Branche wissen das auch fast alle und deshalb wird auch immer wieder darüber gewitzelt, dass sich bis heute keiner zu dem Schritt durchringen mag. Wo das doch eigentlich kein Problem mehr sein sollte. Aber mit Witzen tut man da niemanden einen Gefallen. Zumal es natürlich umso schwerer ist, wenn man der Öffentlichkeit über Jahrzehnte etwas vorgespielt hat. Aus diesem Konstrukt kommt man nur ganz schwer wieder raus.
Auch Sie hatten ja zunächst gezögert, sich zu outen.
Was vor allem daran lag, dass in den Siebziger- und Achtzigerjahren noch ein anderes gesellschaftliches Klima herrschte. Ich wollte aber auch nicht das Label "schwuler Regisseur" aufgedrückt bekommen, da mir das im Science-Fiction und Action-Genre, in dem ich den Erfolg gesucht habe, eher im Wege gestanden hätte. Das zumindest dachte ich früher. Es waren wie gesagt andere Zeiten.
Roland Emmerich: "US-Filmindustrie ist aufgeschlossen und liberal"
Rupert Everett hat in Interviews mehrfach bereut, dass er sich geoutet hat. Er hätte danach fast keine Rollen mehr bekommen, weil es in Hollywood von homophoben Studiobossen nur so wimmeln würde …
Es tut mir sehr leid, dass er da so schlechte Erfahrungen machen musste! Aber ich finde nicht, dass Rupert Everett Recht hat. In meinen Augen ist die US-Filmindustrie eine der aufgeschlossensten und liberalsten, die es überhaupt gibt. Sicher hat in der Vergangenheit auch mal das eine oder andere schwarze Schaf unter den Studiobossen oder Casting-Agenten für böses Blut gesorgt. Aber homophobe Idioten gibt es überall. Die Zurückhaltung bei dem Thema liegt in meinen Augen nicht an der Industrie, sondern leider oft am Publikum, das zuweilen das Interesse verliert, wenn es zum Coming-Out eines Stars kommt.
Was genau meinen Sie?
Hollywood bzw. die Filmindustrie weltweit verkauft nun mal Träume. Und wenn sich ein von Millionen Frauen umschwärmter Filmstar als schwul outet, dann platzt bei denen zumindest der Wunschtraum, dass sie ihr Idol vielleicht doch irgendwann mal in einer Bar treffen und am Ende heiraten. Und pubertierende Jungs tun sich auch eher schwer damit, wenn ihr Lieblings-Actionstar verkündet, dass er auf Männer steht. Es ist ein "Make believe"-Geschäft.
Deshalb also die Scheu von Schauspielerinnen und Schauspielern davor, den großen Schritt zu gehen?
Genau! Natürlich dürfte es da im Jahr 2019 eigentlich gar kein langes Überlegen geben. Aber es ist nicht nur eine sehr persönliche, sondern auch eine wirtschaftliche Entscheidung. Das muss jeder ganz alleine mit sich ausmachen. Aber ich würde trotzdem immer jeder Schauspielerin und jedem Schauspieler dazu raten, sich zu outen!
Warum?
Seit meinem Coming-Out bin ich ein glücklicherer Mensch! Davor ging es mir nicht so gut. Ich möchte frei leben und der Welt ganz offen zeigen können, wen ich liebe. Wenn man seine wahre Identität nicht leben kann, ist das auf Dauer für die Seele einfach nicht gesund. Ich bin ja nicht nur schwul, wenn es um das Thema Sex geht. Ich lebe, denke, fühle als schwuler Mann, möchte mich ganz selbstverständlich mit meinem Partner in der Öffentlichkeit zeigen und ihn nicht verstecken müssen.
Hoffnung auf eine tolerantere Zukunft
Sind Sie nach Ihrem Coming-Out nie diskriminiert worden?
Nicht ein einziges Mal! Es war immer alles cool. Und ich glaube nicht, dass ich da nur Glück gehabt habe. Denn noch einmal: Die Industrie, in der ich arbeite, ist in meinen Augen superliberal.
Was meinen Sie: Wird es irgendwann ganz selbstverständlich offen homosexuelle Hauptfiguren in Blockbustern oder einen schwulen Superhelden geben?
Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, dass die Chancen dafür ziemlich gering stehen. Es ist ein globales Geschäft. Filme, die für 200 Millionen Dollar produziert wurden, müssen auch in Ländern funktionieren, in denen Homosexualität weiterhin tabuisiert wird. Da überlegen sich Produzenten natürlich zweimal, wie offensiv und progressiv sie das Thema auf der Leinwand angehen. Es ist der Kampf Politik gegen Ökonomie. TV-Sender wie HBO oder Netflix sind da heute schon wesentlich mutiger.
Wie optimistisch blicken Sie bei dem Thema in die Zukunft?
Grundsätzlich bin ich guter Dinge, dass es trotz aktueller Rückschläge wie in den USA unter Trump aber auch im Rest der Welt, auf Dauer wieder liberaler wird. Denn es wächst eine junge Generation heran, die das Thema heute als absolute Selbstverständlichkeit betrachtet oder es ihnen total egal ist – zumindest in den Großstädten. Mein Mann ist ja eine ganze Ecke jünger als ich und total begeistert, wie offen und progressiv inzwischen junge Heteros in seinem Freundeskreis mit dem Thema umgehen. Das macht mir Hoffnung.
Verwendete Quellen: Eigenes Interview