Grau ist er geworden. Sein Gesicht wirkt füllig. Um Bauch und Hüften hat sich ein Wohlfühlring ausgebildet, gut sichtbar unter der eng geschnittenen Weste. Die Glitzerjacke - gar nicht rockstarlike! - betont die neuen Pfunde noch zusätzlich, die von Abenden auf dem Sofa und etlichen Bierchen künden.
Doch all das nehmen die Zuschauer höchstens für eine Zehntelsekunde wahr, als Robbie Williams in Dublin auf die Bühne des Aviva-Stadions springt. "Let me entertain you!", ruft er, und Las-Vegas-Jacke und Hüftgold sind vergessen. Er reißt das Mikro aus der Halterung, schneidet Grimassen, tänzelt über die rutschige Bühne: Schweiß tropft ihm vom Gesicht, vermischt mit dem Regen, der pünktlich zu Konzertbeginn eingesetzt hat. Aber das stört keinen. Auch nicht die jungen Irinnen, die sich mit Hotpants und Stilettos für ihren Helden aufgestylt haben und schon jetzt im Innenraum der Arena völlig durchnässt sind. Robbie ist da, besser denn je.
Was hatte er für einen Bammel vor seiner "Take The Crown"-Europatour! Es sei für ihn jedesmal wie russisches Roulette, vor Publikum zu spielen, sagte Robbie der BBC. Er sei schließlich "ein dünnhäutiger Narziss". Er will überzeugen, und er hat Angst zu versagen.
Jahrelang kämpfte er mit Depressionen und Süchten, machte sich rar. Mit seiner ersten Tournee seit sieben Jahren möchte er sich noch einmal wie der Superstar fühlen, für den ihn alle halten - alle außer ihm selbst vielleicht. Klar war er 2011 mit Take That auf Tour, aber da flankierten ihn die vier anderen. Weshalb er sich nun, solo, Dublin und nicht seine Heimatstadt London für den Auftakt ausgesucht hat? Vielleicht wollte er auf Nummer sicher gehen. In der Arena singen guinnesstrunkene Iren schon lange vor Robbies Erscheinen seine Songs im Chor. Ein Publikum, wie geschaffen für ein Künstler-Ego, das gestreichelt werden möchte.
Für echte Nähe ist die Familie da. "Gala" erlebt auch Robbies Frau Ayda in Dublin: Für sein Wohlgefühl schleppt die nach der Geburt ihrer Tochter wieder auf Modelmaße erschlankte Schauspielerin die kleine Theodora, genannt Teddy, direkt vor die Bühne. Teddy trägt überdimensionale neon-pinke Kopfhörer - und beflügelt ihren Dad. "Teddy-Bear!", ruft er, lässt sich das begeistert strampelnde Mädchen über die Absperrung reichen und winkt mit ihrem Ärmchen in Richtung Zuschauer. Robbie als Daddy: echt niedlich.
"Ayda unterstützt mich voll und ganz", sagte er vor "Gala" mal. Und das macht sie in jeder Lebenslage. Bei der Probe tanzt sie ihren Mann aus dem Zuschauerraum an, singt fast jeden Song laut mit. Sogar seine Choreografie hat sie drauf, macht viele Bewegungen synchron mit. Es wirkt so vertraut, als würde das Ehepaar im heimischen Wohnzimmer ein paar Schritte einüben.
Für Aydas Unterstützung bedankt Robbie Williams sich im Kontert auf seine Weise. "Ich mache diese Tour, weil sie so viele fucking handbags kauft", witzelt er von der Bühne. Derb und echt. Ganz wie früher.